GEG und WPG gemeinsam denken – Dekarbonisierung ist auch Vertragsstrategie

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veröffentlicht am 26. Juni 2024

 

Mit Einführung des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) und der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum Jahresstart 2024 wurden verbindliche Vorgaben eingeführt, anhand derer eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung vorangetrieben werden soll. Auch Fernwärmeversorgungsunternehmen stehen dabei im Fokus. Die Übergangsregelung des § 71j GEG ist dabei besonders für die Neukundengewinnung und Nachverdichtung relevant.

 

Nicht zuletzt durch die Novellierung des GEG und die Einführung des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) wollte der Gesetzgeber verbindliche Vorgaben schaffen, um seine geplanten Klimaziele erreichen zu können.


Durch die Erstellung der kommunalen Wärmepläne nach § 4 WPG sowie die Erarbeitung der Transformationspläne nach § 32 WPG sowie den Vorgaben der BEW rückt die Fernwärmeversorgung immer mehr in den Fokus der Verbraucher, der Versorger und der Kommunen. Gleichzeitig wurde auch durch das GEG die Attraktivität der Fernwärme gesteigert.
Um bei der Umsetzung dennoch Spielräume für die betroffenen Gebäudeeigentümer einzuräumen, finden sich in den §§ 71i ff. GEG gleichzeitig zahlreiche Übergangsregelungen, die zum Teil auch für Wärmeversorger relevant sind. Unter Vorliegen befristeter Sonderregelungen können dementsprechend auch nach dem für das jeweilige Gebiet geltenden Stichtag noch fossil betriebene Heizungen für einen Übergangszeitraum eingebaut werden.

 

Übergangsfristen des Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Insbesondere die Novellierung des GEG birgt praktische Umsetzungsprobleme für eine nachhaltige Wärmeversorgung. Erklärtes Ziel des GEG ist, dass bis spätestens 2045 alle Heizungsanlagen vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden müssen. Die Einführung der 65 Prozent-EE-Vorgabe im § 71 GEG ist hierfür ein wichtiger Schritt. Der § 71 Absatz 3 GEG schafft dafür auch eine sogenannte Erfüllungsfiktion: Die 65 Prozent-Quote gilt unabhängig vom tatsächlichen Anteil erneuerbarer Energien bei Einsatz bestimmter Heizungssysteme und unter Einhaltung der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben als erfüllt. So auch nach § 71b GEG durch den Anschluss an ein Wärmenetz.


So geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Fernwärme ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende und damit eine zentrale Erfüllungsoption des GEG ist. Die Kunden können damit die Pflichten zur Dekarbonisierung auf das Wärmeversorgungsunternehmen übertragen. Da die Planung, Dekarbonisierung und Errichtung eines Fernwärmenetzes aber eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, wurden nicht nur entsprechende Verpflichtungen zur Erstellung von Transformationsplänen eingeführt, sondern zusätzlich mit dem § 71j GEG eine Übergangsfrist geschaffen, die besonders für Fernwärmeversorgungsunternehmen und Kommunen interessant sein dürfte. § 71j GEG ermöglicht es Gebäudeeigentümer, vorübergehend für einen Zeitraum von 10 Jahren eine fossile Heizung einzubauen, wenn bereits feststeht, dass sie bis zum Ablauf von 10 Jahren mit erneuerbarer Wärme aus einem Wärmenetz versorgt werden können.


Voraussetzungen und Risiken der Übergangsfrist bei Anschluss an ein Fernwärmenetz

Bis zum Anschluss an ein Wärmenetz kann gemäß § 71j GEG eine Heizungsanlage zum Zweck der Inbetriebnahme eingebaut oder aufgestellt und ohne Einhaltung der Anforderungen nach § 71 Absatz 1 GEG oder § 71 Absatz 9 GEG zur Wärmeerzeugung betrieben werden, wenn vor dem Einbau oder der Aufstellung der Heizungsanlage zur Inbetriebnahme die nachfolgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Den Abschluss eines Anschluss- und Wärmelieferungsvertrags mit min. 65 % erneuerbarer Wärme oder Abwärme.
  • Die Vorlage eines Wärmenetzausbau- und Dekarbonisierungsfahrplans des Wärmeversorgers mit zwei- bis dreijährlichen Meilensteinen.
  • Eine Selbstverpflichtung des Wärmeversorgers zur Einhaltung der Meilensteine und zur Inbetriebnahme des Wärmenetzes innerhalb von 10 Jahren ab Vertragsschluss.
  • Eine Bestätigung des Wärmeversorgungsunternehmens zur Einhaltung der notwendigen EE-Anteile, bevor die Übergangs-Heizungsanlage aufgestellt wird.

Sowohl der Gebäudeeigentümer als auch der Fernwärmeversorger haben ein Interesse an der Erfüllung dieser Vorgaben. Sollte jedoch der Fernwärmeversorger seinen Zeitplan nicht einhalten können oder gar die Errichtung des Wärmenetzes nicht zustande kommen, macht er sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Wenn der Fernwärmeversorger sich zum Anschluss an das Wärmenetz verpflichtet hat, ein Anschluss aber nicht innerhalb der vorgegebenen 10 Jahre erfolgt und der Gebäudeeigentümer dadurch anderweitig nachrüsten muss, soll der Fernwärmeversorger die dadurch entstandenen Mehrkosten ersetzen (§ 71j Absatz 4 GEG). Laut Gesetzesbegründung sind damit nicht die vollständigen Investitionskosten gemeint, sondern Mehrkosten, die durch die Übergangsphase entstanden sind, dazu können z.B. erhöhte Betriebskosten für den Bezug gasförmiger Energien zählen. Eindeutig geregelt ist der Umfang dieser Kostentragungspflicht bisher allerdings nicht, sodass hier unter Umständen erhebliche Haftungsrisiken für den Fall drohen, dass gewisse Straßenzüge nicht oder nur verspätet und entgegen der langjährigen Planung angeschlossen werden können. Das Fernwärmeversorgungsunternehmen trifft nur bei einem Verschulden die Pflicht zum Schadensersatz, allerdings trägt es hier auch die Nachweispflicht, sodass es im Falle einer gerichtlichen Überprüfung dem Kunden nachweisen muss, dass es Verzögerungen nicht zu vertreten hat.


Um das Risiko einer Schadensersatzpflicht zu umgehen, kann der Wärmeversorger zwar eine der oben genannten Voraussetzungen vorerst unerfüllt lassen oder hinauszögern. Dies führt aber auch dazu, dass sich die Hausbesitzer, die auf eine Zwischenlösung angewiesen sind, nach alternativen dauerhaften Lösungsmöglichkeiten umsehen werden und damit als potenzielle Kunden für die Fernwärme für absehbare Zeit wegfallen.


Alternative Übergangsfristen des GEG

Neben dem bereits dargestellten § 71j GEG sind auch weitere Übergangsfristen vorgesehen, die Spezialfälle, wie das Vorhandensein von Etagenheizungen oder Einzelraumfeuerungsanlagen, wasserstofffähigen Gasthermen oder Hallenheizungen abdecken. Zusätzlich besteht gem. § 71i GEG die allgemeine Übergangfrist von höchstens fünf Jahren, die jedem Grundstückseigentümer im Fall der Heizungshavarie eingeräumt wird.


Im Fall des Vorhandenseins von Etagenheizungen nach § 71l GEG grundsätzlich, dass die 65 Prozent-EE-Vorgabe für einen Übergangszeitraum von maximal 10 Jahren (vgl. §§ 71i Satz 2 iVm 71l Abs. 1 Satz 2 GEG, 5 Jahre für Etagenheizung zzgl. allgemeine Übergangsfrist von 5 Jahren) nicht eingehalten werden muss. Wird auf eine Zentralheizung umgestellt, räumt der Gesetzgeber noch umfangreichere Umstellungsfristen ein. Nach § 71l Abs. 2 iVm Abs. 1 GEG verlängert sich die grundsätzlich eingeräumte Frist von fünf Jahren maximal weitere 8 Jahre, also insgesamt 13 Jahre nach Erneuerung der ersten Etagenheizung im betroffenen Gebäude. Erst im Anschluss müssen die verbauten Anlagen die 65%-EE-Schwelle einhalten.


Eine Möglichkeit der Kombination dieser Übergangsfristen bei Anwendbarkeit mehrerer Regelungen ist vom Gesetzgeber nicht gewollt und liefe den Zielvorgaben des GEG zuwider. Zur Anwendung kommen kann deshalb immer nur eine Übergangsfrist. Klare Ausnahme hiervon ist der ausdrückliche Verweis von § 71l Abs. 1 GEG auf § 71i Satz 2 GEG.

 

Da die Wahl des künftigen Heizungssystems in den Händen des jeweiligen Gebäudeeigentümers liegt, sollten gerade Kommunen und Wärmeversorger bereits jetzt Hand in Hand mit Gebäudeeigentümern, insbesondere Hausverwaltungen und Wohnungsbaugesellschaften, arbeiten, um bei geplanten Wärmenetzen, der Nachverdichtung oder Entwicklung neuer Gebiete auch nach Umsetzung der verschiedenen Bauphasen eine ausreichende Anschlussdichte erwirken zu können.
Eine frühzeitige und vorausschauende Planung des Ausbaus und der Dekarbonisierungsstrategie sowie ein regelmäßiges Monitoring des Plan-Ist-Zustandes ist dabei entscheidend, um den Spagat zwischen vertrieblicher Verbindlichkeit und rechtsverbindlichen Zusagen sowie daraus erwachsenden Risiken im Gleichgewicht zu halten.


Gerne unterstützen wir Sie hierbei mit unseren rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen eine ausgewogene Dekarbonisierungs- und Vertragsstrategie!

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