Wärmekonzessionen: Ausschreibungspflicht in Sicht?

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​veröffentlicht am 16. Januar 2024, aktualisiert am 1.2.2024


Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 5. Dezember 2023 in Sachen „Fernwärmenetz Stuttgart” (Az.: KZR 101/20) die Diskussion nach einer Vergabepflicht von Wärmekonzessionen neu entfacht.

Die europäische Konzessionsvergabe-Richtlinie 2014/23/EU (KVR) hat erstmals einen diskriminierungsfreien Zugang aller Unternehmen zu den Konzessionsmärkten im europäischen Binnenmarkt geregelt. Deutschland hat die EU-Vorgaben im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) umgesetzt. Verträge, mit denen ein öffentlicher Auftraggeber ein oder mehrere Unternehmen mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betraut, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen bestehen, werden als Dienstleistungskonzessionen bezeichnet. In Erwägungsgrund 16 der KVR merkt der europäische Richtliniengeber dazu aber an, dass Vereinbarungen über die Gewährung von Wegerechten hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Liegenschaften für die Bereitstellung oder den Betrieb fester Leitungen oder Netze, über die eine Dienstleistung erbracht werden soll, nicht als (Dienstleistungs-)Konzessionen im Sinne des EU-Rechts gelten, sofern derartige Vereinbarungen weder eine Lieferverpflichtung auferlegen, noch den Erwerb von Dienstleistungen durch den öffentlichen Auftraggeber für sich selbst oder für Endnutzer vorsehen. Wärmekonzessionen sind daher nicht automatisch dem EU-Vergaberecht entzogen. Vielmehr kommt es auf die konkrete Gestaltung und den Inhalt des Konzessionsvertrages an. Wird ein Wärmekonzessionsnehmer demnach z.B. damit betraut, Endkunden mit Wärme zu versorgen, dürfte EU-Vergaberecht (GWB, KonzVgV) regelmäßig anzuwenden sein. Liegt hingegen keine solche Betrauung vor, stellt sich die Frage, ob dem Abschluss von Wärmekonzessionsverträgen nach anderen Vorschriften eine Ausschreibung im weiteren Sinne vorausgehen muss. Hierzu hatten die Bundesrichter Gelegenheit im Rahmen eines Rechtsstreits über ein Fernwärmenetz Stellung zu nehmen. In dem dort entschiedenen Fall hat die Landeshauptstadt Stuttgart ein Auswahlverfahren für die Vergabe der Wärmekonzession initiiert.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu festgestellt, dass die Landeshauptstadt auf dem Markt für die Vergabe von Wegenutzungsrechten ein marktbeherrschendes Unternehmen i.S.d. des Kartellrechts ist (§ 19 Abs. 1 GWB). Aufgrund ihres Eigentums an öffentlichen Wegen verfügt sie über ein auf das Stadtgebiet beschränktes natürliches Monopol (Rn. 21, 29). Städte und Gemeinden handeln beim Abschluss von Konzessionsverträgen privatrechtlich und damit als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts, da die Vergabe von Nutzungsrechten zweifellos ein unternehmerisches Handeln darstellt (Rn. 22, 24). Maßgeblich ist allein, dass es eine tatsächliche Nachfrage für die Einräumung der Wegenutzungsrechte gibt (Rn. 25). Der Markt für die Vergabe solcher Rechte ist auch für gleichartige Unternehmen zugänglich (Rn. 27). Schließlich stellt der Bundesgerichtshof fest, dass die Landeshauptstadt Stuttgart kraft ihrer privatautonomen Entscheidungsfreiheit jedenfalls dazu berechtigt war, ein wettbewerbliches Auswahlverfahren für die Wärmekonzession zu starten. Ob sie dazu auch verpflichtet ist, ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen, hat der Bundesgerichtshof hingegen offen gelassen (Rn. 31).

Die Bundesrichter haben insoweit versäumt, die Frage nach der Ausschreibungspflicht von Wärmekonzessionen und ihren Rechtsgrundlagen klar zu beantworten. Dies dürfte einerseits den besonderen Einzelfallumständen in Stuttgart geschuldet sein, wonach zunächst unter Beteiligung des Bundeskartellamtes geklärt werden soll, ob eine Ausschreibungspflicht besteht (Rn. 63). Andererseits erscheint es naheliegend, dass der Bundesgerichtshof vorrangig auf ein strukturiertes wettbewerbliches Verfahren nach den allgemeinen Grundsätzen des Kartellrechts abzielt, weil er wiederholt die „kartellrechtlichen Gründe” (Rn. 31, 50) und die Bedeutsamkeit von § 19 GWB gegenüber den Spezialregelungen für die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen hervorhebt.

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