Die Gaspreisbremse kommt – Für Unternehmen besteht akuter Handlungsbedarf

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veröffentlicht am 15. Dezember 2022

 

Parallel zum Strompreisbremsegesetz (StromPBG), plant der Gesetzgeber eine Preisbremse für den Bezug leitungsgebundenen Erdgases und Wärme. Hierzu haben die Regierungsfraktionen den Entwurf des „Gesetzes zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Erdgas-Wärme-Preisgesetz – EWPBG) vom 29. November 2022 vorgelegt (BT-Drs. 20/4683).


Der Bundestag wird am Donnerstag, 15. Dezember 2022 über das geplante EWPBG und das Strom-PNG entscheiden. Die Abstimmung im Bundesrat ist für den 16. Dezember 2022 geplant. Ausstehend ist, welche Bundesbehörde die Aufgaben der Prüfbehörde nach dem EWPBG und dem StromPBG wahrnehmen wird. Die Prüfbehörde wird durch eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen zu erlassenden Rechtsverordnung bestimmt.


Wir geben vorab einen kurzen Überblick über die grundlegenden Regelungen für letztverbrauchende Unternehmen und Industrie über

  • die geplanten Entlastungen,
  • die Umsetzung der Entlastungen und
  • die verbundenen Pflichten der Letztverbraucher.

 

I. Kurzüberblick


Private Verbraucherinnen und Verbraucher, Wirtschaft und Industrie sollen im Jahr 2023 mit der Preisbremse für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme spürbar von den stark gestiegenen Energiekosten entlastet werden. Der Staat sichert den Letztverbrauchern ein bestimmtes Kontingent an leitungsgebundenem Erdgas bzw. Wärme zu einem festen Preis zu. Die Preisbremse wirkt vom 01. März 2023 bis zum 31. Dezember 2023 und kann bis zum 30. April 2024 verlängert werden. Zur Entlastung der Energieversorger wird die Preisbremse für Januar und Februar 2023 erst mit dem Abrechnungsmonat März 2023 – rückwirkend – berücksichtigt.


Das Gesetz ordnet Letztverbraucher in verschiedene Kategorien


„Kleine Verbraucher“:

  • Kleine und mittlere Unternehmen mit einem jährlichen Verbrauch von weniger als 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas- bzw. Wärme an ihrer Entnahmestelle,
  • Vermieter von Wohnraum und Wohnungseigentümergemeinschaften,
  • Einrichtungen, die soziale Leistungen im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs erbringen (z. B. Kindertagesstätten, Altenhilfe),
  • Einrichtungen, die der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation dienen oder Leistungserbringer der Eingliederungshilfe (z. B. Werkstätten für Menschen mit Behinderung),
  • Betreiber von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung.

Kleine Verbraucher“ erhalten für 80 Prozent ihres im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs einen festen Preis von 12 Cent/kWh – hierin enthalten sind sämtliche Preisbestandteile.

 

Industrielle Verbraucher:

  • Unternehmen, die im Wege einer registrierenden Leistungsmessung beliefert werden und deren Jahresverbrauch pro Entnahmestelle bei mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden liegt,
  • sowie Krankenhäuser.

Industrielle Verbraucher erhalten für 70 Prozent ihres historischen Erdgasverbrauchs von 2021 einen festen Preis von 7 Cent/kWh – vor Netzentgelten, Messstellenentgelten und staatlich veranlassten Preisbestandteilen einschließlich der Umsatzsteuer.


3. Verbraucher, die sich mit selbstbeschafften Erdgasmengen selbst versorgen,

  • erhalten die entsprechenden Entlastungen direkt von der Bundesrepublik Deutschland.

 

II. Entlastungsbetrag und Höchstgrenzen


Auf den ersten (und zweiten) Blick unübersichtlich anmutend, gestaltet der Gesetzgeber die Ermittlung des Entlastungsbetrags.


Unternehmen haben eine Vielzahl an Regelungen und Pflichten zu beachten. Das europäische Beihilferecht spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Entlastungen von Unternehmen stellen staatliche Beihilfen dar. Diese werden auf Grundlage der Mitteilung der Europäischen Kommission „Befristeter Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Unterstützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ gewährt.


Der Entlastungsbetrag für Unternehmen ergibt sich – grob skizziert – aus dem Produkt des sogenannten Differenzbetrags und dem Entlastungskontingent, gedeckelt durch die jeweils geltende Höchstgrenze.


Differenzbetrag: Differenz zwischen dem vereinbarten Arbeitspreis für die belieferte Entnahmestelle pro Monat und dem Referenzpreis (12 bzw. 7 Cent/kWh).


Entlastungskontingent: Der Entlastungsbetrag wird für ein bestimmtes Entlastungskontingent gewährt. Dieses beträgt – je nach Letztverbrauchergruppe – 80 bzw. 70 Prozent des historischen Verbrauchs des Jahres 2021.


Auffällig und fraglich ist, dass der Gesetzgeber auf den Verbrauch des coronabelasteten Jahres 2021 abstellt. Für Branchen, die in 2021 aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen ohne-hin weniger Gas und Wärme verbraucht haben als vor der Pandemie (z.B. stationärer Einzelhandel oder Hotels), kann diese Regelung verzerrend wirken.


Höchstgrenzen: Für Letztverbraucher, die ein Unternehmen sind, bestehen bestimmte Höchstgrenzen der Entlastungssumme, die nicht überschritten werden dürfen. Analog zur Strompreis-bremse unterscheidet der Gesetzgeber zwischen „absoluten Höchstgrenzen“, die an bestimmte Eigenschaften des Letztverbrauchers geknüpft sind und „relativen Höchstgrenzen“ als beihilferechtliches Korrektiv.


Ist das letztverbrauchende Unternehmen besonders betroffen von den hohen Energiepreisen, einer bestimmten Branche zugeordnet und energieintensiv, besteht die Möglichkeit die Entlastungssumme bis zur absoluten Höchstgrenze von 150 Mio. EUR, 50 Mio. EUR oder 100 Mio. EUR in Anspruch zu nehmen. Die absolute Entlastungssumme darf jedoch 80 Prozent, 65 Prozent oder 40 Prozent der nachgewiesenen krisenbedingten Mehrkosten nicht übersteigen.


An die Geltendmachung der vorgenannten Höchstgrenzen, sind bestimmte Nachweis- und Mitteilungs- sowie Testierpflichten gekoppelt.


Weitestgehend „voraussetzungslos“ haben letztverbrauchende Unternehmen die Möglichkeit 50 Prozent ihrer krisenbedingten Energiemehrkosten bis zur absoluten Höhe von 4 Mio. EUR oder bis zu 100 Prozent ihrer krisenbedingten Energiemehrkosten bis zur Höhe von 2 Mio. EUR als Entlastungssumme zu erhalten.


Verbundene Unternehmen: Die absoluten Höchstgrenzen gelten dabei konzernbezogen – für das letztverbrauchende Unternehmen inklusive sämtlicher verbundener Unternehmen. Der Begriff des verbundenen Unternehmens bestimmt sich dabei nach dem europäischen Beihilferecht.


Krisenbedingte Energiemehrkosten: Zentrale zu bestimmende Größe sind die sogenannten krisenbedingten Energiemehrkosten. Diese sind von dem Unternehmen vor Geltendmachung der Entlastungsbeträge und Bestimmung der – zunächst vorläufigen, mit Abschluss der Beihilfe tatsächlich angefallenen – Höchstgrenze zu ermitteln. Der Gesetzgeber gibt dem Unternehmen eine Berechnungsformel in Anlage 1 zum EWPBG an die Hand.


EBITDA: Neben den krisenbedingten Energiemehrkosten, hat das Unternehmen bei der Geltendmachung der Entlastungsbeträge ihr EBITDA zu beachten und nachzuweisen. EBITDA ist das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände ohne einmalige Wertminderungen.


Arbeitsplatzerhaltungspflicht: Für Unternehmen, die Arbeitnehmer beschäftigen, gilt die Pflicht zur Erhaltung der Arbeitsplätze bis 2025. Arbeitgeber können Entlastungen auf Grundlage des EWPBG und des StromPBG Entlastungen in Höhe von mehr als 2 Millionen EUR (nur) erhalten, wenn sie Regelungen zur Beschäftigungssicherung von 90 Prozent der Belegschaft für die Dauer bis mindestens zum 30. April 2025 nachweisen.


III. Pflichten der letztverbrauchenden Unternehmen


Letztverbraucher oder Kunden sowie die entsprechenden Lieferanten müssen einander die für die Abwicklung des Gesetzes erforderlichen Angaben zur Verfügung stellen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Abriss über die Mitteilungspflichten der letztverbrauchenden Unternehmen.


Selbsterklärung bezüglich der geltenden Höchstgrenzen: Sobald der Entlastungsbetrag eines Unternehmens (mitsamt der etwaig verbundenen Unternehmen) an sämtlichen Entnahmestellen 150 TEUR übersteigt, bestehen fristgebundene Mitteilungspflichten.


Bis zum 31. März 2023, ansonsten unverzüglich, bestehen Mitteilungspflichten gegenüber dem Lieferanten über die voraussichtlich anwendbaren Höchstgrenzen.


Unverzüglich nach dem 31. Dezember 2023 und spätestens zum 31. Dezember 2024, bestehen Mitteilungspflichten gegenüber dem Lieferanten über die tatsächlich anzuwendenden Höchstgrenzen.


Daneben bestehen weitere Mitteilungspflichten beispielsweise im Rahmen eines Lieferantenwechsels und gegenüber dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber.


Unternehmen, deren Entlastungsbetrag an sämtlichen Entnahmestellen 50 Millionen EUR übersteigt, müssen der zuständigen Prüfbehörde bis zum 31. Dezember 2024 zusätzlich einen Plan zur Verbesserung des Umweltschutzes oder der eigenen Versorgungssicherheit, vorlegen.


IV. Verfahren zur Feststellung der anzuwendenden Höchstgrenze


Die künftige Prüfbehörde ist zuständig zur Feststellung des Vorliegens der mit den Höchstgrenzen verbundenen Voraussetzungen. Hierunter fällt die besondere Betroffenheit von hohen Energie-preisen, die Energieintensität und die Zugehörigkeit des Letztverbrauchers zu einer der begünstigten Branchen. Letztendlich stellt die Prüfbehörde die tatsächlich anwendbaren Höchstgrenzen fest. Die Feststellung ist durch das letztverbrauchende Unternehmen jeweils zu beantragen und mit gesetzlich bestimmten Nachweis- und Testierpflichten verbunden.


V. Update: Begrenzung von Boni- und Dividendenauszahlung


Nach unserem aktuellen Informationsstand (13. Dezember 2022, 20 Uhr), plant der Gesetzgeber eine Begrenzung bzw. Untersagung von Boni- und Dividendenauszahlungen für Unternehmen, die besonders hohen Entlastungsbeträge nach dem EWPBG und dem StromPBG beziehen, aufzunehmen.
Soweit ein Unternehmen mehr als 25 Millionen EUR Entlastungsbeträge bezieht, sollen die bisher vereinbarten Boni und Dividenden nicht erhöht werden.


Soweit ein Unternehmen mehr als 50 Millionen EUR Entlastungsbeträge bezieht, soll die Auszahlung von Boni und Dividenden komplett ausgeschlossen sein.


Für den Fall des Verstoßes, ist davon auszugehen, dass entsprechende Rückforderungsregelungen und möglicherweise Bußgeldvorschriften ergänzt werden.

 

Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Gaspreisbremse kristallisiert sich Handlungsbedarf für die Unternehmen heraus. Nach Ermittlung der krisenbedingten Energiemehrkosten und etwaiger verbundener Unternehmen, räumt das Gesetz – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – Gestaltungsspielraum ein.


Die Geltendmachung der jeweiligen Höchstgrenzen ist jedoch mit fristgebundenen Nachweis- und Mitteilungspflichten verbunden.


Abzuwarten bleibt auch, ob der Gesetzgeber ein Korrektiv für den historischen Verbrauch des coronabelasteten Jahrs 2021 implementieren wird.


Wir unterstützen Sie umfassend bei Ihrem Beratungsbedarf im Zusammenhang mit der Gaspreisbremse. Insbesondere können wir Sie mit unserer interdisziplinären Expertise bei dem Verfahren zur Feststellung der Entlastungshöchstgrenze begleiten.​

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Siglinde Czok

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