Was kommt mit der Strompreisbremse?

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veröffentlicht am 15. Dezember 2022

 

Der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen vom 29. November 2022 (BT-Drs. 20/4685) steht am 15. Dezember 2022 zur Abstimmung im Bundestag und soll am Tag darauf vom Bundesrat verabschiedet werden. Der Gesetzentwurf enthält als Kernstück das Strompreisbremsegesetz (StromPBG). Daneben sieht es unter anderem auch Änderungen in den Grundversorgungsverordnungen (StromGVV/GasGVV) sowie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) vor. Mit dem Strompreisbremsegesetz kommen neue und weitreichende Regelungen auf die Energiewirtschaft, Energieversorger und stromkostenintensive Unternehmen zu.


Parallel zur Einführung einer Strompreisbremse liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz - EWPBG) vom 29. November 2022 (BT-Drs. 20/4683) zur Abstimmung vor, um die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen angesichts der hohen Strom- und Gaspreise zu entlasten.


Was bisher bekannt ist


Die Strompreisbremse soll bereits ab dem 01. Januar 2023 für alle berechtigten Letztverbraucher greifen. Um eine kurzfristige Umsetzung zu ermöglichen, sieht § 49 StromPBG-E vor, dass die Auszahlung der Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 erst im März 2023 erfolgen muss, um den Elektrizitätsversorgungsunternehmen ausreichend Zeit für die Implementierung der Strompreisbremse zu geben.


Die Entlastung soll bis zum 30. April 2024 gelten, für das Jahr 2023 durch Ausgestaltung im StromPBG und für das Jahr 2024 durch die das StromPBG ergänzenden Verordnungen. Eine Verlängerungsoption über den 30. April 2024 hinaus soll bis Ende des Jahres 2023 geprüft werden.


Eine Differenzierung hinsichtlich der Höhe und des Umfangs der Entlastung erfolgt primär nicht zwischen Kunden mit Standardlastprofil (SLP) und Kunden mit registrierender Leistungsmessung (RLM). Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist, ob ein jährlicher Verbrauch von bis zu 30.000 kWh oder über 30.000 kWh vorliegt:

  • Für Netzentnahmestellen mit bis zu 30.000 kWh historischem Jahresverbrauch, insbesondere Haushalte und kleine Unternehmen, erhalten ein auf 40 Cent/kWh (inklusive Netzentgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen) gedeckeltes Kontingent in Höhe von 80 % ihres historischen Netzbezuges.
  • Für Netzentnahmestellen mit mehr als 30.000 kWh historischem Jahresverbrauch, insbesondere mittlere und große Unternehmen, erhalten ein auf 13 Cent/kWh (zuzüglich Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen) gedeckeltes Kontingent in Höhe von 70 % ihres historischen Netzbezuges.

Dabei bestimmt sich die historische Netzentnahme im Falle von nach Standardlastprofil (SLP) abgerechneten Entnahmestellen durch Rückgriff auf die von den Verteilnetzbetreibern geführte Jahresverbrauchsprognose. Die historische Netzentnahme für Entnahmestellen, die nicht nach SLP abgerechnet werden, erfolgt dagegen durch Rückgriff auf die Messungen der Messstellenbetreiber für das Kalenderjahr 2021.


Weiterhin wird für Verbräuche oberhalb dieses Basiskontingents der vertraglich vereinbarte Strompreis fällig. Folglich sollen Haushalte und kleine Unternehmen bei gleichbleibendem Stromverbrauch für 80 % hiervon 40 ct/kWh und für 20 % den vertraglich vereinbarten Strompreis bezahlen. Mittlere und große Unternehmen bezahlen hingegen für 70% ihres bisherigen Verbrauchs 13 ct/kWh und für 30 % den vertraglich vereinbarten Strompreis, was sich faktisch in einer geringeren Abschlagszahlung niederschlagen dürfte.


Die Adressaten der Entlastung sind im Grundsatz alle Letztverbraucher, d.h. natürliche und juristische Personen, die an einer Netzentnahmestelle zum Zwecke des eigenen oder fremden Verbrauchs hinter dieser Netzentnahmestelle mit Strom beliefert werden oder den Strom, unter bestimmten Voraussetzungen, ohne Lieferung entnehmen. Letztverbraucher, die Unternehmen sind, dürfen die Entlastung für Netzentnahmestellen, die der Erzeugung, Umwandlung oder Verteilung von Energie dienen, nicht in Anspruch nehmen, wenn der Entlastungsbetrag insgesamt über 2 Mio. Euro liegt, oder wenn die Europäische Union gegen das Unternehmen Sanktionen verhängt hat, § 4 Absatz 5 StromPBG-E.


Weiterhin wird der Entlastungsbetrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt also herausstellen, dass der Letztverbraucher nicht anspruchsberechtigt war, kann der Entlastungsbetrag zurückgefordert werden.


Eine fehlende Anspruchsberechtigung kann sich für Unternehmen insbesondere bei Erreichen der beihilferechtlichen Höchstgrenzen des befristeten Krisenrahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine, den die Europäische Kommission am 28. Oktober 2022 beschlossen hat, ergeben. Besonders relevante Vorschriften im Zusammenhang mit den beihilferechtlichen Höchstgrenzen stellen die §§ 9 bis 11 StromPBG-E dar.


Neue Grenzen für Preisanpassungen


Um einem Missbrauch vorzubeugen, sind Grenzen bei Preisanpassungen und der Gewährung von Vergünstigungen, Bonuszahlungen oder Zugaben vorgesehen. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromPBG-E dürfen z.B. Vergünstigungen nur im Wert von 50 Euro pro Vertrag und Netzentnahmestelle gewährt werden.
Darüber hinaus sind Anpassungen des Grundpreises nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. So sind Änderungen des Grundpreises im Vergleich zum Niveau vom 30. September 2022 grundsätzlich ausgeschlossen, § 12 Absatz 2 StromPBG-E. Eine Änderung des Grundpreises soll aber zulässig sein, soweit sich im Grundpreis enthaltene Netzentgelte, Entgelte für den Messstellenbetrieb oder staatlich veranlasste Preisbestandteile geändert haben oder die Änderung des Grundpreises vor dem 25. November 2022 gegenüber den Letztverbrauchern angekündigt worden war.


Neue Vorgaben zur Rechnungsstellung und Informationspflichten


Zudem enthält der Gesetzentwurf auch neue Vorgaben zur Rechnungsstellung und Informationspflichten für Elektrizitätsversorgungsunternehmen.


Diese müssen die Höhe der dem Letztverbraucher gewährten Entlastungsbeträge und das gewährte Entlastungskontigent (absolut und als Prozentsatz in Relation zum zugrundeliegenden Referenzwert) in der Energierechnung ausweisen sowie den Letztverbraucher bis zum 15. Februar 2023 in Textform über die Höhe des im Abrechnungszeitraum gewährten Entlastungsbetrags informieren (vgl. § 12 Abs. 2 StromPBG-E).


Weiterhin sind Kunden allgemein über die Entlastung in auffindbarer und verständlicher Form auf der Internetseite des Elektrizitätsversorgungsunternehmens zu informieren (§ 31 Abs. 2 StromPBG-E).


Keine Informationspflichten und -fristen bei Preisanpassung


Die Informations- und Vorankündigungspflichten für Preisanpassungen, also die rechtzeitige Unterrichtung der betroffenen Kunden und der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht nach § 41 Abs. 5 EnWG und § 5 Abs. 2 und 3 StromGVV sollen während der Dauer der Strompreisbremse nicht anwendbar sein nach § 31 Absatz 4 StromPBG-E. Mit dieser Regelung soll eine unbürokratische Umsetzung ermöglicht werden, damit die Strompreisbremse unmittelbar und schnell beim Letztverbraucher ankommt.


Wie soll die Strombremse finanziert werden?


Der Erstattungsanspruch der Elektrizitätsversorgungsunternehmen für die den Letztverbrauchern gewährten Entlastungen ist in § 20 StromPBG-E als Zahlungsanspruch gegenüber dem jeweiligen regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber vorgesehen. Auf diesen Zahlungsanspruch besteht die Möglichkeit, monatlich Abschläge in angemessenem Umfang zu verlangen (§ 23 StromPBG-E).
Die Übertragungsnetzbetreiber, die gleichsam ihren Mehraufwand durch die Abwicklung bei den Verteilernetzbetreibern ausgleichen müssen, gleichen diese finanziellen Aufwendungen insgesamt untereinander aus und haben weiterhin einen Ausgleichsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland (§ 24 StromPBG-E). Zur Gegenfinanzierung enthält der Entwurf des StromPBG in Teil 3 Vorgaben zur Abschöpfung von Überschusserlösen.


Die Kosten der Strompreisbremse sollen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und eine Abschöpfung von Überschusserlösen (sogenannte Zufallsgewinne) bzw. über einen Wälzungsmechanismus finanziert werden. Mit der Abschöpfung von Zufallsgewinnen plant die Bundesregierung die Vorgaben aus der EU-Notfallverordnung Strom vom 6. Oktober 2022 Verordnung (EU) 2022/1854 umzusetzen. Die EU-VO normiert in Erwägung 11 die unionsweite Einführung einer Erlösobergrenze. Die Abschöpfung von Zufallsgewinnen soll dem Vernehmen nach ab dem 1. Dezember 2022 – ursprünglich war eine rückwirkende Abschöpfung ab dem 1. September 2022 geplant – und bis zum 30. Juni 2023 befristet erfolgen, kann aber durch Rechtsverordnung bis voraussichtlich April 2024 verlängert werden. Erfasst von der Abschöpfung ist die Stromerzeugung aus Braunkohle, Kernenergie, Abfall, Mineralöl und erneuerbaren Energien. Hingegen sind Speicher, Steinkohle, Erdgas, Biomethan und weitere Gase ausgenommen.


Die Überschusserlöse sollen grundsätzlich anhand der Preise am Spotmarkt bzw. der energieträgerspezifischen Monatsmarktwerte für Windenergie- und Solaranlagen berechnet werden. Dabei sollen Ergebnisse aus Absicherungsgeschäften (am Terminmarkt) sowie anlagenbezogenen Vermarktungen (insbesondere Power-Purchase-Agreements, PPAs) berücksichtigt werden können. Die Zufallsgewinne werden unter zugrundeliegender technologiespezifischer Erlösobergrenzen abgeschöpft, wobei Sicherheitszuschläge den Anlagenbetreiber vor unbilliger Härte schützen sollen. Die Erlösobergrenze ergibt sich rechnerisch aus der Summe der Referenzkosten, eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 3 ct/kWh sowie eines weiteren Zuschlags bei Wind- und Solarenergie in Höhe von 6 % des energieträgerspezifischen Monatsmarktwerts.


Von den berechneten Abschöpfungsbeträgen werden 90 % der Zufallsgewinne abgeschöpft, 10 % der Gewinne verbleiben beim Anlagenbetreiber, um genügend Anreize zur Stromerzeugung im Markt zu bieten.
Zudem sollen nur große Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 1 MW abgeschöpft werden, sodass Kleinanlagen im Grundsatz von einer Abschöpfung von Zufallsgewinnen ausgenommen sind.
Der erste Abrechnungszeitraum für eine Abschöpfung von Zufallsgewinnen ist vom 1. Dezember 2022 bis 31. März 2023 angedacht, § 14 Absatz 1 StromPBG-E. Der weitere Zeitraum für die Berechnung der Abschöpfung ist ab April 2023 jeweils das Quartal. Nach Ablauf eines Abschöpfungszeitraums ist der abzuschöpfende Betrag zu ermitteln und fristgerecht an den Übertragungsnetzbetreiber zu melden. Eine Überweisung des ermittelten Betrags hat ebenso fristgerecht an den jeweiligen Netzbetreiber zu erfolgen, an dessen Netz die Erzeugungsanlage angeschlossen ist. Aufgrund des ersten anstehenden Abschöpfungszeitraums besteht für Unternehmen unter Umständen nun auch eine Pflicht zur Rückstellungsbildung im Abschluss zum 31. Dezember 2022.


Letztlich sieht der Entwurf des StromPBG zahlreiche Prüfungsverpflichtungen der Unternehmen, Energieerzeuger, Energieversorger und der Netzbetreiber vor, für die ein externer Prüfer (beispielsweise eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) zu bestellen ist. Manche dieser Prüfungen sollen nach dem Gesetzentwurf bis zum 31. Juli 2023 abgeschlossen sein oder lassen einen hohen Prüfaufwand erwarten.


Die geplante Strompreisbremse soll Haushalte und Unternehmen mit hohen Strompreisen entlasten. Nach dem StromPBG-E ist die Strompreisbremse nur mit hohem bürokratischem Aufwand umsetzbar. Der Bundesrat stimmt voraussichtlich am 16. Dezember 2022 über das Strompreisbremsegesetz ab.

 

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Joachim Held

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