Selbstanzeige „kompakt”: Änderungen, Fallstricke und verbleibende Chance

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 26. Juli 2017
von Florian Donath, Rödl & Partner Nürnberg

 

Nach dem Ankauf der sog. „Steuer-CDs” durch mehrere deutsche Bundesländer ergriffen in den vergangenen Jahren viele Steuerpflichtige die Flucht nach vorne und gaben Selbstanzeigen bei den Finanzbehörden ab, um v.a. den drohenden Steuerstrafverfahren zu entgehen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden – so auch in den Medien mehrfach proklamiert – dass noch nicht alle Steuerpflichtigen mit bislang im Ausland angelegtem und unversteuertem Vermögen den Weg zur Steuerehrlichkeit zurück gefunden haben.

Für die betroffenen Steuerpflichtigen droht nun ein weiteres Risiko eines Steuerstrafverfahrens ausgehend von der Verpflichtung der Bankinstitute zur Meldung von Daten zu Bankbeziehungen an die jeweiligen Finanzbehörden aufgrund des OECD-Standards zum Automatischen Informations­aus­tauschs ab dem 1. Oktober 2017. Um den tatsächlichen Eintritt dieses Risikos zu verhindern, sollte man als etwaig betroffener Steuerpflichtiger die Möglichkeit der Abgabe einer Selbstanzeige erwägen und dabei nachstehende Aspekte berücksichtigen.
 

 

Fallstricke bei der Selbstanzeige aufgrund gesetzlicher Verschärfungen

Mit Wirkung bereits zum 1. Januar 2015 wurden die Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige durch den Gesetzgeber noch einmal deutlich verschärft. Die aktuell immer noch bestehende Ausgangslage soll im Nachfolgenden dargestellt werden:

 

  • Ausdehnung des nachzuerklärenden Zeitraums auf mindestens 10 Jahre:

 

Eine äußerst erhebliche Neuerung der Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige ist die zeitliche Ausdehnung des nachzuerklärenden Zeitraums.  Wurden Steuern in großem Ausmaß, d.h. mehr als 50.000 Euro, verkürzt, wurde die strafrechtliche Verfolgungsverjährung ebenfalls auf 10 Jahre ausgedehnt.

 

So mussten bis zum 1. Januar 2015 i.d.R. nur die letzten 5 Jahre berücksichtigt werden, um mit Hilfe einer Selbstanzeige einer strafrechtlichen Sanktion zu entgehen.

 

  • Staffelung des Strafzuschlages zur Erlangung der Straffreiheit:

 

Hier ist festzuhalten, dass eine Selbstanzeige bereits vor dem 1.Januar 2015 nicht automatisch eine straf­befreiende Wirkung entfaltete. Lag die Steuerhinterziehung bei einer Gesamtsumme von größer als 50.000 Euro, musste ein Betrag von 5 Prozent der steuerlichen Nachzahlung entrichtet werden, um strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen.

 

Der Gesetzgeber hat sich mit Wirkung zum 1. Januar 2015 dazu entschlossen, die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige bereits bei einer hinterzogenen Summe i.H.v. 25.000 Euro in auch nur einem der rele­vanten Jahre zu versagen. Der „Notausgang Strafzuschlag” bleibt jedoch geöffnet, sodass es weiterhin möglich ist, einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen, wenn ein Strafzuschlag geleistet wird.

 

Der moderne „Ablasshandel” wurde nun nach dem 1. Januar 2015 jedoch nochmals verschärft. Nun ist der zu entrichtende sog. „Strafzuschlag” an die Höhe der hinterzogenen Steuer des gesamten Zehnjahreszeitraumes gekoppelt:

 

  • bis 100.000 Euro: 10 Prozent
  • 100.001 bis 1 Mio. Euro: 15 Prozent und
  • ab 1 Mio. Euro: 20 Prozent.

 

Die „Hintertür” der Zahlung des Strafzuschlags sichert faktisch die Straffreiheit bei einer Selbstanzeige. Zusätzlich zum Strafzuschlag sind selbstverständlich die Nachzahlungen der Steuer, des Solidaritäts­zuschlag sowie Nachzahlungs- und Hinterziehungszinsen i.H.v. 6 Prozent auf die nacherklärte Bemessungsgrundlage zu leisten:

 

Fallstricke einer Selbstanzeige

Gerade für den Fall der Abgabe einer Selbstanzeige wird deutlich erkennbar: „Theorie ist nicht gleich Praxis!” Gerade aufgrund der gesetzlichen Verschärfungen dürfen manche Aspekte keinesfalls unterschätzt werden.


  • Sachverhaltsklärung ist das A und O

 

Der Gesetzgeber spricht augenscheinlich einfach davon, dass eine Selbstanzeige vollumfänglich und vollständig sein soll. Das gelte für alle noch nicht verjährten Zeiträume und Steuerarten. Genau darin liegt die Heraus­forderung, um die wesentlichen Eckpunkte zu erfassen. Erst wenn die Punkte abschließend geklärt sind, kann eine vollumfängliche Selbstanzeige erstellt werden.

 

Eine Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber aus Praktikabilitätserwägungen nur für die Lohn- und Umsatzsteuer geschaffen.


  • Sicherstellung der Liquidität

 

Die oben bereits genannten „Pflichtzahlungen” aller Art sind zwingende Voraussetzungen der Wirksamkeit der Selbstanzeige. Die Berücksichtigung des langen Zeitraumes von mindestens 10 Jahren, ist in dem Zusammen­hang eine nicht zu unterschätzende Belastung.

 

Es gilt der Grundsatz: Geld hat man zu haben, andernfalls ist die Wirksamkeit gefährdet.

 

  • Stolperfalle „Unternehmens-Selbstanzeige”:

 

Die Abgabe einer Selbstanzeige im Zusammenhang mit Vorgängen, die ein Unternehmen betreffen, stellte alle Beteiligten vor eine große Herausforderung und fordert u.a. in 2 Konstellationen eine erhebliche Wachsamkeit: Es gilt zum einen zu  klären, wer in den Wirksamkeitsbereich der Selbstanzeige einzube­ziehen ist. Darüber hinaus ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass sich die Sachverhalte wesentlich komplexer gestalten und daher die Gefahr, dass eine umfassende Darstellung des umfassenden Sachver­haltes scheitern könnte, durchaus nicht zu unterschätzen ist.

 

In diesem Zusammenhang dürfen ebenso angeordnete Außenprüfungen nicht außer Acht gelassen werden. Denn mit Änderung zum 1. Januar 2015 stellt bereits die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung einen Sperrgrund zur Abgabe einer Selbstanzeige dar. Vor der Änderung musste der Betriebsprüfer noch per­sönlich zur Prüfung erschienen sein, also auf der sprichwörtlichen Matte stehen.

 

Insofern kann es angezeigt sein, das enge zeitliche Fenster zwischen 2 Betriebsprüfungen zur Abgabe einer Selbstanzeige zu nutzen und sie ggf. sogar abzuwarten.

 

Im unternehmerischen Umfeld kann jedoch die Selbstanzeige als Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO durchaus eine Chance bieten. In einem solchen Fall greifen dann nicht die Vorschriften der Selbstanzeige gemäß § 371 AO, sondern die einer Berichtigungserklärung im Sinne von § 153 AO. Das hat den enormen Charme, da insoweit andere steuerliche Verjährungsfristen gelten und zudem der Strafzuschlag entfiele. Jedoch ist eine derartige Fremdanzeige an sehr enge Voraussetzungen gekoppelt und der Anwendungsbereich im Einzelfall zu prüfen.

 

Rechtsfolgen bei verspäteter bzw. fehlerhafter Selbstanzeige

Die Rechtsfolgen im Falle verspäteter oder fehlerhafter (z.B. unvollständiger) Selbstanzeigen können sowohl strafrechtlicher als auch außerstrafrechtlicher Natur sein.

 

Die dargestellten Sanktionen werden selbstverständlich zusätzlich zu den steuerlichen Nachzahlungen verhängt und sind keinesfalls zu unterschätzen:

 

In strafrechtlicher Hinsicht können abhängig von der Höhe der hinterzogenen Steuer Geld- oder Frei­heitsstrafen verhängt werden. Im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe erstreckt sich der Straf­rahmen bei „einfachen” Steuerhinterziehungen von 1 Monat bis zu 5 Jahren; sollte gar ein besonders schwerer Fall der Steuer­hinter­ziehung vorliegen (Steuerverkürzung in großem Ausmaß, also bei einer hinterzogenen Steuer i.H.v. mindestens 50.000 Euro), können die Behörden aus einem Rahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren (!) Freiheitsstrafe schöpfen.

 

Neben den empfindlichen, strafrechtlichen Sanktionen, können eine Reihe weiterer, behördlicher Rea­ktionen folgen: So besteht die Möglichkeit, Gewerbetreibenden unter dem Aspekt der  nachgewiesenen steuerlichen Unzuverlässigkeit die Gewerbeerlaubnis für einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren zu entziehen.

 

Besondere Sanktionen können für sog. Freiberufler, wie z.B. Ärzte, Apotheker, Steuerberater, Rechts­anwälte, Wirtschaftsprüfer in den Fokus der Berufskammern geraten. Mit weitreichenderen Folgen müssen auch Angestellte des öffentlichen Dienstes sowie Beamte im Falle von fehlgeschlagenen Selbstanzeigen rechnen.

 

Zudem könnte bei Misslingen einer Selbstanzeige das besondere Hobby stark leiden. Grund hierfür ist erneut der Nachweis der steuerlichen Unzuverlässigkeit. Betroffen davon sind Jäger, Schützen und Piloten.

 

Fazit

Stellt man bei der Abwägung zur Abgabe einer Selbstanzeige die Kosten und Nutzen sich dem bereits jetzt abzeichnenden Risiko gegenüber, dürfte die Entscheidungsfindung leichter fallen. Denn sind die Informa­tionen, u.a. durch den sog. Automatischen Informationsaustausch zu den deutschen Finanzbehörden gelangt und diese mit den Steuerakten der Betroffenen abgeglichen worden, dann liegt Tatentdeckung vor, die eine Selbstanzeige als weiteren Sperrgrund ebenfalls unmöglich macht.

Kontakt

Contact Person Picture

Ulrike Grube

Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Rechtsanwältin

Partnerin

+49 911 9193 1999

Anfrage senden

Profil

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu