Anforderungen an die Nachhaltigkeitsexpertise deutscher Aufsichtsräte

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​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 28. März 2024 I Lesedauer ca. 4 Minuten

von Anna Wilhelm, Rödl & Partner München, und Céline Makowka


Die operative Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist bei den großen Unternehmen bereits im vollen Gange und auch die bedeutenden Neuerungen im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) beschäftigen aktuell die Vorstände und Aufsichtsräte. Das Thema Nachhaltigkeit ist präsenter denn je und vergrößert somit auch das Anforderungsprofil und die Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder.
 

Neue Rahmenbedingungen 

Ganz oben an der Tagesordnung steht der Sammelbegriff „nachhaltige Unternehmensführung“. Die Kodex­reform und CSRD-Richtlinie führen zu einer Ausweitung des Kompetenzprofils und der Überwachungs​­aufgabe der Aufsichtsräte. Seit der Reform im April 2022 sollen die Überwachung und Beratung durch den Aufsichtsrat nun auch explizit Nachhaltigkeitsfragen (Grundsatz 6 DCGK) und das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen (vgl. Empfehlung C.1 DCGK). Bekannt ist, dass mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats Sachverstand auf den Gebieten der Abschlussprüfung und Rechnungslegung mitzubringen hat. Die Anforderung wurde dahingehend ergänzt, dass zur Rechnungslegung und Abschlussprüfung auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung gehören soll (Empfehlung D.4 Satz 2 DCGK). 
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Durch die CSRD müssen künftig konkrete Angaben zur unternehmenseigenen Nachhaltigkeitsstrategie offengelegt werden. Gleiches gilt für die Rollen der Vorstände und Aufsichtsräte hinsichtlich deren nachhalti­gen Ausrichtung. Aufsichtsräte müssen nun also in der Lage sein, Nachhaltigkeitsaktivitäten der Unternehmen verlässlich zu bewerten.

Herausforderungen für Aufsichtsräte

Nachhaltigkeit und nachhaltiges Wirtschaften ist zwar per se kein brandneues Thema, aber die Regulatorik ist es. Bislang konnten die Unternehmen sich in ihrem eigenen Ermessen damit beschäftigten und selbst entschei­den, inwieweit Nachhaltigkeit Teil der Unternehmensführung ist oder sein soll. Das ist jetzt Geschichte. Die verpflichtenden Offenlegungen führen dazu, dass sich die Führungsgremien zwangsweise vermehrt mit ESG-Themen beschäftigen müssen und werden. Wissen diesbezüglich muss nun rasch auf- und ausgebaut, sowie die eigenen Arbeitsweisen an die Regulatorik angepasst werden. 
 
Mit reinem Blick auf die DAX-40 Aufsichtsräte ist auffällig, dass 37 Konzerne im Kompetenzprofil des Aufsichtsrats „Nachhaltigkeit“ als Kompetenz aufgenommen haben und sich auch dementsprechende Expertise zuweisen. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass es sich bei der „Expertise“ um eine reine Selbsteinschätzung handelt, die keinerlei allgemeingültigen Regelung bzw. Richtigkeit unterliegt. Dezidierte Ausschüsse für Nachhaltigkeit haben von den 37 Konzernen tatsächlich nur 19. Viele davon wurden auch erst jüngst in den vergangenen zwei Jahren gegründet. Fokusthemen der Arbeit dieser sind, nicht weiter über­raschend, die Überwachung, Beratung und Beurteilung der Zielerreichung der vom Vorstand gesetzten Nachhaltigkeitsziele, sowie Besprechungen hinsichtlich der Nachhaltigkeitsstrategie. 

Das nicht Vorhandensein eines Nachhaltigkeitsausschusses bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die anderen Unternehmen dem Thema nicht ausreichend Beachtung schenken, sondern lediglich, dass die Thematik unterschiedlich behandelt wird. ESG-Themen finden sich in der gesamten Breite einer Organisation und müssen nicht unbedingt explizit in einem Ausschuss behandelt werden. 

Nachdem auch die CSRD eigenen Standards zur Umsetzung der Richtlinie (ESRS) als Offenlegung u.a.​ verlangen, wie das Fachwissen und die Fähigkeit der Aufsichtsorgane hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten bzw. der Zugang zu den benötigten Fachkenntnissen und Fähigkeiten sind, unterstreicht das die Notwendigkeit der Fortbildungen zu dem Thema. Bezüglich der Aufgaben und Zuständigkeiten müssen in den jährlichen Nachhaltigkeitsberichten künftig Angaben dazu zu finden sein, wie die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichts​­organe die Festlegung von Zielen in Bezug auf wesentliche Themen und die Fortschritte der Zielerrei­chung überwachen. Auch inwiefern nachhaltigkeitsbezogene Leistungen in die variablen Vergütungs­kompo­nenten einfließen, muss offengelegt werden.

Neben den genannten Offenlegungsanforderungen beinhalten die ESRS, respektive die CSRD, noch weitere verpflichtende Angaben. Im Rahmen der wenigen Beispiele wurde dennoch ersichtlich, inwieweit sich der Anforderungsrahmen der Aufsichtsorgane um Nachhaltigkeitsthemen erweitern wird. 

Weiterbildung im Bereich Nachhaltigkeit – was fordert der Standard? 

Hört man das Wort „Nachhaltigkeit“ denken viele Menschen oft „nur“ an Umwelt- und Klimathemen. Dabei umfasst der Begriff viel mehr und deckt viele Fachbereiche ab. Das erschwert es, den vom DCGK geforderten Sachverstand über Nachhaltigkeit greifbar und allgemeingültig zu machen. Zwar existieren von einigen Anbietern bereits Qualifizierungslehrgänge zum Nachhaltigkeitsmanager, auf eine Stufe mit anderen anerkann­ten Berufsexamina lassen sich diese jedoch nicht heben. 

Für die erforderliche Expertise müssen Aufsichtsratsmitglieder regelmäßig Fort- und Weiterbildungs­maß­nahmen durchlaufen, in denen das Wissen aufgefrischt und an aktuelle Entwicklungen angepasst wird. Nach Grundsatz 19 und Empfehlung D.11 des DCGK hat und soll die Organisation ihre Gremienmitgliedern dabei unterstützen. Wann schlussendlich das nötige ESG-Wissen vorliegt und das Aufsichtsratsmitglied Expertise zu den „für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen“ (vgl. Empfehlung C.1, Satz 3, DCGK) besitzt, ist Auslegungssache.  

Fazit

Die aktienrechtliche Neufassung des § 87 I 2 AktG wird letztlich den deutschen Vorständen und Aufsichtsräten den letzten Ruck geben, Nachhaltigkeit als ernstzunehmendes Thema auf die Tische zu bringen. Demnach muss die Vergütungsstruktur der Vorstände börsennotierter Unternehmen auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft ausgelegt sein. ESG-Ziele werden künftig ergo als variabler Vergütungs­bestand­teil dem Thema weitere Relevanz attestieren. 
 
Mit Blick in die Zukunft werden die neuen Aufgaben und Anforderungen an die Aufsichtsräte zu einem Para­digmenwechsel der Mandatsträger führen und einen kontinuierlichen Wandel zur Einstellung und Wahr­nehmung der Nachhaltigkeit herbeiführen. Es ist und wird für die Organisationen herausfordernd sein, den neuen Pflichten nachzukommen. Spannend bleibt zu beobachten, welche Unternehmen sich wie schnell und fundiert positionieren und die Regulatorik nicht als zusätzliche Aufgabe, sondern als Chance im Wettbewerb zu dominieren, sehen. 

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Anna Wilhelm

Consultant, Sustainability Auditor IDW

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