Das Sanierungskonzept (IDW S6) – Sanierungsmaßnahmen im Einkauf

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von Wolfram Lenzen

 

In der letzten Ausgabe des Sanierungsbriefes haben wir uns mit der Analyse des Markt- und Wettbewerbsumfeldes im Rahmen der Erstellung eines Sanierungskonzepts bzw. Sanierungsgutachtens nach IDW S6 befasst sowie einen Überblick über die zu analysierenden operativen Unternehmensbereiche gegeben.
 
In dieser Ausgabe wollen wir uns dem Thema Einkauf im Sanierungskonzept widmen. Die Kosten des Einkaufs stellen je nach Branche den wesentlichen Kostenblock in einem Unternehmen dar. Aus diesem Grund sollte in diesem Bereich auch ein Hauptaugenmerk auf Restrukturierungsmaßnahmen gelegt werden.
 


Abb.1: Kostenanteile des Einkaufs nach Branche
 

Restrukturierungsmaßnahmen im Einkauf lassen sich in kurzfristig und langfristig umzusetzende Maßnahmen sowie hinsichtlich ihres Angriffspunktes unterteilen. Typischerweise zielen Restrukturierungsmaßnahmen im Einkauf auf den Einkaufspreis, die Auswirkungen auf das Working Capital (Zahlungsziele und Bestellmenge) sowie auf die Einkaufsorganisation ab. Dabei sind jedoch weitere einkaufsrelevante Ziele wie Qualität und Versorgungssicherheit zu berücksichtigen.
 
 
Abb. 2: Angriffspunkte von Restrukturierungsmaßnahmen im Einkauf
   

Reduzierung des Einkaufspreises

Zur Reduzierung des Einkaufspreises als kurzfristige Maßnahme steht die Lieferantenverhandlung im Vordergrund. Reduzierungen des Einkaufspreises durch Materialsubstitution oder Design-to-Cost-Themen wirken eher mittelfristig und stehen daher im Rahmen eines kurzfristig umzusetzenden Sanierungskonzeptes zunächst nicht im Fokus.
 
Zur Vorbereitung der Lieferantenverhandlungen wird in einem ersten Schritt eine ABC-Analyse des Einkaufsvolumens nach Lieferanten durchgeführt. Im Rahmen der ABC-Analyse werden die Lieferanten klassifiziert. A-Lieferanten stellen in Summe rd. 70 Prozent des Einkaufsvolumens dar, B-Lieferanten rd. 20–25 Prozent und C-Lieferanten rd. 5–10 Prozent. Typischerweise verhält es sich so, dass relativ wenige Lieferanten die A-Klasse bilden, wohingegen viele Lieferanten nur geringe Einkaufsvolumina abdecken (C-Lieferanten). Um möglichst schnell messbare Effekte zu generieren, wird man in der Restrukturierung zunächst auf die A-Lieferanten fokussieren. In einem zweiten Schritt lässt sich die Gruppe der A-Lieferanten anhand der gelieferten Warengruppen weiter klassifizieren. Anhand dieser Klassifizierung lassen sich schließlich Verhandlungsziele für Preisnachlässe bei den jeweiligen Lieferanten definieren.
 
Sind die Verhandlungsziele definiert, gilt es, die eigentliche Lieferantenverhandlung strategisch vorzubereiten. Es muss grundsätzlich das klare Ziel sein, günstigere Preise zu vereinbaren. Hierzu muss die Wettbewerbssituation auf Lieferantenseite herausgearbeitet werden, die Substitutionsmöglichkeiten bekannt sein und die bisherige Preis- und Volumenentwicklung bei dem Lieferanten analysiert werden. Darüber hinaus gilt es, sich Gedanken zur Kostenstruktur des Lieferanten zu machen. Je nach Kompetenz der eigenen Firma lässt sich auch über eine Lieferantenentwicklung nachdenken. Bei der Lieferantenentwicklung wird versucht, zusammen mit dem Lieferanten Kostenreduzierungen aufgrund von Prozessoptimierungen zu identifizieren, die der Lieferant dann an den Kunden weitergeben kann.
 
Kann keine Preissenkung erreicht werden, muss in der Konsequenz über eine (Teil-)Verlagerung hin zu einem anderen Lieferanten nachgedacht werden.
 
Einem geplanten Lieferantenwechsel sollte im Vorfeld eine qualitative Bewertung vorausgehen. Hierbei gilt es, verschiedene Kriterien und Ziele zu definieren. Dazu gehören lieferantenbezogene Aspekte wie bspw. Zuverlässigkeit, Know-how und Marktstellung, produktbezogene Kriterien wie bspw. Lieferkapazität, Preis und Qualität, organisatorische Aspekte wie Qualitätssicherung, Flexibilität und EDV-Anbindung und die Betreuung wie bspw. After-Sales-Service, Behandlung von Reklamationen, Garantieleistungen und Ersatzlieferungen.
 
Im Rahmen eines globalen Sourcings müssen zudem entstehende Zusatzkosten einbezogen werden, wie z.B. Transportund Zollkosten, Versicherungskosten oder die Absicherung von Wechselkursrisiken. Aber auch Liefer- und Zahlungskonditionen sind bei einem Vergleich zu berücksichtigen.
 

Optimierung des Working Capital

Die Optimierung des Working Capital führt zu einer Verbesserung der Liquiditätslage im Unternehmen. Auf Einkaufsseite sind hierbei als Stellschrauben die Zahlungsziele des Lieferanten und die Bestellmenge zu nennen.
 
Die Zahlungsziele beinhalten in der Regel ein Nettozahlungsziel und ein Zahlungsziel unter Nutzung von Skonto. In einer akuten Sanierungssituation wird der Fokus auf Liquiditätsgenerierung liegen. Deshalb sollte die Sinnhaftigkeit einer Zahlung unter Nutzung von Skonto geprüft werden. Es sollte vielmehr das Ziel sein, die Zahlungsziele bei den Lieferanten verlängert zu bekommen. Dies kann vor dem Hintergrund langjähriger Lieferantenverbindungen und im Rahmen des Einkaufsoptimierungsprogramms gegenüber den Lieferanten vertreten werden.
 
Die Optimierung der Bestellmenge hat unmittelbaren Einfluss auf den Rohmaterialbestand. Ein zu hoher Rohmaterialbestand führt zu einer liquiditätsschädlichen Kapitalbindung. Die Bestellmenge wird grundsätzlich beeinflusst durch Mindestbestellmengen, Sicherheitsbestände und die eigene Produktionsplanung. Mindestbestellmengen werden bisweilen von Lieferanten vorgegeben. Hier ist zu prüfen, ob Mindestbestellmengen reduziert werden können. Ggf. stellen ein Konsignationslager oder ein Rahmenvertrag mit Abrufen Alternativen dar.
 
Direkt beeinflusst werden Bestellmengen und Sicherheitsbestände von der eigenen Produktionsplanung und -steuerung. Mit hohen Sicherheitsbeständen wird häufig eine ungenaue und ineffiziente Produktionsplanung und -steuerung überdeckt. Um hierbei Verbesserungen zu erzielen, ist eine kurzfristige Analyse des Produktionsprozesses erforderlich. Bei einer Umstellung des Produktionsprozesses auf eine Pull-Steuerung (Material wird bei Bedarf in die Produktion gezogen) im Gegensatz zu einer häufig vorherrschenden Push-Steuerung (Material wird in den Produktionsprozess gepresst) lassen sich nicht nur Rohmateriallager verringern, sondern auch Zwischenlager und Fertigwarenlager. Das Material wird im Sinne einer Just-in-Time-Produktion dann verarbeitet, wenn es benötigt wird. Hierdurch werden schlussendlich auch Sicherheitsbestände reduziert.
 

Optimierung der Einkaufsorganisation

Es kommt nicht selten vor, dass in Unternehmen die Einkaufsfunktion dezentral verteilt ist. Dies führt zu zwei Effekten. Auf der einen Seite ist in einem solchen Fall die Einkaufsfunktion eher eine Abruf- oder Dispositionsfunktion, bei der die nicht im Einkauf geschulten Mitarbeiter Rohstoffe beliebig bestellen. Auf der anderen Seite gibt es im Unternehmen keine Information darüber, wie hoch eigentlich das Einkaufsobligo ist, d.h. das beauftragte, aber noch nicht bezahlte Bestellvolumen. Diese Unkenntnis führt zu einer unbekannten Risikoposition in der Liquiditätsplanung. Aus diesen Gründen wird es in den meisten Fällen sinnvoll sein, die Einkaufsfunktion zentral zu bündeln bzw. eine echte Einkaufsfunktion, falls es diese noch nicht gibt, zu schaffen.
 
Neben der Aufbauorganisation ist die Ablauforganisation durch entsprechende Tools zu unterstützen. Hierzu gehören regelmäßige Informationen zu Beschaffungspreisentwicklungen, Lieferantenbewertungen (strategische Wichtigkeit, Qualität, Liefertreue etc.) sowie Angaben über die letzten Lieferantenverhandlungen. Es sollte nachgehalten werden, wann das letzte Mal mit einem Lieferanten über die Zahlungskonditionen und die Beschaffungspreise verhandelt wurde. Zudem sollte transparent sein, wann zuletzt alternative Lieferanten angefragt wurden. Diese Informationen sollten auch der Geschäftsführung zugänglich sein.
 

Mitarbeiterschulung

Ein wesentlicher Teil der erfolgreichen Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen im Einkauf entfällt auf die Schulung der Mitarbeiter. Die Auswirkungen des eigenen Handelns auf den Unternehmenserfolg, insbesondere auf die Liquiditätsentwicklung, müssen den Mitarbeitern verdeutlicht werden. Dabei geht es nicht nur um die direkt mit dem Einkauf betrauten Mitarbeiter, sondern auch um mittelbar den Einkauf beeinflussende Mitarbeiter aus den Bereichen Konstruktion und Produktion.
 

Fazit

Aufgrund des in der Regel hohen Kostenanteils an den Gesamtkosten eines Unternehmens haben Restrukturierungsmaßnahmen im Einkauf einen hohen Stellenwert im Restrukturierungskonzept. Die wesentlichen kurzfristigen Stellhebel sind Einkaufspreis, Lieferbedingungen und Bestellmenge.

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