Hin- und Her in der Kundenanlagen-Rechtsprechung: OLG Düsseldorf erweitert Gestaltungsmöglichkeiten für straßenübergreifende Kundenanlagen

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Nachdem die Gerichte bisher restriktiv geurteilt hatten, hat das OLG Düsseldorf in einer erst jetzt veröffentlichten weiteren Entscheidung eine Kundenanlage trotz Durchtrennung des Gebiets durch eine Erschließungsstraße anerkannt. Damit werden die Gestaltungsmöglichkeiten für Kundenanlagen wieder erweitert. Hieraus eröffnen sich neue Perspektiven für regenerative und hocheffiziente Mieterstrom- und Quartierskonzepte. Dennoch bleibt die Bestimmung der Kundenanlageneigenschaft ein komplexer juristischer Abwägungsvorgang, der jedem Mieterstrom- und Quartierskonzept als wirtschaftliche Grundlage zugrunde gelegt werden muss.

 

​Das OLG Düsseldorf hatte in dem Verfahren der Baustolz GmbH gegen die Netze BW GmbH über die Kundenanlageneigenschaft nach § 3 Nr. 24a EnWG zu entscheiden. Gegenstand des vorangegangenen Missbrauchsverfahrens waren 20 baugleiche Reihenhäuser einer Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Baustolz GmbH, die auf zwei durch eine Straße getrennte Häuserzeilen auf mehrere Flurstücke verteilt waren. Dabei handelte es sich um eine u-förmig mit einer weiteren Straße verbundene Straße von 6 m Breite. Für die Straße war eine Tempo-30-Zone ausgewiesen. An der Straße befanden sich außerdem Stellflächen zum Parken von PKW. Neben der Erschließung der Reihenhäuser diente die Straße auch der Erschließung weiterer Anliegergrundstücke und war in beide Richtungen befahrbar. Die Baustolz GmbH begehrte von der Netze BW GmbH den Anschluss der gesamten „Reihenhaussiedlung” als eine Kundenanlage an das Stromnetz der allgemeinen Versorgung.


Für eine Einstufung als Kundenanlage müssen sich Stromleitungsanlagen nach der gesetzlichen Definition des § 3 Nr. 24a EnWG auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden, mit dem Energieversorgungsnetz verbunden sein, wettbewerblich unbedeutend sein und jedermann diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.


Die Bundesnetzagentur hatte bereits im behördlichen Missbrauchsverfahren festgestellt, dass die Durchtrennung des Areals durch eine Erschließungsstraße dem Gebietscharakter und damit einer Einstufung als Kundenanlage nicht entgegenstehe. Dies hat das OLG Düsseldorf mit seinem aktuellen Beschluss vom 13. Juni 2018 (Az.: 3 Kart 77/17 (V)) unter weiterer Differenzierung bestätigt:


Zwar sei eine Straße regelmäßig als Hindernis einer räumlichen Zusammengehörigkeit zu bewerten. Denn die nach außen objektiv wahrnehmbare Einheitlichkeit eines Gebiets werde durch trennende Elemente, wie Straßen, Gleise, oder Brücken, regelmäßig gestört.


Handelt es sich dabei aber um eine sog. „Erschließungsstraße”, so habe diese ausnahmsweise keinen trennenden, sondern vielmehr verbindenden Charakter. Dabei sei die Einstufung als Erschließungsstraße nach einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtschau der Umstände, wie z.B. der Ausgestaltung der Verkehrsquerung, der Breite und Widmung der Straße sowie der Art und dem Ausmaß der Nutzung, vorzunehmen. Maßgeblich sei insbesondere, ob die Straße hauptsächlich der Erschließung des Gebietes diene. Objektiv zeige sich der verbindende Charakter der streitgegenständlichen Straße auch durch die Anordnung der zu den Reihenhäusern gehörenden privaten Parkplätze, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichtet waren. Die Anwohner der Reihenhäuser mussten daher regelmäßig über die Erschließungsstraße gehen, um zu ihren privaten Stellplätzen zu gelangen.


Das OLG Düsseldorf hat weiterhin festgestellt, dass auch eine architektonisch einheitliche Gestaltung von mehreren Miets-Wohnblöcken oder Reihenhäusern den Gebietscharakter begründen oder bestärken könne. Vorliegend habe insbesondere Stockwerkshöhe, einheitliche Flachdachgestaltung und der teilweise bunte Anstrich von Fenstern und Fassaden für ein räumlich zusammengehörendes Gebiet im Sinne des Energierechts gesprochen.


Dagegen hat das OLG Düsseldorf das Kriterium einer nach außen erkennbaren, übergreifenden gemeinsamen wirtschaftlichen oder sozialen Funktion ausdrücklich abgelehnt. Der Tatbestand der Kundenanlage mache im Unterschied zur betrieblichen Kundenanlage gerade keine Vorgaben für die Art der Nutzung des Gebiets oder einen konkreten Zweck der Anlage.


Der Kundenanlagenbegriff ist aktuell Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten, da er erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die  Höhe der Netzentgelte, netzentgeltabhängige Umlagen und die EEG- und KWKG-Förderung von PV- und KWK-Anlagen hat. Darüber hinaus ist die Auswirkung auf die Konzessionsabgabe umstritten. Die Einstufung von Stromleitungsanlagen als Kundenanlage bestimmt auch über die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen und Blockheizkraftwerken, die regelmäßig Bestandteil so genannter „Mieterstrom-” oder „Quartiersversorgungskonzepte” sind. Noch werden diese Konzepte häufig von Immobilienunternehmen und Energiedienstleistern umgesetzt, aber auch Stadtwerke sollten prüfen, wie sie  hier den  Einstieg oder Ausbau des neuen Geschäftsfelds weiter entwickeln können.


Nachdem das OLG Düsseldorf in der „GeWoBa-Entscheidung” und das OLG Frankfurt in der „Sahle Wohnen-Entscheidung” den Kundenanlagenbegriff abgelehnt hatten, hat das OLG Düsseldorf in der erst jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 13. Juni 2018 zugunsten der Baustolz GmbH die Einordnung einer flurstückübergreifenden Kundenanlage trotz Durchtrennung des Gebiets durch eine Erschließungsstraße anerkannt. Mit der Baustolz-Entscheidung ist dem OLG Düsseldorf ein maßvoller Ausgleich gelungen, der zum einen Geschäftsmodellen im Bereich der Mieterstrom- und Quartiersversorgung einen Gestaltungsfreiraum lässt, und zum anderen  die auf die Belieferung über das Netz der allgemeinen Versorgung  angewiesenen „Restkunden” vor allzu großen Steigerungen der Netzentgelte schützt.  Hieraus eröffnen sich auch neue Perspektiven für die Umsetzung regenerativer und hocheffizienter Mieterstrom- und Quartierskonzepte als neues Geschäftsmodell für Stadtwerke.


Gleichwohl handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Fall noch um eine relativ kleine Kundenanlage (20 Anschlussnehmer) mit viel Abstand zu den vom OLG Düsseldorf abgelehnten Größenverhältnissen der GeWoBa-Entscheidung (550 Anschlussnehmer). Insofern bleibt mit Spannung abzuwarten, wo die Bundesnetzagentur und die Gerichte in den weiteren anhängigen Verfahren die Grenzen ziehen werden und ob sich der Schwellenwert von 100 Anschlussnehmern, bei dessen Überschreiten die Einstufung als Kundenanlage nicht mehr ohne weiteres möglich sein soll, durchsetzen wird. Da in den Verfahren der Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft ist, könnte der Bundesgerichtshof grundsätzlich noch für Überraschungen sorgen. Vor diesem Hintergrund bleibt die Bestimmung der Kundenanlageneigenschaft ein komplexer juristischer Abwägungsvorgang, der jedem Mieterstrom- und Quartierskonzept als wirtschaftliche Grundlage in einer frühen Planungsphase zugrunde gelegt und je nach Fortgang der Rechtsprechung nachjustiert werden muss.

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Joachim Held

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