Das Oberste Verwaltungsgericht gegen Scheinselbständigkeit: Wie können Strafen vermieden werden?

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​​​​​​​Das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik bestätigte eine Strafe in Höhe von 445 000 CZK, die die Arbeitsaufsichtsbehörden wegen einer Scheinselbständigkeit von zwei Arbeitnehmern verhängt hatten. Wir meinen: Prävention ist immer vorteilhafter als eine Geldstrafe und ein etwaiges Gerichtsverfahren.


Jakub Šotník, Rödl & Partner Prag 

Eine illegale Beschäftigung in Form der in Tschechien als „Schwarzsystem“ bezeichneten Scheinselbständigkeit ist ein immer häufigerer Grund für hohe Geldstrafen und für Gerichtsverfahren. Das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik befasste sich unlängst mit einem Fall, in dem das regionale sog. Arbeitsinspektorat gegenüber einem Unternehmen eine Strafe in Höhe von 445 000 CZK für eine illegale Ausübung einer abhängigen Arbeit von zwei Personen außerhalb eines klassischen Arbeitsverhältnisses verhängte. Dieses Urteil des Obersten Verwaltungsgerichtes zeigt, dass die formale vertragliche Regelung nicht maßgebend ist – wenn die Arbeitsleistung Merkmale einer abhängigen Arbeit aufweist, darf diese nicht als eine handelsrechtliche Zusammenarbeit mit einem (formal) Selbständigen getarnt werden.

Wann ist ein Selbständiger in Wirklichkeit Arbeitnehmer?

Eine im Bereich Industrietechnologien aktive Unternehmerin stellte zwei Personen ein, die organisatorische und dispositive Tätigkeiten im Bereich Transport und Verkehr ausführten. Es handelte sich um Herrn Ž., der als Leiter der Transport- und Verwaltungsabteilung wirkte, und Frau K., die als Dispatcherin für Transporte arbeitete. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, den reibungslosen Ablauf der Transporte des Unternehmens zu gewährleisten, Lieferungen zu koordinieren und die Transportabläufe zu organisieren. Obwohl es sich formal um ein handelsrechtliches, also geschäftliches Verhältnis handelte, arbeiteten beide faktisch wie Arbeitnehmer – ihnen wurden regelmäßig Aufgaben übertragen, sie befolgten Weisungen des Unternehmens und waren organisatorisch in das Unternehmen eingebunden.

In seiner Entscheidung unterstrich das Oberste Verwaltungsgericht mehrere grundlegende Elemente, die das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung belegen. Das erste und wichtigste Merkmal war die persönliche Abhängigkeit von dem Unternehmen - die einzige Einkommensquelle von Herrn Ž. während des relevanten Zeitraums war die genannte Tätigkeit, während bei Frau K. die Arbeit für das Unternehmen mehr als die Hälfte ihres Einkommens ausmachte, was einen Beweis für ihre wirtschaftliche Abhängigkeit darstellte. Ein weiterer wichtiger Faktor war der Arbeitsort: beide Personen arbeiteten direkt an einem Arbeitsplatz der Gesellschaft und nutzten deren Büroräume, technische Ausstattung und interne Systeme. Das Oberste Verwaltungsgericht berücksichtigte auch die Aussagen von Zeugen, die bestätigten, dass Herr Ž. als Vorgesetzter wahrgenommen wurde und er anderen Mitarbeitern Arbeitsanweisungen gab. Frau K. besaß sogar Visitenkarten und eine E-Mail-Adresse des Unternehmens, was klar auf ihre organisatorische Eingliederung in die Gesellschaft hindeutete.


Können bestimmte Faktoren auch irreführend sein?

Umgekehrt gab es auch einige Anzeichen, die auf selbständige Arbeit hingedeutet haben könnten. Zum Beispiel führten Herr Ž. und Frau K. keine Aufzeichnungen über ihre Arbeitszeiten und konnten kommen und gehen, wann sie wollten. Auch wurden sie formal nicht als Arbeitnehmer geführt, und anstelle eines klassischen Arbeitsverhältnisses verfügten sie über einen Dienstleistungsvertrag. Das Oberste Verwaltungsgericht wies jedoch darauf hin, dass diese Faktoren für sich genommen nicht entscheidend seien. Die Tatsache, dass die Arbeitnehmer ihre eigene Arbeitszeit nicht erfassten, reiche nicht aus, um die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung zu widerlegen. Entscheidend sei, dass es sich um eine auf Dauer angelegte, wirtschaftlich vom Unternehmen abhängige und in dessen Räumen ausgeübte Tätigkeit handelte.


Folgen des Urteils des Obersten Verwaltungsgerichtes

Das Oberste Verwaltungsgericht betonte in diesem Zusammenhang, dass ein Arbeitgeber Tätigkeiten in Verbindung mit dem Transport seiner Waren entweder durch eigene Arbeitnehmer ausführen oder durch ein Outsourcing an externe Auftragnehmer vergeben kann. Die entscheidende Frage im vorliegenden Fall war jedoch, ob die konkrete Tätigkeit beider Personen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung aufwies. Da Herr Ž. und Frau K. lange in die Unternehmensstruktur eingegliedert waren, sie ihre Tätigkeiten nach den Weisungen der Gesellschaft ausübten und wirtschaftlich von ihr abhängig waren, kam das Oberste Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass ihre Arbeit unter ein Outsourcing fiel, sondern ein verschleiertes Arbeitsverhältnis darstellte.

Wesentlich ist auch, dass das Oberste Verwaltungsgericht einräumte, dass die Merkmale einer abhängigen Tätigkeit, wie sie in der Steuerrechtsprechung ausgelegt werden, mit jenen identisch sind, die bei Kontrollen der Arbeitsaufsichtsbehörden beurteilt werden. Die Steuerbehörden und die Arbeitsaufsichtsbehörden legen bei der Prüfung des Verhältnisses zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmern somit dieselben Kriterien zugrunde - beispielsweise die wirtschaftliche Abhängigkeit, den Grad der Über- und Unterordnung oder die persönliche Eingliederung in die Struktur des Arbeitgebers. Das Oberste Verwaltungsgericht räumte ein, dass für die Auslegung des Begriffs der abhängigen Beschäftigung die Schlussfolgerungen der Rechtsprechung zum tschechischen Einkommensteuergesetz durchaus relevant sind, dass maßgeblich und entscheidend jedoch die Erfüllung der Merkmale der abhängigen Beschäftigung nach dem Arbeitsgesetzbuch der Tschechischen Republik ist.

Wie können Probleme vermieden werden?

Die Bedeutung der Prävention hat darüber hinaus durch eine Gesetzesnovelle zugenommen, die den Arbeitsaufsichtsbehörden mit Wirkung seit dem 1.1.2025 erweiterte Befugnisse einräumt und vor allem ihre Zusammenarbeit mit den Finanzämtern stärkt. Dies kann zu einer Zunahme von Kontrollen sowohl durch die Arbeitsaufsichtsbehörden als auch durch die Steuerverwaltung führen, was das Risiko von Sanktionen für Arbeitgeber erhöht.
 
Sie sind sich nicht sicher, ob die Arbeitsverhältnisse in Ihrem tschechischen Unternehmen den Regeln entsprechen? Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Überprüfung! Wenn Sie Zweifel an der ordnungsgemäßen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse in Ihrem Unternehmen haben, empfehlen wir Ihnen eine Konsultierung eines Arbeits- und Steuerrechtlers. Das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichtes zeigt, dass Prävention immer vorteilhafter ist als eine Geldstrafe und ein Gerichtsverfahren.​

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