Geschlossene Netze in Italien

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Mit dem Beschluss 578/2013 hat die italienische Aufsichtsbehörde für Elektrizität und Gas nach fünf Jahren endlich die Rahmenbedingungen für geschlossene Netze geschaffen und konkretisiert; dabei wurden auch die Voraussetzungen für die Qualifizierung als geschlossenes Netz näher definiert. Geschlossene Netze können danach ohne Zahlung unterschiedlichster Gebühren und Steuern, insbesondere für die Netznutzung, unterhalten werden. Zudem ist eine Kombination mit zusätzlichen Förderungen möglich. Die Qualifizierung als geschlossenes Netz kann relativ unkompliziert beantragt werden. Die Vertragsbeziehungen zwischen den einzelnen Beteiligten sind sauber zu trennen und zu definieren.
 

Beschluss 578 vom 12. Dezember 2013

Die italienische Aufsichtsbehörde für Elektrizität und Gas (AEEG) hat den lange erwarteten Beschluss zum Thema geschlossene Netze (Sistemi Efficienti di Utenza, SEU) veröffentlicht. Mit dem Beschluss 578 vom 12. Dezember 2013 wurden nunmehr die Rahmenbedingungen dieser speziellen Form der Einspeisung elektrischer Energie geregelt. Eingeführt wurden die geschlossenen Netze im Jahre 2008 als geschlossene elektrische Netze, die eine EE-Anlage mit einem Verbraucher verbindet, ohne dass die erzeugte Energie ins Verteilernetz eingespeist wird. Die wirtschaftlichen Vorteile liegen dabei auf der Hand, sofern diese Netze von Belastungen, Gebühren und Steuern befreit werden, die Netzbetreibern üblicherweise auferlegt sind und die mittlerweile ca. 50 Prozent der Stromrechnung ausmachen. Es wäre somit möglich, dem Kunden den Strom deutlich günstiger als zum Marktpreis anzubieten.
 

Jahrelange Verzögerungen

Allerdings fehlte seit der Einführung bis zum nun ergangenen Beschluss der feste rechtliche Rahmen, um diese geschlossenen Netze tatsächlich zu betreiben. Neben den Mühlen der Gesetzgebung bzw. Verwaltung, die in Italien bekanntlich langsam mahlen, bremsten einerseits handfeste wirtschaftliche Interessen der Stromerzeuger aus fossilen Energien die weitere Entwicklung; andererseits bestanden Befürchtungen der Institutionen AEEG und des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung über eine ungleiche Verteilung der Netz- und Systemkosten.
 
Entsprechend überraschend kam daher nun der Beschluss, der  
  • auch entgegen den letzten veröffentlichten Arbeitsentwürfen
  • die geschlossenen Netze zu einer sehr lukrativen Erzeugungsform macht.
 
Auf Grundlage der Neuregelung gilt nunmehr für die SEU, dass sowohl die Kosten für Übertragung und Verteilung als auch die Systemkosten sowie Zusatzbeiträge, die für den Rückbau von Atomkraftwerken erhoben werden, ausschließlich auf Strom angewandt werden, der durch das öffentliche Stromnetz geleitet wird. Die SEU sind daher von diesen Abgaben befreit.
 

Voraussetzungen der SEU

Es lohnt sich mithin, die Voraussetzungen der SEU genauer zu untersuchen. Definiert wurden die SEU bereits in einer Bestimmung des Jahres 2008 (Gesetzesdekret 115/08). Danach handelt es sich bei SEU um Netze ohne Verpflichtung zum Anschluss an das Netz Dritter (Privatnetze), innerhalb derer eine EE- oder eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlage von maximal 20 MWe vorhanden ist. Diese Anlage ist direkt mit einem Endabnehmer verbunden. Weiterhin ist erforderlich, dass sich die Anlage auf einem Grundstück des Endabnehmers befindet.
 
Klargestellt ist mit dem Beschluss nunmehr auch, dass  
  • innerhalb eines SEU (auch physisch) mehrere Anlagen betrieben werden können, sofern der Betreiber jeweils identisch ist und das Grundstück dem Erzeuger vom Endabnehmer zur Verfügung gestellt wird,
  • die Anlage eine Verbrauchseinheit bedienen können darf. Eine Verbrauchseinheit fällt normalerweise mit einer Immobilie zusammen, kann aber auch mehrere Immobilien umfassen, sofern sie auf aneinander angrenzenden Parzellen liegen, einem Endkunden gehören und zu einem einheitlichen Produktionszweck verwendet werden.
 

Vertragliche Aspekte

Weitere Regelungen im Rahmen des Beschlusses betreffen die vertraglichen Beziehungen zwischen Erzeuger, Endabnehmer und Netzbetreibern. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass ein SEU in der Regel mittels eines einzelnen Netzanschlusspunktes auch an das Verteilernetz angeschlossen ist, um einen Austausch mit dem nationalen Netz zu ermöglichen. Über diesen Netzanschlusspunkt erfolgt daher gleichzeitig die Abnahme durch den Endkunden und die Einspeisung durch den Erzeuger.
 
Diese Gestaltung setzt den Abschluss von Verträgen über die Übertragung, Verteilung und Inanspruchnahme des Netzes sowohl mit TERNA S. p. A. als auch mit dem lokalen Netzbetreiber voraus. Der Beschluss 578/2013 gibt für den Fall, dass Erzeuger und Endabnehmer nicht identisch sind, folgende drei Möglichkeiten vor:  
  • Die Verträge über die Einspeisung werden vom Erzeuger, die über die Abnahme werden vom Endkunden unterzeichnet und ausgeführt;
  • einer der beiden ist sowohl für die Einspeisung als auch für die Abnahme verantwortlich, der Verantwortliche erhält vom anderen die entsprechende Vollmacht;
  • ein Dritter ist für Einspeisung und Abnahme verantwortlich und erhält von Erzeuger und vom Endabnehmer die jeweilige Vollmacht.
 
Die Ausgestaltung zieht dann entsprechende Konsequenzen hinsichtlich der Verantwortlichkeit auch für die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben nach sich. Unterzeichnet der Erzeuger oder ein Dritter den Vertrag, so nimmt dieser gegenüber dem Endabnehmer die Funktion des Verkäufers ein und muss mithin die auf Stromverkäufer anwendbaren, insbesondere technischen Voraussetzungen erfüllen.
 
Der Endabnehmer hingegen genießt den in Italien für Privatpersonen oder kleinere Unternehmen üblichen größeren Schutz dabei nur, wenn er selbst die Verträge hinsichtlich Übertragung, Verteilung und Inanspruchnahme unterzeichnet.
 

Säumnis des Endabnehmers

Die gemeinsame Nutzung eines Einspeisepunktes sowohl für die Abnahme als auch für die Einspeisung in das öffentliche Netz kann für den Erzeuger ein Problem darstellen, sofern der Endabnehmer gegenüber dem Dritten (Energielieferanten) säumig ist. In diesem Fall kann es passieren, dass die Leistung des Anschlusses gedrosselt oder komplett abgeschaltet wird, was in der Folge auch die Einspeisung erschwert  zw. unmöglich macht. Übergangsweise besteht allerdings die Möglichkeit, einen sogenannten Notanschluss zu erstellen, um diese Folgen gering zu halten bzw. ganz zu vermeiden.
 

Vereinbarkeit mit Fördersystemen

Einer der meist diskutierten Punkte im Rahmen der Vorarbeiten zum Beschluss war die Vereinbarkeit von SEU mit den bestehenden Fördermöglichkeiten: Eigenverbrauch (scambio sul posto), Fördertarife und geregelter Stromverkauf (ritiro dedicato). Dabei stellte sich insbesondere die Frage, ob und wie die Möglichkeiten und Vorteile des Eigenverbrauchs (Kostenersparnis) mit den SEU verbunden werden können. Der Beschluss hat nun die Möglichkeit des Eigenverbrauchs bei SEU bestätigt und enthält entsprechend angepasste Regelungen. Der Eigenverbrauch wird nur vergütet, wenn sich die Anlage im Eigentum des Berechtigten befindet oder dieser vom Erzeuger Vollmacht erhalten hat. Auch einer Vereinbarkeit mit den übrigen Fördermöglichkeiten steht der Beschluss grundsätzlich nicht im Wege.
 

Qualifizierung als SEU

Eine Qualifizierung als SEU kann sowohl für noch nicht in Betrieb befindliche Anlagen erfolgen (binnen 60 Tagen ab Inbetriebnahme auf Antrag von Erzeuger und Endabnehmer) als auch für Anlagen in Betrieb (wobei für diese der Anschluss anzupassen ist). Bei Eigenverbrauchsanlagen erfolgt eine automatische Neuqualifizierung durch den Stromdienstleistungsbetreiber GSE.
 

Ergebnis

Mithin entsteht infolge der Kombinierbarkeit von SEU und Eigenverbrauch eine interessante Investitionsmöglichkeit in Erneuerbare Energien.

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