Kapitalertragsteueranrechnung bei Dauerverlustbetrieben

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veröffentlicht am 26. Juni 2024

 

Der Bundesfinanzhof (kurz „BFH“) hat mit Urteil vom 12.12.2023, VIII R 31/21 die ständige Rechtsprechung zum Thema der sog. „Dauerüberzahlersituation“ i. S. d. § 44a Abs. 5 EStG bei Holdinggesellschaften konkretisiert und rechtssicher weiter geprägt.


Dauerüberzahler gem. § 44a Abs. 5 EStG

Bei einem sog. „Dauerüberzahler“ handelt es sich um einen Gläubiger, bei dem Kapitalerträge als Betriebseinnahmen zu behandeln sind und diese bei Nachweis einer entsprechenden Bescheinigung nicht dem Steuerabzug in Höhe von 25 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer unterliegen.


Bei bestimmten Kapitalerträgen, die einem steuerpflichtigen Gläubiger zufließen, ist der Steuerabzug mit Vorlage eines entsprechenden Nachweises nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalertragsteuer bei sich auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher ist als die festzusetzende Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer. Der entsprechende Nachweis ist hierbei unter Vorbehalt des Widerrufs auszustellen. Die Bescheinigung basiert auf den Verhältnissen der vorangegangenen drei Veranlagungszeiträume. Wenn die Bescheinigung erst nach dem Steuerabzug vorgelegt wird, kann die Kapitalertragsteuer entsprechend gekürzt werden. Die Bescheinigung ermöglicht es, Kapitalerträge ohne Steuerabzug zu erhalten und bietet Liquidationsvorteile für Investitionen oder andere wirtschaftlich relevante Zwecke.


Anrechnung der Kapitalertragsteuer

Die bisher abgeführte Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer auf bestimmte Kapitalerträge des § 20 Abs. 1 und 2 EStG kann unter Voraussetzungen des § 36 EStG im Rahmen der Steuerveranlagung angerechnet werden und ein etwaiger Erstattungsanspruch somit geltend gemacht werden. Um einer zeitlichen Differenz von einem bis zwei Jahren zwischen der Kapitalertragsteuerabführung an der Quelle nach den §§ 43 ff. EStG entgegenzuwirken und somit keinen temporären Liquiditätsnachteil zu erhalten, kann der Status des Dauerüberzahlers gem. § 44a Abs. 5 EStG durch Nachweis einer entsprechenden Bescheinigung erreicht werden.


Aktuelle Entscheidung des BFH

Im vorliegenden Rechtsstreit, der nun im Dezember 2023 vor der höchstrichterlichen Instanz in Steuerangelegenheiten entschieden wurde, wurde die sog. „Dauerzahlersituation“ im Zusammenhang mit Holdinggesellschaften geklärt und weiterhin rechtssicher geprägt. Eine dauerhafte Überzahlersituation bei Holdingkapitalgesellschaften liegt vor, wenn ihre Einnahmen ausschließlich aus Beteiligungseinkünften gemäß § 8b Abs. 1 KStG bestehen. Dies steht im Zusammenhang mit einer Gesetzesänderung durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 (BGBl. I 2000, 1433), die laufende und einmalige Bezüge unter bestimmten Voraussetzungen faktisch zu 95 % steuerfrei stellt. Diese Auffassung war bis dahin jedoch nicht vertreten worden. Ursächlich war die bis dato geltende abweichende Gesetzeslage.


Aufgrund der neuesten Entwicklungen ist eine Überzahlersituation zwangsläufig aufgrund der „Art der Geschäfte“ dauerhaft gegeben, soweit die Einnahmen einer Holdingkapitalgesellschaft ausschließlich aus nach § 8b Abs. 1 KStG zu faktisch 95 % steuerfrei gestellten Beteiligungseinkünften bestehen. Denn gemäß § 43 Abs. 1 S. 3 EStG sei § 8b Abs. 1 KStG beim Kapitalertragsteuerabzug nicht zu berücksichtigen.


Des Weiteren ist eine weitere Geschäftstätigkeit laut Satzung grundsätzlich nicht schädlich und führt nicht zum Ausschluss des „Überzahlerstatus“ i. S. d. § 44a Abs. 5 EStG.
Entscheidend sei laut BFH, ob die Gesellschaft aufgrund ihrer gegenwärtigen Struktur auch tatsächlich in der Lage wäre, die erlaubte weitere Tätigkeit jederzeit aufzunehmen.
Auch die Möglichkeit der Änderung der Gesellschaftsstruktur steht der Dauerhaftigkeit nicht entgegen. Für die Annahme einer strukturell bedingten dauerhaften Überzahlersituation müsse nicht jede Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeschlossen sein. Das ergebe sich bereits daraus, dass die Bescheinigung unter dem Vorbehalt des Widerrufs zu erteilen ist. Ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse und entfällt deshalb die Dauerüberzahlersituation oder ist sie nicht mehr strukturell bedingt, könne die Bescheinigung jederzeit widerrufen werden.


Dauerüberzahlersituation in Beteiligungsstrukturen der öffentlichen Hand
Grundsätzlich können Dauerüberzahlersituation auch in Beteiligungsstrukturen bei der öffentlichen Hand vorkommen, denn Betriebe gewerblicher Art (kurz „BgA“) einer Trägerkörperschaft in ihrer steuerlichen Behandlung den Kapitalgesellschaften gleichgestellt. Daher sehen wir aufgrund der aktuellen Rechtsprechung eine analoge Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG als gegeben an. Insbesondere würde eine analoge Anwendung im Bereich der öffentlichen Hand für dauerdefizitäre BgA der Trägerkörperschaft eine finanzielle Entlastung bedeuten. Es sei jedoch anzumerken, dass eine bisherige Thematisierung seitens des Gesetzgebers ausständig bleibt. Dies hat eine gewisse Rechtsunsicherheit zur Folge, die durch eine verbindliche Auskunft i. S. d. § 89 AO an das zuständige Finanzamt abgesichert werden könne.


Fazit

Die Dauerüberzahlersituation i. S. d. § 44a Abs. 5 EStG ermöglicht mit einer gültigen Bescheinigung einen immensen Liquiditätsvorteil gegenüber dem normalen Steuerabzugs- und Erstattungsverfahren für bestimmte Kapitalerträge, welches sich unter Umständen ein bis zwei Jahre erstrecken kann. Der BFH hat in Bezug auf die Neuregelung des § 8b KStG und die damit zusammenhängende differenzierte Beurteilung des Dauerüberzahlers zu Gunsten des Steuerpflichtigen entschieden und eine rechtssicherere Behandlung innerhalb Holdingstrukturen ermöglicht. Hingegen bleibt abzuwarten, ob der Gesetzesgeber Holding-Beteiligungsstrukturen oder ähnlich gelagerten Fällen mit (dauerdefizitären) BgA auf Ebene der öffentlichen Hand diesen Vorteil des Dauerüberzahlers i. S. d. § 44a Abs. 5 EStG ebenso gewähren oder von der Ausübung der Möglichkeit ausschließen wird. Eine bisherige Thematisierung dahingehend blieb bisher aus. Daher ist abzuwarten, wie die Rechtsprechung in weiteren Urteilen und gegebenenfalls Präzedenzfällen in Bezug auf die öffentliche Hand dazu Stellung beziehen wird.

 

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