Weitere Konkretisierung: OLG Düsseldorf entscheidet zweifach zum Kundenanlagenbegriff

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Das OLG Düsseldorf hat in zwei Beschlüssen den Kundenanlagenbegriff weiter geschärft. Wie schon das OLG Frankfurt, hat nun auch das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 13. Juni 2018 (Az. VI-Kart 48/17 (V)) klargestellt, dass das Vorliegen eines regulierten Energieversorgungsnetzes die Regel und die Klassifizierung als Kundenanlage die Ausnahme bleiben müsse. Die Einstufung als Kundenanlage wurde mit Verweis auf die fehlende räumliche Zusammengehörigkeit und die fehlende Unbedeutendheit für den Wettbewerb abgelehnt.


In einem zweiten, noch unveröffentlichten Beschluss hat das OLG Düsseldorf dagegen festgestellt, dass Erschließungsstraßen dem Kriterium des räumlich zusammengehörenden Gebiets nicht entgegenstehen und die Einstufung der BNetzA als Kundenanlage bestätigt.

 

Ausgangssituation

Dem bereits veröffentlichten Beschluss vorausgegangen war ein Missbrauchsverfahren der GEWOBA Energie GmbH gegen die wesernetz Bremen GmbH bei der BNetzA.


Die GEWOBA Energie GmbH wollte an zwei Standorten zwei BHKW mit je 140 kW Leistung errichten, um so die dort vorhandenen bzw. noch neu zu errichtenden Häuser dezentral mit Strom und Wärme zu versorgen. Das Versorgungskonzept sah vor, den zur Belieferung benötigten Strom in den beiden BHKW zu erzeugen und den darüber hinaus erforderlichen Strom über den Mittelspannungsanschluss aus dem Elektrizitätsverteilernetz zu beziehen. Angeschlossene Letztverbraucher, die keinen Stromlieferungsvertrag mit der GEWOBA Energie GmbH schließen wollten, sollten wiederum ihren Stromlieferanten frei wählen können; die Versorgungsleitungen sollten dritten Stromlieferanten unentgeltlich zum Zwecke der Durchleitung zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt sollten mit den beiden BHKW je Standort 457 bzw. 515 Wohnungen versorgt werden. Beide Gebiete wurden durch öffentliche Straßen gequert.


Die wesernetz Bremen GmbH lehnte es jedoch ab, die durch die GEWOBA Energie GmbH beantragten Anschlüsse als Kundenanlagen einzustufen. Im durchgeführten Missbrauchsverfahren teilte die BNetzA die Einschätzung des Netzbetreibers, dass die Voraussetzungen der Kundenanlage hinsichtlich der beiden Standorte nicht vorliegen (vgl. Beschluss vom 7. April 2016, Az. BK6-15-166).


Entscheidungsgründe

Das OLG Düsseldorf hat die Argumentation der BNetzA nun bestätigt und die Beschwerde der GEWOBA Energie GmbH zurückgewiesen. Insbesondere setzt sich das Gericht auch ausführlich mit den europarechtlichen Vorgaben auseinander. Die Auslegung der Beschwerdeführerin, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Kundenanlage im Zweifel zugunsten einer Ausnahme von der Regulierung auszulegen wären, teilt das OLG Düsseldorf ausdrücklich nicht. Es stellt vielmehr klar, dass auch das Gemeinschaftsrecht im Grundsatz davon ausgeht, dass sämtliche Verteilernetze der Regulierung unterliegen. Teilausnahmen von der Regulierung habe der europäische Gesetzgeber für „geschlossene Verteilernetze” (vgl. nationale Umsetzung in § 110 EnWG) eingeführt, vollständige Ausnahmen für Kundenanlagen kenne das europäische Recht jedoch nicht. Das Ziel, durch den Elektrizitätsbinnenmarkt neue Geschäftschancen zu eröffnen sowie Effizienzgewinne zu bewirken, sei nicht nur durch weitgehende nationale Ausnahmen von der Regulierung zu erreichen. Vielmehr sei dieses Ziel gerade durch die Regulierung selbst zu erreichen. Es sei auch nicht auf die individuellen Kosten für einzelne Verbraucher abzustellen, die durch die Einstufung als Kundenanlage ggf. geringer sein können, sondern Kosten und Nutzen der Regulierung seien in einem volkswirtschaftlichen Kontext abzuwägen. Maßgeblich ist letztlich, ob sich die betreffende Infrastruktur im Hinblick auf ihre Ausdehnung, Ausgestaltung und ihr wirtschaftliches Gewicht von einem regulierungsbedürftigen Netz so deutlich unterscheidet und abhebt, dass sich die Anwendung der Regulierungsvorschriften als unverhältnismäßig darstellt.

 

Das Gericht bestätigt die Einschätzung der BNetzA, dass es am Merkmal der räumlichen Zusammengehörigkeit fehlt. Dieses setzt eine von außen wahrnehmbare und durch innere Verbundenheit geschaffene räumliche Gebietseinheit voraus, die nur dann vorliegt, wenn sie nicht durch störende Unterbrechungen, wie insbesondere Straßen, aufgehoben wird. Erforderlich ist, dass das Gebiet aus der Sicht eines objektiven Betrachters als einheitlich wahrgenommen wird. Die eines der Gebiete durchschneidende mehrspurige Straße mit begrüntem Mittelstreifen dient nach Auffassung des OLG Düsseldorf nicht in erster Linie der Erschließung des streitgegenständigen Gebiets, sondern der Erschließung des Stadtgebiets und ist daher im Hinblick auf die Zusammengehörigkeit nicht zu vernachlässigen.

 

Im Übrigen geht das OLG Düsseldorf bei beiden Standorten davon aus, dass die Anlage nicht unbedeutend für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs ist. Unter wertender Gesamtschau aller Kriterien, die Aufschlüsse über das wirtschaftliche Gewicht und damit der über die Ähnlichkeit der Anlage mit typisch regulierten Verteilernetzen geben können, kommt das Gericht zu dem Schluss, dass hier nicht mehr von einer „wirtschaftlichen Unbedeutsamkeit” auszugehen ist. Die BNetzA hatte in ihrem Beschluss bereits darauf hingewiesen, dass 500 Haushalte für nicht wenige Energieversorgungsunternehmen eine relevante Größe darstelle. Auch die geografische Ausdehnung und die Menge der durchgeleiteten Energie sprechen nach Auffassung des Gerichts gegen eine Unbedeutendheit für den wirksamen und unverfälschten Wettbewerb.

 

Ausblick

In der parallel ergangenen Entscheidung stellte das OLG Düsseldorf wie auch schon die BNetzA fest, dass eine einzelne „U-förmige” Straße nur zur Erschließung der befindlichen Örtlichkeiten (Anwohnerstraße) ohne Relevanz für den öffentlichen Verkehr allein nicht die Möglichkeit der Ernennung einer Kundenanlage behindere. Sobald uns die Entscheidungsgründe vorliegen, werden wir Sie hierzu selbstverständlich informieren.

 

Anders als das OLG Frankfurt hat das OLG Düsseldorf die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen. Eine baldige höchstrichterliche Befassung mit den Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Kundenanlagen und Energieversorgungsnetzen ergebenen, ist also wahrscheinlich.

 

Fazit

Mit seiner Entscheidung stellt das OLG Düsseldorf klar, dass die Kundenanlage eine Ausnahme zum Versorgungsnetz bleiben soll, um das Ziel der effizienten Regulierung des Strommarktes zu verwirklichen. Das Gericht betonte, dass die Kriterien für eine Kundenanlage nicht „starr” angewendet werden können, sondern dass eine dem Einzelfall gerechte Entscheidung zu treffen sei. Dies zeigt auch die noch unveröffentlichte Parallelentscheidung, in der die Einschätzung des Netzbetreibers, dass keine Kundenanlage vorliege, letztlich nicht bestätigt wurde.

 

Sowohl von Netzbetreiberseite als auch von Seiten des Kundenanlagenbetreibers ist eine detaillierte Prüfung erforderlich, ob die Voraussetzungen der Kundenanlage erfüllt sind. Ggf. kann die „fehlerhafte” Ausgestaltung von Versorgungskonzepten im Hinblick auf den Kundenanlagenbegriff noch durch Anpassungen z.B. bei Erschließung durch Straßen, angepasst werden.

 

Sprechen Sie uns gerne hierzu an. 

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Joachim Held

Rechtsanwalt, Mag. rer. publ.

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