Wirkungsvolle Zusammenarbeit in der Lieferkette durch vertragliche Vereinbarungen

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 5. Dezember 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit spielt die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen entlang der Lieferkette eine tragende Rolle. Verträge stecken dabei den rechtlichen Rahmen der Zusammenarbeit ab. Sie spiegeln wider, ob sich die betreffenden Unternehmen auf Augenhöhe begegnen oder ob ein ausgeprägtes Machtgefälle besteht. Im Hinblick auf den Schutz von Menschen- und Umweltrechten stellt die Vertrags­gestal­tung somit Chance und Risiko zugleich dar. Einerseits besteht die Chance, Erwartungen an Zulieferer rechtlich zu verankern und positive Verände­rungen in der Lieferkette in Gang zu setzen. Andererseits besteht das Risiko, Verant­wortlichkeiten vertraglich weiterzu­reichen, ohne die tatsächliche ökologische und soziale Verantwortung von Unternehmen in der Lieferkette zu steigern. Das vertrag­liche Durchreichen von Risiken und Pflichten birgt außerdem die Gefahr, dass sich final alle Risiken und Pflichten an den Anfängen globaler Lieferketten kumulieren – und damit bei denjenigen, deren (Menschen-)Rechte eigentlich geschützt und gestärkt werden sollen. Eine vertragliche Überforderung von Geschäftspartnern, insbesondere aus dem kleineren Mittelstand, kann auch dazu führen, dass Vertragsklauseln blind unterschrieben werden, um den Kunden nicht zu verlieren. Ein wirksamer Schutz von grundlegenden Menschen- und Umweltrechten in der Lieferkette kann so nicht erreicht werden. 


Diesen Schutz haben nun auch die neuen Lieferkettenregularien in den Blick. Seit dem 1. Januar 2023 gilt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und am 25. Juli 2024 ist die europäische Lieferketten­richtlinie (CSDDD) in Kraft getreten, die in den kommenden zwei Jahren auch in Deutschland noch in nationa­les Recht umgesetzt werden muss (im Folgenden: Lieferkettengesetze). Demnach sind Unternehmen ab einer bestimmten Größe1 gesetzlich verpflichtet, menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken durch die Beach­tung bestimmter Sorgfaltspflichten vorzubeugen, sie zu mindern oder zu beenden. Die Lieferkettengesetze geben vor, in welchen Schritten die Unternehmen diese Sorgfaltspflichten umsetzen müssen. In einem ersten Schritt ist eine Risiko­analyse durchzuführen, um relevante Risiken, wie etwa Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder Diskriminierungen am Arbeitsplatz, im eigenen Geschäftsbereich und bei Geschäftspartnern zu identifizieren. Werden Risiken ersichtlich, müssen die verpflichteten Unternehmen ihnen mittels geeigneter Präventions- und Abhilfemaßnahmen begegnen. Sowohl das LkSG als auch die CSDDD benennen hierzu bestimmte Präventions- und Abhilfemaßnahmen exem­plarisch als angemessen. Auch das Einholen vertraglicher Zusicherungen von Geschäftspartnern wird dabei als Präventionsmaßnahme genannt. 
 
Nach dem LkSG sollen Unternehmen darauf hinwirken, dass ein risikobehafteter unmittelbarer Zulieferer zusichert, menschenrechts- und umweltbezogene Erwartungen seiner Kunden einzuhalten und entlang seiner Lieferkette angemessen zu adressieren. Auf diese Weise strahlt das LkSG auch in die Lieferketten der verpflichteten, meist größeren Unternehmen aus und setzt Impulse für eine nachhaltige Tätigkeit auch bei mittleren und kleineren Unternehmen. Das LkSG möchte vertragliche Zusicherungen somit als Chance für einen effektiven Schutz von Menschen- und Umweltrechten nutzen, indem über den eigenen Wirkungskreis verpflichteter Unternehmen hinaus auch solche Bereiche und Lieferanten adressiert werden, bei denen ggf. der Ursprung der Risiken liegen könnte.  Großunternehmen sollen demnach ihre Marktmacht in Vertragsverhand­lungen nutzen, um das Thema Nachhaltig­keit zu adressieren und falls notwendig, auch Druck auf andere Unternehmen auszuüben. 

Dies gilt jedoch nicht grenzenlos. Auch wenn das LkSG über den persönlichen Anwendungsbereich hinaus über die vertragliche Zusicherung von Lieferanten eine mittelbare Wirkung entfalten möchte, soll den unmittelbar unter dem Gesetz verpflichteten Unternehmen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die Möglichkeit eröffnet werden, durch eine Delegation ihrer Sorgfaltspflichten in die Lieferkette, den Schutzzweck des LkSG vertraglich zu unter­laufen. Dies wäre aber der Fall, wenn ein Unternehmen alle Sorgfaltspflichten pauschal an seine Lieferanten abwälzen könnte. Die in Deutschland für die Überwachung einer Umsetzung des LkSG zuständige Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), hat somit in ihren Handrei­chungen klargestellt, dass das LkSG die reine vertragliche Weitergabe von Sorgfaltspflichten nicht gestattet und dass ein solches Vorgehen behörd­liche Kontrollmaßnahmen nach sich ziehen kann. Das BAFA betont, dass verpflichtete Unternehmen gefordert sind, risikobasiert und in angemessener Weise im Kontext ihrer individu­ellen Lieferkettenrisiken vorzugehen. In diesem Kontext ist außerdem zu beachten, dass eine vertragliche Vereinbarung, deren rechtliche Wirksamkeit bereits fraglich ist, z.B. unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten, keine angemessene Präventions­maßnahme darstellen kann. In der CSDDD werden diese Grenzen vertraglicher Zusicherungen noch deutlicher abgebildet. So schreibt die Richtlinie ausdrücklich vor, dass Vertragsbedin­​gun­gen mit kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) fair, angemessen und diskriminierungsfrei sein müssen. Damit adressiert sie ganz ausdrücklich die Problematik, dass Zulieferer möglicherweise nicht über das notwendige Wissen, die Ressourcen oder Mittel verfügen, um vertraglich in großem Umfang weitergereichte Verpflichtungen auch tatsächlich erfüllen zu können. Zur Orientierung bei der Gestaltung angemessener vertraglicher Zusicherungen will die EU-Kommission noch bis spätestens Ende 2026 Mustervertragsklauseln veröffentlichen. 

Bei der konkreten Ausgestaltung vertraglicher Zusicherungen bewegen sich verpflichtete Unternehmen somit stets in einem Spannungsfeld zwischen effektiver Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten einerseits und dem Gebot der Angemessenheit, Fairness und damit oft auch Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarungen mit ihren Geschäfts­partnern andererseits. Für ein verantwortungsvolles Vertragsmanagement empfiehlt es sich dem­nach, insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen:  ​


Effektive Kommunikation ​

Die Sorgfaltspflichten der Lieferkettengesetze müssen umgesetzt werden können, um wirksam zu sein. Im Rahmen von Vertragsverhandlungen ist es daher wichtig, die menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen des verpflichteten Unternehmens deutlich zu kommunizieren. Für den Geschäftspartner sollte erkennbar sein, wie die konkrete Erwartungshaltung aussieht, an wen Rückfragen oder zusätzlicher Informationsbedarf adressiert werden können und auch, wie eine Kontrolle und ggf. Sanktionierung der vertraglich vereinbarten (Nachhaltigkeits-)Pflichten aussehen könnte.  

Angepasst an konkrete Risikolage ​

Vertragliche Zusicherungen müssen risikobasiert sein, das heißt sie knüpfen Präventionsmaßnahmen an konkrete Risiken bzw. Gefährdungslagen an. Diese sind zunächst in der Risikoanalyse des verpflichteten Unternehmens zu ermitteln. Das BAFA hat klargestellt, dass eine Risikoanalyse nicht durch umfassende, pauschale Zusicherungen ersetzen werden darf. Die vertraglichen Zusicherungen sollten außerdem eine Anpassung nach Vertragsschluss ermöglichen, falls sich die Risikoindikation im Rahmen zukünftiger Risikoanalysen ändert. Zudem muss es dem Geschäftspartner realistischerweise möglich sein, in seinem lokalen und wirtschaftlichen Kontext die Anforderun­gen auch tatsächlich zu erfüllen. Eine offenkundige Überforderung des Geschäftspartners antizipiert, dass die Erwartungen nicht eingehalten werden und schlimmstenfalls menschenrechtliche Missstände verdeckt werden. Insgesamt sollten die Anforderungen auf die konkreten Risiken und auf die individuellen personellen und finanziellen Ressourcen des Geschäftspart­ners zugeschnitten sein. Soweit eine individuelle Betrachtung von Geschäftspartnern in der Praxis zu aufwendig und somit für das verpflichtete Unternehmen unzumutbar ist, bietet es sich an, mehrere Geschäfts­partner in Risikogruppen zu verbinden und die jeweiligen Anforderungen gruppen­bezogen zu konkretisieren.  


Gegenseitigkeit statt Überforderung ​

Darüber hinaus sollten die vertraglichen Vereinbarungen auf Gegenseitigkeit beruhen. Ein einseitiges Diktat von Pflichten und Anforderungen würde der eigenen Verantwortung des verpflichteten Unternehmens nach den Lieferkettengesetzen nicht gerecht werden. Zusicherungen des Geschäftspartners können beispielsweise durch vertraglich verankerte Unterstützungsmaßnahmen ausgeglichen werden. Die CSDDD nennt insoweit Maßnahmen wie das Angebot von Schulungen, die Bereitstellung modernisierter Managementsysteme oder finanzielle Unter­stützung. Die Motivation zu einer guten Nachhaltigkeitsperformance kann auch durch Anreize wie Bonuszahlungen oder Kostenübernahmen gefördert werden. Als Teil der Gegenseitigkeit sind verpflichtete Unternehmen auch angehalten, in ihren vertraglichen Vereinbarungen mit Geschäftspartnern eigene Beiträge zu bestehenden Risiken zu reflektieren. Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist kein isoliertes Konzept. Vielmehr verlangen die Lieferketten­gesetze von Unternehmen, dass sie menschenrechts- und umweltbezogenen Sorg­faltspflichten in ihre gesamte Geschäftstätigkeit integrieren. Insbesondere auch eine verantwortungsvolle Preisgestaltung kann dazu beitragen, Risiken zu minimieren. 

Folgen bei Verstößen  ​

Eine wirkungsvolle Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen und Stabilität. Wenn ein Geschäftspartner vertrag­liche Zusicherungen und Erwartungen nicht einhält, sollte ihm zunächst Gelegenheit zur eigenständigen Abhilfe gegeben werden. Auch gemeinsam mit dem verpflichteten Unternehmen kann ein zumutbarer Plan entwickelt werden, um menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu mindern oder zu beenden. Die Lieferkettengesetze sehen eine Beendigung oder Aussetzung der Geschäftsbeziehung nur als letztes Mittel oder aber bei besonders schwerwie­genden Verletzungen vor. Dieser Grundsatz sollte sich auch in den vertrag­lichen Bedingungen widerspiegeln. Sind die Voraussetzungen zur Beendigung einer Geschäftsbeziehung dennoch gegeben, verlangt die CSDDD einen verantwortungsvollen Exit. Demnach sollen Unternehmen die negativen Folgen des Exits abfangen, etwa indem sie beispielsweise für eine Übergangszeit finanzielle Unter­stützung anbieten. 

Fazit 

Die Lieferkettengesetze erfordern eine neue Herangehensweise an die Vertragsgestaltung: weg von der klassischen Weitergabe von Risiken („risk shifting“) und hin zu einer geteilten Verantwortung und konstruktiven Zusammen­arbeit von verpflichteten Unternehmen und ihren Geschäftspartnern für mehr Nachhaltigkeit. Unternehmen können diese Chance nutzen, um die Zusammenarbeit in ihren Lieferketten und damit auch ihre Lieferketten selbst zu stärken. Dies gelingt vor allem, wenn Unternehmen diesem Thema eine ausreichende Bedeutung im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit beimessen und sowohl einen effektiven Schutz von Menschen- und Umweltrechten als auch etwaige personelle und finanzielle Begrenzungen ihrer Geschäftspartner im Blick behalten. Eine pauschale Weitergabe von Sorgfaltspflichten oder ein blindes Bestehen auf der Unterzeichnung ggf. nicht erfüllbarer Vertrags­bedingungen ist zu vermeiden. In Fällen einer Überforderung von Lieferanten, sollten einvernehmliche Lösungen gesucht werden. Dabei können auch Mustervertragsklauseln als Grundlage und Unterstützung genutzt werden, der individuellen Zusammenarbeit auf Augenhöhe sollte aber stets Vorrang eingeräumt werden.  ​
 
 
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1) Das LkSG gilt ab dem 1. Januar 2023 für Unternhmen mit mehr als als 3.000 Arbeitnehmern und ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern. Die CSDDD nimmt zudem den Umsatz eines Unternehmens in den Blick.

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