Auch weiterhin keine Umsatzsteuerorganschaft mit einem Nichtunternehmer als Organträger, BFH v. 02. Dezember 2015 V R 67/14

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Der EuGH hat in seiner Entscheidung Larentia + Minerva deutlich gemacht, dass er die im Inland bestehenden Regelungen für die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft als teilweise nicht mit der MwStSystRL vereinbar ansieht und eine Abweichung von den Erfordernissen der MwStSystRL nur in engen Grenzen als zulässig erachtet. Diesen Ball hat nunmehr der fünfte Senat des BFH aufgenommen und sich mit der Frage der Unternehmereigenschaft des Organträgers als zwingende Voraussetzung zur Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft beschäftigt. Der BFH stellt zwar zutreffend fest, dass die nationalen Voraussetzungen über die Anforderungen der MwStSystRL hinausgehen, jedoch aus Gründen der Vermeidung von Steuermissbrauch angemessen und erforderlich seien.

 

​Kontext der Entscheidung

Der BFH bekam nunmehr mit seiner Entscheidung vom 02. Dezember 2015, Az. V R 67/14, endlich die Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen, ob auch im Sinne einer europarechtskonformen Auslegung der Organträger einer umsatzsteuerlichen Organschaft stets ein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sein muss.
  

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung des Notdienstes aus arbeits- und tarifvertraglichen Gründen eine Tochtergesellschaft in der Rechtsform der GmbH gegründet. Die Tätigkeit der Tochtergesellschaft bestand im Wesentlichen in einer Personalüberlassung an die Muttergesellschaft. Der BFH hatte sich hierbei mit der Frage zu befassen, ob zwischen der Tochter- und der Muttergesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft gem. § 2 Abs. 2 UStG vorlag. 
  

Der BFH hat hierzu nochmals bestätigt, dass auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts Organträger einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein kann. Die Unternehmereigenschaft des Organträgers gehört danach zu den Voraussetzungen, nicht aber zu den Rechtsfolgen der Organschaft. Der BFH hat hierbei zutreffend ausgeführt, dass der Begriff des Unternehmers im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dem des § 2 Abs. 1 UStG und damit dem Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL entspricht. Merkmal dieser Begriffe ist es insoweit, dass der Unternehmer bei diesen Tätigkeiten nachhaltig Leistungen gegen Entgelt erbringt. Hieran fehlt es beispielsweise bei einer hoheitlichen Tätigkeit, bei der entweder keine entgeltlichen Leistungen erbracht werden oder es aber zumindest an einem wettbewerbsrelevanten Verhalten fehlt. Daher muss der Organträger einer umsatzsteuerlichen Organschaft nach nationalem Recht zwingend Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sein.
  

Nach Ansicht des BFH kann auch aus Gründen des Europarechts nichts anderes gelten. Gem. Art. 11 MwStSystRL kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Zudem können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen. Zwar kann sich der Steuerpflichtige nicht unmittelbar auf die Regelung des Art. 11 MwStSystRL berufen, jedoch ist diese sowohl von der Finanzverwaltung als auch von den Gerichten bei der Auslegung des nationalen Rechts zwingend zu berücksichtigen.
 
Der EuGH hat zu dieser Problematik in seiner Entscheidung Larentia + Minerva (Az. C-108/14) ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen (umsatzsteuerpflichtige Organschaft) grundsätzlich nicht von weiteren als den in Art. 11 MwStSystRL genannten Kriterien abhängig machen dürfen. Art. 11 MwStSystRL spricht indes nicht von verschiedenen Steuerpflichtigen die zu einem Steuerpflichtigen zusammengefasst werden, sondern von verschiedenen Personen die zu einem Steuerpflichtigen zusammengefasst werden können. Der bereits im Wortlaut liegende Unterschied gibt zuerkennen, dass zumindest aus europäischer Sicht eine andere Lesart möglich wäre.
 
Dies hat der EuGH auch in einem Vertragsverletzungsverfahren aus dem Jahr 2013 so gesehen und ausgeführt, dass die mit Art. 11 MwStSystRL verfolgten Ziele nicht zwingend dafür sprechen, wonach nichtsteuerpflichtige Personen nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden können (vgl. EuGH, Urteil vom 09. April 2013 – C-85/13). Etwas anderes solle jedoch dann gelten, wenn die Einbeziehung von Nichtsteuerpflichtigen zu „Missbräuchen” führen könnte.
   

Aufgrund der Aussagen des EuGH kommt der BFH zwar zudem Schluss, dass die nationalen Anforderungen an die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft durch das Erfordernis der Unternehmereigenschaft über die Anforderungen des Art. 11 MwStSystRL hinausgehen. Der BFH zieht dann jedoch nicht den Schluss und lässt eine umsatzsteuerliche Organschaft mit einem Nichtunternehmer zu, sondern begründet das zusätzliche und über den Regelungscharakter des Art. 11 MwStSystRL hinausgehende Merkmal der Unternehmereigenschaft damit, dass dieses Merkmal zur Verhinderung von missbräuchlichen Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich und geeignet sei.
  

Daher verbleibt es – trotz der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2013 – dabei, dass der Organträger einer umsatzsteuerlichen Organschaft auch weiterhin ein umsatzsteuerlicher Unternehmer sein muss.

 

Autoren: Marcel Reinke und Nicole Maußhammer

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