Distressed M&A in Zeiten der Corona-Krise

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veröffentlicht am 23. September 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Der weltweite Ausbruch des Coronavirus stellt branchenübergreifend eine Vielzahl von Unternehmen vor enorme Herausforderungen und Probleme. Die Politik reagierte rasch mit verschiedenen Maßnahmen, um die Folgen einer drohenden globalen Wirt­schaftskrise abzumildern. So hat der Gesetzgeber am 27. März 2020 das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) erlassen. Dadurch wird die dreiwöchige Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO für Fälle, in denen die Zahlungsunfähigkeit auf den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise beruht, zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt.


Trotz aller staatlichen Maßnahmen und Hilfen ist damit zu rechnen, dass langfristig nicht alle Unternehmen die Krise überleben werden. Infolgedessen ist zu erwarten, dass es nach der Aussetzung der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht zu einem er­höhten Aufkommen von Insolvenzanträgen nach dem 30. September 2020 kommen wird.


Eine bevorstehende Insolvenzwelle im Herbst 2020 wird dazu führen, dass Distressed M&A-Transaktionen, also der Verkauf von wirtschaftlich notleitenden Unternehmen, in den nächsten Monaten an Bedeutung gewinnen werden. Gerade in Krisenzeiten ist das richtige Timing von entscheidender Bedeutung. Für Investoren ist u.U. genau jetzt der richtige Zeitpunkt, Chancen zu nutzen, den Markt zu analysieren und an das potenzielle Zielunternehmen heranzutreten. Für strategische Investoren und den gesunden Wettbewerber eröffnen sich attraktive Möglichkeiten zu vergleichsweise günstigen Konditionen, um bspw. neue Märkte zu erschließen oder anorganisches Wachstum im eigenen Marktumfeld zu erreichen.

Zum Einstieg in ein Krisenunternehmen bieten sich unterschiedliche Modelle an, die im Vorfeld zwingend in die Überlegungen miteinbezogen werden sollten, da je nach Wahl des Transaktionsmodells unterschiedliche Vorbereitungen getroffen werden müssen. Folgende Modelle bieten sich an:

  • Share Deal, auch bei einer Sanierung mit Bezahlung von Austrittsgeld durch den Verkäufer;
  • Kapitalerhöhung mit Beteiligung des neuen Investors;
  • Debt-to-equity/mezzanine Swap, auch durch Erwerb von Verbindlichkeiten bereits im Vorfeld;
  • Asset Deal vor der Insolvenz;
  • Übertragende Sanierung in der Insolvenz (mittels Transfergesellschaft);
  • Insolvenzplanverfahren ggfs. mit Anteilsübertragung und oder Debt-to-equity Swap.


Je nach Modell ergeben sich unterschiedliche Chancen und Risiken für den Käufer. Sie hängen weiterhin maßgeblich davon ab, ob der Erwerb vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Zielgesellschaft stattfindet.

Ein entscheidender Vorteil bei Erwerb vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist die exklusive Verhan­dlungsmöglichkeit mit den Geschäftsführern bzw. den Gesellschaftern/Inhabern. Auch die Entscheidungsge­walt über den Abschluss einer Transaktion liegt bei den Geschäftsführern bzw. bei den Gesellschaftern / Inhabern anstatt bei einem (vorläufigen) Insolvenzverwalter. Jedoch sollten auch mögliche Konsequenzen bei dem Kauf vor einem Insolvenzverfahren bedacht werden. Zu erwähnen sind an der Stelle v.a. Haftungsrisiken für Altverbindlichkeiten bei Unternehmensfortführung nach § 25 Abs. 1 HGB sowie die Haftung für Betriebs­steuern gemäß § 75 Abs. 1 AO. Dem Käufer ist zwingend zu empfehlen, die Haftung für Altverbindlichkeiten nach § 25 Abs. 2 HGB durch eine Eintragung einer Vereinbarung im Handelsregister auszuschließen. Bei der Haftung für Betriebssteuern handelt es sich um eine zwingende Haftungsnorm, die nicht von Seiten des Käufers ausgeschlossen werden kann.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bietet es sich für den Käufer an, die Vermögenswerte des insolventen Unternehmens bei einem Asset Deal zu erwerben. Ein Vorteil ist somit, dass die risikobehaftete Passivseite der Bilanz in dem insolventen Unternehmen verbleibt. Auf den Erwerb von Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse finden zudem die oben genannten Haftungstatbestände aufgrund der Geschäfts- und Firmenfortführung sowie der Haftung für Steuerverbindlichkeiten keine Anwendung. Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sinkt jedoch die Chance auf ein attraktives „Schnäppchen”, denn im Regelfall wird der Insolvenzverwalter mit einer Vielzahl von Kaufinteressenten verhandeln, um die bestmöglichen Konditionen für Gläubiger und auch Arbeitnehmer zu erzielen.


Ergänzend ist stets zu bedenken, dass bestehende Verträge zwischen dem schuldnerischen Unternehmen und deren Vertragspartnern nicht automatisch auf den Erwerber übergehen. U.U. kann das für den Erwerber den positiven Effekt haben, dass nicht benötigte Verträge beim Rechtsträger verbleiben. Das kann jedoch auch nachteilig für den Erwerber sein, da er wichtige und notwendige Verträge neu abschließen muss. Es muss individuell mit jedem Vertragspartner neu verhandelt werden und u.U. auch verschlechterte Konditionen akzeptiert werden, um eine Vertragsfortführung zu gewährleisten.


Fazit

Der Erwerb von Unternehmen bei Distressed M&A-Transaktionen in Zeiten der Corona-Krise stellt eine Sonder­situation dar. Jedoch ergeben sich daraus auch Chancen und Risiken. Im Ergebnis ist jeder Einzelfall genau abzuwägen, wann der richtige Zeitpunkt für den Erwerb ist.

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