Erfolgsfaktoren bei der Steuerung von Auslandsgesellschaften

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zuletzt aktualisiert am 30. April 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Die eigene internationale Vertriebs- oder Produktionstochtergesellschaft ist ein unverzichtbarer Teil des erfolgreichen Geschäftsmodells der deutschen Wirtschaft, besser der sog. Hidden Champions. Sie zeichnen sich durch eine direkte Verankerung in den internationalen Märkten zur Gewährleistung der Nähe zu den Kunden aus. Gleichzeitig ist die Internationalität Ausdruck des unternehmerischen Willens zur Erschließung bzw. zum Ausnutzen des jeweiligen Marktpotenzials. Häufig erreichen die aufaddierten Umsätze und Ergebnisbeiträge der Tochtergesellschaften das Niveau des deutschen Mutterunternehmens oder übersteigen es bereits.


Vom Mutterunternehmen unterscheiden sich die internationalen Tochtergesellschaften u.a. bei der Größe, Entstehungsweise, Einbettung in den jeweiligen Geschäfts- und Kulturkreis, den Einstellungen und Erwartungen der Mitarbeiter, der gelebten Unternehmenskultur, Entfernung zum Mutterunternehmen, dem politischen und regulatorischen Umfeld, der Qualität des Compliance- und Risikomanagements sowie verfügbaren IT-Infrastruktur.


  
Nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg erfordert das aktive Auseinandersetzen mit den Besonderheiten bei der Gründung, aber v.a. im laufenden Betrieb der Tochtergesellschaften. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich Unklarheiten und Schwächen in der Organisation des Mutterunternehmens bei den ausländischen Tochter­gesellschaften zu potenzieren drohen. Von daher lohnt ein Blick auf die Erfolgsfaktoren bei der Steuerung von Auslandsgesellschaften. Unabhängig davon lassen sich mit modernen ERP-Systemen nach­haltige Verbesserungen bei der Steuerung von Auslandsgesellschaften erreichen.   
 
Zentraler Ansatzpunkt ist, dass Mensch und Kultur die Anforderungen an das Steuerungs- und Überwachungs­konzept bestimmen. Wenige gezielte Maßnahmen sind effektiver als bürokratische Strukturen. Der Ansatz kommt v.a. Hidden Champions entgegen, die sich mehr als Unternehmer denn als durchorganisierte, hierarchische Großkonzerne verstehen.
   
Nachfolgend werden fünf Erfolgsfaktoren für ein wirksames Steuerungs- und Überwachungskonzept aufgeführt:


1. Verständnis für das soziokulturelle Umfeld

Andere Länder, andere Sitten. Diese einfache Formel wird im Geschäftsleben häufig vergessen bzw. spielt bei den Fragen des Zuschnitts des Steuerungs- und Überwachungskonzepts keine Rolle. Vertrauenskultur vs. Hierarchie, unternehmerische Entscheidungsspielräume vs. direkte Ansage, Individualität vs. Gruppendisziplin. Alle diese Aspekte und viele mehr sind von Bedeutung. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass gerade die Mitarbeiter und Führungskräfte internationaler Unternehmen klar bestimmte Erwartungen mit der Tätigkeit in einem deutschen Unternehmen haben. Insoweit ist es nicht nur der Blick von der Muttergesellschaft auf das Tochterunternehmen, sondern gerade auch der Blick vom Tochterunternehmen auf das Mutterunternehmen, die lohnende Perspektive. Insoweit bedarf es der Überprüfung, ob der im Mutterunternehmen bewährte Führungsstil passend ist für die Tochtergesellschaft.
 

2. Unternehmenskultur in den Mittelpunkt stellen

Für die Wirksamkeit des Steuerungs- und Überwachungskonzepts kommt der Unternehmenskultur eine absolute Schlüsselfunktion zu. Das zeigen die Beispiele um die Abgasmanipulation bei Volkswagen oder der Umgang mit dem Locky-Virus bzw. den berühmten „Überweisungs-E-Mails” in vielen deutschen Unternehmen. Im Fall von Volkswagen war es u.a. die falsch ausgeprägte Fehlerkultur; bei Locky und den „Überweisungs-E-Mails” eine gewisse Gleichgültigkeit sowie die fehlende konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit (ggf. erst auf den zweiten Blick) ungewöhnlichen Sachverhalten. Heutige Bedrohungslagen sind häufig innovativ, disruptiv und dynamisch; das klassische, auf Regeln aufgebaute Risikomanagement kann an der Stelle keinen Schutz bieten. Er kann nur über eine entsprechend ausgeprägte Unternehmenskultur erreicht werden. Schnelle Kommunikation, eine positive Fehlerkultur, eine lernende Organisation, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und zum Mitdenken – auch über Abteilungs- oder Organisationsgrenzen hinweg – sind dabei nur einzelne Aspekte einer modernen Unternehmenskultur.
 
Unternehmenskultur sollte nicht zufällig entstehen; sie lässt sich zielgerichtet entwickeln. Die drei Treiber für Unternehmenskultur sind Werte, Normen und Einstellungen.
 

3. Realistische Einschätzung der Fähigkeiten des Managements

„Verwaltung verdient kein Geld! Hidden Champions konzentrieren sich auf die Produktion und den Vertrieb. Die Kunden stehen im Mittelpunkt des Geschehens.” Das gilt sowohl für das Mutterunternehmen, als auch die Tochtergesellschaft. Auf der einen Seite das kaum vorhandene Beteiligungscontrolling und auf der anderen Seite der Geschäftsführer, der auch noch ein Produktions- oder Vertriebsprofi sowie ein ausgezeichneter Finanz- und Personalverwalter sein soll – es lohnt ein objektiver Blick, inwieweit die Ressourcen und Fähig­keiten des Managements angemessen sind.
 

4. Regulatorisches Umfeld verstehen

Das regulatorische Umfeld unterscheidet sich im Ausland regelmäßig erheblich vom bekannten in Deutschland. Das gilt in besonderer Weise für Rechnungslegung, Besteuerung, Arbeitsrecht und Prüfung. Ein Überstülpen der für Deutschland passenden Vorgehensweisen auf die internationale Tochtergesellschaft funktioniert nicht. Häufig gibt es international für nicht börsennotierte Unternehmen handelsrechtlich keine besonderen Rechnungslegungs- und Prüfungsvorschriften; dafür wird mehr Wert auf steuerliche und sozialversicherungs­rechtliche Aspekte gelegt. Nicht nur in den USA, sondern auch in weiten Teilen Ost-Europas und Asien sind die Steuererklärungen zum Ende des ersten Quartals abzugeben.
 

5. Intelligente Integration des Wirtschaftsprüfers in das Steuerungs- und Überwachungskonzept

Jedes Steuerungskonzept ist nur so gut, wie das dazugehörige Überwachungskonzept. Überwachung wird dabei nicht als Misstrauen oder „stumpfe” Kontrolle, sondern als optimal in die Vertrauensorganisation und gelebte Organisation integrierte Prävention interpretiert. Der Wirtschaftsprüfer ist bereits systemgemäß Teil der Überwachungs­organi­sation des Mutterunternehmens. Von daher ist er prädestiniert, zur Wirksamkeit des Steuerungskonzepts und damit zum nachhaltigen Erfolg des Unternehmens beizutragen.

Die Kunst liegt darin, das Standard-Instrument der Jahresabschlussprüfung exakt an die Informations-, Steuerungs- und Überwachungsanforderungen des Mutterunternehmens mit Blick auf die jeweiligen Tochtergesellschaften anzupassen. Stichworte in dem Zusammenhang sind Prüfungen zur Funktionsfähigkeit des internen Kontrollsystems, der Überwachung der Liquidität, die Einhaltung des Katalogs zustimmungs­pflichtiger Geschäfte sowie die Analyse der Rentabilität einzelner Aufträge. Korruption, Unterschlagung und sonstige Schädigungen des Unternehmens werden durch Betrugs-Prävention identifiziert.

Im Fokus stehen u.a.

  • die Überprüfung von Reisekosten,
  • das tatsächliche Vorhandensein von Anlagevermögen,
  • die Durchleuchtung von Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen,
  • die Prüfung von Personalkonten auf Unregelmäßigkeiten in Zahlungsabläufen sowie
  • die Prüfung von Vertrags- und Leistungsinhalten mit Geschäftspartnern.


Im Compliance Audit wird die Einhaltung der wesentlichen gesetzlichen, wie steuer-, gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Vorgaben sowie unternehmensinterner Regeln geprüft und bewertet.
 
Wie bereits angesprochen, kann mit modernen ERP-Systemen die Überwachung und Steuerung von Auslands­gesellschaften nachhaltig verbessert werden. Zentraler Ansatzpunkt ist, dass die wesentlichen Geschäfts­prozesse, wie Einkauf (purchase-to-pay), Verkauf (order-to-cash), Mitarbeiter­verwaltung und Gehaltsab­rechnung sowie Material- und Lagerwirtschaft über das Mutterunternehmen und seine Tochtergesellschaften einheitlich ausgestaltet werden. Dazu gehört die Standardisierung der Prozesse und die anschließende Digitalisierung im ERP-System. Häufig werden organisatorisch zentrale Shared Service Center für den Betrieb der Buchhaltungen eingerichtet. Ergebnis ist eine zeitnahe vollständige Übersicht über die Geschäfts­vorfälle und deren Auswirkungen auf das Unternehmen. Auch für Wirtschaftsprüfer sind die Strukturen interessant, da dadurch die prozessorientierte Vorgehensweise bei Abschlussprüfungen unterstützt werden kann (z.B. der „Smart Audit made in Germany”-Ansatz von Rödl & Partner).


Fazit

Unabhängig von den beschriebenen Erfolgsfaktoren handelt es sich bei der Steuerung von Auslandsge­sellschaften um einen fortwährenden Prozess, der unabhängig von allen Regeln und Prozessen, insbesondere von der situativen Auseinandersetzung mit der Realität lebt. Risikomanagement ist immer auch Tagesgeschäft. Die aktuellen weltwirtschaftlichen Entwicklungen sind dabei der beste Beweis. Der Wirtschaftsprüfer in seiner Funktion als konstruktiv-kritischer Begleiter kann für die Steuerung und Überwachung der Tochtergesell­schaften der sog. Hidden Champions einen wertvollen Beitrag leisten.

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Martin Wambach

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, IT-Auditor IDW

Geschäftsführender Partner

+49 221 9499 091 00

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