Bilanzielle Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen nach IFRS: Regeländerungen voraus!

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​​​​​​​​veröffentlicht am 16. Mai 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Das IASB schlägt mit dem Exposure Draft (ED)/2024/1 verschiedene Änderungen der Regeln zur bilanziellen Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen in den IFRS vor. Die Vorschläge betreffen die entsprechenden Angaben sowie die seit jeher kontrovers diskutierte Goodwill-Folgebewertung. Während die Grundkonzeption des „Impairment-Only-Approach” wohl bis auf Weiteres Bestand haben wird, zeichnen sich eine merkliche Ausweitung der Angaben nach IFRS 3 sowie punktuelle Änderungen an IAS 36 ab. Diese dürften das Gesamtgefüge des Goodwill Impairment-Tests beeinflussen und zum Teil mit neuen praktischen Herausforderungen und direkten wie indirekten Kosten einhergehen. Demgegenüber stehen punktuelle Vereinfachungen.1  ​


Hintergrund der vorgeschlagenen Regeländerungen

Der am 14. März 2024 vorgelegte ED/2024/1 bildet nach dem in 2020 veröffentlichten Discussion Paper (DP/2020/1) den jüngsten Meilenstein im IASB-Projekt „Business-Combinations – Disclosures, Goodwill and Impairment”, das seine Ursprünge in dem bereits im Jahre 2013 initiierten Post Implementation Review (PIR) zu IFRS 3 findet und im Jahr 2015 als Forschungsprojekt „Goodwill and Impairment” begann. Die ursprüngliche Motivation des Projekts lag insbesondere in der Vereinfachung und Effektivitätssteigerung der Goodwill-Folgebewertung. Über die Zeit hinweg lassen sich verschiedene Phasen und Schwerpunktsetzungen wie auch eine gewisse Dynamik in den inhaltlichen Schwerpunkten und diskutierten Vorschlägen beobachten. So gewannen im Projektverlauf die Angaben zu Unternehmenszusammenschlüssen nach IFRS 3 an Bedeutung und bilden heute einen zentralen Bereich der Vorschläge. Dieser steht gleichwohl in Wechselwirkung zu den angedachten Änderungen der Goodwill-Folgebewertung nach IAS 36. Die Zielsetzung des Projekts und damit die der vorgeschlagenen Änderungen besteht in der Vermittlung nützlicherer Informationen zu den von Unternehmen getätigten Akquisitionen zu vertretbaren Kosten. Dies soll Investoren bei der Beurteilung der Performance getätigter Akquisitionen und der des Managements unterstützen. 

ED/2024/1: Vorgeschlagene Änderungen im Überblick

Die mit dem ED/2024/1 vorgeschlagenen Änderungen an IFRS 3 und IAS 36 stellen sich im Überblick wie folgt dar:

Angaben zu Unternehmenszusammenschlüssen nach IFRS 3

N​eue Angaben zur Perf​​ormance von Unternehmenszusammenschlüssen:

  • ​​​​​​​​​​​​​​​Angaben zur strategischen Ratio („strategic Rationale” statt der bisherigen „primary Reasons”) für die Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen;
  • Für strategische Akquisitionen („strategic Acquisitions”), die durch quantitative und qualitative Kriterien neu definiert werden:
    - Angaben zu Schlüsselzielen („key Objectives“) und Maßgrößen der Zielerreichung („Targets”) des Managements zum Zeitpunkt der Akquisition;
    - Angaben zu Performance und Zielerreichung nach dem Erwerbszeitpunkt und in Folgeperioden, grundsätzlich solange die interne Überwachung durch das Management tatsächlich erfolgt.


Verbesserungen der bestehenden Angabepflichten des IFRS 3:

  • ​Anpassung und Erweiterungen der übergeordneten Zielsetzung („disclosure Objectives”) der Angaben des IFRS 3;
  • Quantitative und qualitative Angaben zur Höhe (oder Bandbreite) erwarteter Synergien und dem erwarteten Realisierungshorizont (inkl. Kosten der Realisierung), aufgegliedert nach Arten von Synergieeffekten (z.B. Umsatz- oder Kostensynergien);
  • einzelne weitere Spezifizierungen und Klarstellungen sowie Streichungen.


Begründungspflichtige Ausnahmeregelungen für bestimmte Angaben:

  • ​Ausnahmen für Angaben zu erwarteten Synergien, Schlüsselzielen und Maßgrößen sowie zur Zielerreichung nach einem Erwerb, falls Schlüsselziele durch die Angabe erwartbar ernsthaft beeinträchtigt werden könnten und keine andere (z.B. aggregierte) Darstellung ohne Zielgefährdung möglich ist;
  • Ausnahme für die Angaben zur Performance von Unternehmenszusammenschlüssen nach dem Erwerbszeitpunkt, falls keine Überwachung durch das Management erfolgt.

Goodwill-Folgebewertung nach IAS 36:

  • Anpassung der Vorgaben zur Goodwill-Allokation auf Cash-Generating-Units (CGUs) und Ausrichtung an der niedrigsten Ebene (bottom-up), auf der das mit dem Goodwill verbundene Geschäft (statt des Goodwills selbst, wie bislang) für interne Managementzwecke überwacht wird;
  • Angaben zur Zugehörigkeit Goodwill-tragender CGUs zu berichtspflichtigen Segmenten im Sinne des IFRS 8;
  • ​Änderungen in der Ermittlung des Value in Use (VIU):
    - Streichung der Cashflow-Restriktionen hinsichtlich der Berücksichtigung von Zahlungsströmen aus Restrukturierungen und der Verbesserung oder Erweiterung der Leistungsfähigkeit von Vermögenswerten bzw. CGUs;
    - Streichung des Erfordernisses der Ermittlung des VIU auf Vor-Steuer-Basis zugunsten einer unter Wahrung genereller Konsistenzanforderungen offeneren und auch eine Nach-Steuer-Rechnung erlaubenden Regelung

Praxisimplikationen der vorgeschlagenen Änderungen

Änderungen an IFRS 3

Die vorgeschlagenen Änderungen der Angaben nach IFRS 3 dürften in der Gesamtschau zu neuen praktischen Herausforderungen führen. Diese können sich etwa mit Blick auf die Analyse und Disaggregation von Synergieeffekten in neuen, komplexen Bewertungsfragen ausdrücken, die wohl nicht von allen Unternehmen ohne zusätzliche interne oder externe Ressourcen bewältigt werden können. Die Implementierung neuer Angaben zur Performance von Unternehmenszusammenschlüssen stellt zudem hohe Anforderungen an das Akquisitionscontrolling und birgt weitere prozessuale Herausforderungen, etwa hinsichtlich der Integration der entsprechenden Datenanalysen und -aufbereitung in den Konzern-abschlusserstellungsprozess. All dies dürfte bei betroffenen Unternehmen zu zusätzlichen direkten Kosten führen. Aus der Angabe potentiell sensibler Informationen könnten zudem indirekte Kosten folgen. Die vorgesehenen Spezifizierungen bestehender Vorgaben dürften im Sinne der klarstellenden Erleichterung der Anwendung zwar hilfreich wirken, jedoch dienen die angedachten Streichungen einzelner Vorgaben im Wesentlichen der Beseitigung bestehender Redundanzen und führen nicht zu einer echten Reduzierung von Angaben. In welchem Ausmaß die Begrenzung bestimmter Angaben auf entweder qua Volumen oder qua strategischer Relevanz bedeutsame „strategic Acquisitions” die Belastung von Unternehmen durch die Vorschläge auf ein vertretbares Maß reduzieren kann, bleibt für den Fall der Umsetzung abzuwarten. Dies gilt analog für die faktische Nutzbarkeit der vorgesehenen restriktiven und begründungspflichtigen Ausnahmeregelungen in der Praxis, wogegen beispielsweise auch der Marktdruck sprechen könnte.

Änderungen an IAS 36

Die vorgeschlagenen Änderungen an IAS 36 resultieren aus der anhaltenden Kritik am derzeitigen Modell der Goodwill-Folgebewertung, dem Impairment-Only-Approach. Das IASB hält daran unter Verweis auf fehlende zwingende Gründe für eine Umstellung fest. Kritisiert werden insbesondere die Komplexität des Goodwill-Impairment-Tests wie auch dessen wahrgenommene Ineffektivität, die sich in Zweifeln an der Höhe und Zeitnähe von Wertminderungen auf den Goodwill ausdrückt.

Das IASB führt die kritisierte Ineffektivität einerseits auf Kompensationseffekte („shielding”) und andererseits auf überoptimistische Managementannahmen zurück. Wenngleich das IASB letzteres vor allem in der Verantwortung der verschiedenen Akteure der Corporate Governance und nicht zuletzt der Abschlussprüfung sieht, zielen die vorgeschlagenen Änderungen an IAS 36 auf beide Aspekte ab. Die Änderungen an den Vorgaben zur Goodwill-Allokation auf CGUs und die damit verbundene klarstellende Stärkung des bottom-up Gedankens könnte zu tendenziell niedrigeren Testebenen als bislang führen. Die Angabe der Zugehörigkeit Goodwill-tragender CGUs zu berichtspflichtigen Segmenten soll grundsätzlich der Verknüpfung der im Rahmen des Impairment-Tests getroffenen Annahmen mit Segmentinformationen dienen. Dies könnte zur transparenzbedingten Verringerung von Anreizen zur Ausübung bestehender Ermessensspielräume führen. Ähnliche transparenzbedingte Effekte könnten sich auch aus Wechselwirkungen zwischen dem Goodwill Impairment-Test und entsprechenden Angaben sowie den vorgeschlagenen Änderungen der Angaben nach IFRS 3 ergeben, etwa mit Blick auf die an Synergieeffekten orientierte Goodwill-Allokation auf CGUs.

Während die Vorschläge zur Steuerberücksichtigung im Impairment-Test die Regeln an die etablierte Praxis anpassen, eröffnet der angedachte Entfall bislang bestehender Cashflow-Restriktionen Potentiale für eine stärkere Verzahnung der Goodwill-Folgebewertung mit der internen Steuerung und beseitigt praktische Abgrenzungsfragen im Kontext der Ableitung der bewertungsrelevanten Planungsrechnung. Gleichzeitig könnten so neue Ermessensspielräume geschaffen werden, die unter Umständen wiederum dem Gedanken der Effektivitätssteigerung entgegenlaufen könnten. Ferner dürften die vorgeschlagenen Änderungen die konzeptionellen Unterschiede zwischen VIU und Fair Value less Costs of Disposal (FVLCOD) verringern und die beiden Wertkonzepte des IAS 36 dadurch weiter verschwimmen. Dies dürfte in der Folge auch die praktische Abgrenzung erschweren.

Fazit

In der Gesamtschau dürften die vorgeschlagenen Änderungen im Sinne des IFRS-Rahmenkonzepts zu entscheidungsnützlichen Informationen für die Abschlussadressaten führen. Die Ausweitung des sog. „Management Approach”​ wie auch der Entfall bestimmter Cashflow-Restriktionen bei der Ermittlung des VIU könnten hingegen ermessenbedingt potentielle Einschränkungen für die glaubwürdige Darstellung nach sich ziehen. Die vorgeschlagenen Änderungen der Angaben zu Unternehmenszusammenschlüssen dürften oft neue und komplexe Bewertungsfragen ebenso wie prozessual-organisatorische Fragen aufwerfen. Dies kann gegebenenfalls die Schaffung entsprechender Berichtsprozesse und -strukturen wie auch interner oder externer Ressourcen notwendig machen. Hinsichtlich der IFRS-Goodwill-Folgebewertung wirken die zu erwartenden Änderungen insgesamt überschaubar, wenn im Detail jedoch nicht unerheblich für das Gesamtgefüge des Goodwill Impairment-Tests und im Zusammenspiel mit den verschiedenen Änderungen der Angaben womöglich auch für dessen Effektivität.

Von den Regeländerungen (potentiell) betroffene Unternehmen sollten sich zeitnah mit den Vorschlägen des ED/2024/1 und deren Implikationen auseinandersetzen, um möglichen Friktionen vorbeugen und etwaige Bedenken in das weitere Standardsetzungsverfahren einfließen lassen zu können. Die interessierte Öffentlichkeit ist zur Kommentierung der Änderungsvorschläge bis zum 15. Juli 2024 aufgerufen.

 1Der Beitrag basiert auf Mehnert, KoR 2024 S. 106 ff., und ist stellenweise wortgleich von dort übernommen.

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