Neues Unternehmensstrafrecht in Polen: Compliance als Pflicht?

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veröffentlicht am 22. November 2018


Das geplante polnische Unternehmensstrafrecht wird die Haftung von Unternehmen für begangene Straftaten deutlich verschärfen. Die strafrechtliche Haftung von Gesellschaften in Polen wird deshalb zunehmender für die Praxis relevant. Wer als Unternehmen das Risiko der strafrechtlichen Haftung minimieren will, dem hilft nur die Einführung eines effektiven Compliance-Systems.

   

Gesetzgeberische Arbeiten am neuen Unternehmensstrafrecht in Polen

Für den Bereich des Unternehmensstrafrechts hat das polnische Justizministerium vor kurzem einen Gesetzes­entwurf präsentiert, der die Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und die Praxis in Bezug darauf grundlegend verändern wird. Es handelt sich um den Entwurf des Gesetzes über die Haftung von Verbänden für Straftaten (Polnisch: ustawa o odpowiedzialności podmiotów zbiorowych za czyny zabronione pod groźbą kary – in der neusten Fassung (polnisch) online abrufbar).

 

Das Ziel des Entwurfs ist die Einführung eines effektiven Mechanismus zur Bestrafung von Körperschaften und Personenvereinigungen, insbesondere zum Zwecke der Bekämpfung von gewichtigen Wirtschafts- und Steuerstraftaten.


Die legislativen Arbeiten an dem Entwurf sind in vollem Gange und es ist derzeit noch nicht absehbar, in welcher Form das Gesetz final verabschiedet werden wird.


In diesem Beitrag berichten wir über den aktuellen Stand der Gesetzgebungsarbeiten und hinterfragen, welche Folgen das Gesetz für unsere Mandanten in Polen haben wird.

 

Wie sieht es jetzt aus?

Um das darzustellen, werden exemplarisch Korruptions- oder Bestechungsvorwürfe gegen einen leitenden Ex Sales Manager eines Unternehmens und die getätigten Korruptionszahlungen, die dem Unternehmen einige Aufträge (also Vorteile) verschafft haben, genannt.

 

Bisher war die strafrechtliche Haftung von Gesellschaften für durch Angestellte, Vertretungsberechtigte etc. begangene Straftaten eher Theorie als Praxis. Das lag an der rechtlichen Konstruktion der Haftung, die u.a. verlangte, dass zuvor ein Einzeltäter (eine natürliche Person) identifiziert und verurteilt worden sein musste. Die vorherige Verurteilung einer konkreten Person als Täter war eines der wichtigsten Hindernisse mit Blick auf die Verantwortlichkeit von Körperschaften in Polen. Das hatte zur Folge, dass die Anwendung von Sanktionen zu Lasten von Körperschaften für Rechtsverletzungen in Polen nicht effektiv funktionierte.


Eine gesetzgeberische Änderung in Bezug darauf war somit seit langem absehbar, da die bestehende Situation in Polen auch mehrfach seitens der OECD-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung als kritisch beurteilt worden war.

 

Bislang mussten Unternehmen und ihre oftmals unwissenden Geschäftsführer und Vorstände in Polen keine Angst – zumindest nicht vor strafrechtlicher Verfolgung – haben, wobei solche Vorwürfe allerdings nicht selten einen plötzlichen Imageschaden und folglich den Verlust von Kunden und Geschäftspartner bedeuteten. In dem Zusammenhang wurden Fälle bekannt, in denen Korruptions- oder Bestechungsvor­würfe selbst erfolgreiche Unternehmen von heute auf morgen in den Bankrott getrieben haben, da etwa der wichtigste Abnehmer – nachdem das illegale Prozedere bekannt geworden war – sämtliche Aufträge gekündigt hatte.

 

Was genau wird sich ändern?

In Kürze wird sich die Lage in Polen sehr wahrscheinlich grundlegend wandeln.
  • Zum einen wird vom Erfordernis der vorherigen Verurteilung eines Einzeltäters als Voraussetzung für die Haftung eines Unternehmens Abstand genommen werden. Die Haftung eines Unternehmens wird damit von der Haftung eines Einzeltäters unabhängig sein.
  • Ein Unternehmen wird für jede Straftat bzw. Steuerstraftat oder Rechtsverletzung haftbar gemacht werden können (und nicht nur mit Blick auf explizit im Gesetz genannte Straftatbestände).
  • Auch ausländische Unternehmen werden haftbar gemacht werden können, wenn die Straftat in Polen begangen wurde oder die Straftat in Polen Folgen entfaltete bzw. die Straftat gegen die Interessen polnischer Rechtsträger oder Bürger gerichtet war.
  • Es werden Bußgelder in Höhe von bis zu 30 Mio. PLN (ca. 7 Mio. Euro) auferlegt werden können. In Betracht kommen aber auch ein Verbot der Teilnahme an Vergabeverfahren, der Ausschluss von öffentlicher Beihilfe bzw. die Rückgabe von bereits erhaltenen Subventionen oder sogar die Schließung einer Niederlassung als weitere Strafmaßnahmen.
  • Laut dem Gesetzesentwurf muss auch der Schutz von Hinweisgebern und Informanten (sog. Whistle­blowern) vor repressiven Maßnahmen oder Diskriminierungen verstärkt werden. Unternehmen werden dazu verpflichtet sein, interne Ermittlungen über gemeldete Verstöße und Unregelmäßigkeiten anzustellen. Ein Unterlassen solcher Ermittlungen wird zur Folge haben, dass Bußgelder bis zu 60 Mio. PLN auferlegt werden können.
  • Es wird zudem erforderlich sein, Geschäftspartner sorgfältiger zu überprüfen und nach deren eigenen Compliance-Systemen zu befragen. Das wird deshalb notwendig sein, da nach dem neulich präsentierten Entwurf ein Unternehmen für Rechtsverletzungen seiner Subunternehmer und anderer Unternehmer – soweit eine Straftat im Zusammenhang mit der Ausführung eines Vertrags begangen wurde – sowie ferner auch seine Mitarbeiter betreffend, haftbar gemacht werden kann, wenn ein Kontrahent nicht mit gebührender Sorgfalt überprüft wurde.
  • Auch bei Unternehmenskäufen wird das Gesetz Relevanz haben. Denn der Erwerber wird gesamt­schuldner­isch mit dem Unternehmer für eine vor dem Erwerb begangene Straftat haften müssen, wenn der Erwerb unentgeltlich war oder der Kaufpreis zum Marktwert des Unternehmens in grobem Missverhältnis steht.

 

Wie kann ich für mein Unternehmen das Risiko der Haftung minimieren?

Das neue Unternehmensstrafrecht wird für die Geschäftsleitung eines Unternehmens die Pflicht bedeuten, ein effektives Compliance-System einzurichten, das dafür sorgt, dass im Unternehmen keine Rechtsverletzungen begangen werden.


Es ist noch nicht absehbar, ob die gezielten Compliance-Maßnahmen automatisch von der Haftung befreien oder sie lediglich das Risiko der Haftung sehr deutlich mindern. Das neue Gesetz wird jedoch definitiv dazu führen, dass die Einführung eines funktionierenden Compliance-Systems, das bisher gute Praxis war, fortan zur Rechtspflicht erhoben wird.


Denn nach dem neuen Gesetzesentwurf werden Unternehmen dann haftbar gemacht werden, wenn eine Straftat infolge mangelnder Sorgfalt bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung von im Namen des Unter­nehmens handelnden Personen begangen wird oder in der Organisation Unregelmäßigkeiten bestehen, die das Begehen einer Rechtsverletzung erleichtert oder ermöglicht haben. Der Verzicht auf ein derartiges Compliance-System oder sogar die Einrichtung eines nicht funktionierenden Compliance-Systems bzw. unzureichende Überwachung, ob das einmal eingeführte System tatsächlich wirkt, würde die Nichtbe­achtung der gebührenden Sorgfalt bedeuten. Die Nichterfüllung dieser Sorgfaltspflicht, z.B. in Form fehlender innerbetrieblicher Regelungen, fehlender Kompetenz- bzw. Zuständigkeitsverteilung oder fehlender Benennung eines Haupt­verant­wortlichen (etwa eines Compliance Officer), wird dann, wenn es zu einer Straftat kommt, strafrechtlich zu akuten Bußgeldstrafen oder der Anwendung sonstiger Maßnahmen führen können.

 

Fazit

Spätestens mit dem neuen Unternehmensstrafrecht muss sich jedes Unternehmen und Management in Polen ernsthaft mit der Einrichtung eines funktionsfähigen Compliance Management-Systems befassen. Zuständig für die Schaffung eines effektiven Compliance-Systems und dessen ständige Überwachung ist die Geschäftsleitung eines Unternehmens. Die geplanten Regelungen werden für die Unternehmen und das Management die Notwendigkeit der Durchführung einer Risikoanalyse und eines Unternehmensaudits mit sich bringen sowie die Einführung von internen Antikorruptionsregelungen, eines ethischen Kodex sowie eines Systemschutzes mit Blick auf sog. Whistleblower bedeuten.

Kontakt

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Dr. iur. Monika Behrens

Attorney at Law (Polen)

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