Deferred Revenues & Haircut: Wie sich nach M&A-Transaktionen Umsätze in Luft auflösen können

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 18. April 2024 | Lesedauer ca. 2​​​​​ Minuten

 

Software-as-a-Service (SaaS)-Unternehmen gelten durch die voranschreitende Digitalisierung und aufgrund ihrer abonnementbasierten Geschäftsmodelle als attraktives Investment. Dies spiegelt sich in einer zunehmenden Anzahl an SaaS-Transaktionen wider. 
 

Mit der Übernahme von SaaS-Unternehmen werden häufig auch Deferred Revenues und entsprechende Contract Liabilities akquiriert, was nicht selten in einer Verfehlung der geplanten Umsatzerlöse nach der Transaktion resultiert, die aus den Regelungen zur Erstbilanzierung im Rahmen von Kaufpreisallokationen (PPA) resultieren. Im nachfolgenden Artikel erläutern wir die Bilanzierung der Deferred Revenues bei Unternehmenszusammenschlüssen und deren bilanzielle Implikationen im Kontext von Kaufpreisallokationen.

Deferred Revenues sind Einnahmen, die ein Unternehmen im Voraus für eine Leistung erhalten hat, die es noch nicht erbracht hat. Deferred Revenues treten bei vielen Unternehmen, aber besonders häufig bei SaaS-Unternehmen auf, da diese oftmals vorschüssig für ihre Dienstleistungen oder Produkte vergütet werden. Wenn ein Kunde beispielsweise ein Drei-Jahresabonnement abschließt, bilanziert das Unternehmen die bei Vertragsabschluss erhalte-ne Zahlung als Contract Liability. Mit der Leistungserbringung wird die Einzahlung nach IFRS15 schrittweise  als Umsatz erfasst und aus den Contract Liabilities ausgebucht (Percentage-of-Completion-Methode). Aus Unternehmenssicht sind Deferred Revenues dahingehend attraktiv, dass sie als Vorfinanzierungskomponente einen negativen Cash-Conversion-Cycle erzeugen können.  
 
Nach IFRS 3 sind Unternehmenszusammenschlüsse nach der Erwerbsmethode zu bilanzieren, d.h. erworbene Vermögenswerte und übernommene Schulden sind zum Erwerbszeitpunkt in Höhe ihres beizulegenden Zeitwerts anzusetzen. IFRS 3 geht nicht konkret auf die Bilanzierung von übernommenen Contract Liabilities bei Unternehmenszusammenschlüssen ein. Abgeleitet aus dem allgemeinen Ansatzprinzip des IFRS 3 hat der Erwerber bei einem Unternehmenszusammenschluss jedoch eine Contract Liability anzusetzen, wenn das erworbene Unternehmen nach dem Erwerb eine Verpflichtung zu erfüllen hat. Im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen ist für jeden Einzelfall individuell zu prüfen, ob eine Neubewertung der Contract Liabilities notwendig ist.

Die Bewertung einer Contract Liability zu ihrem beizulegenden Zeitwert bemisst sich an dem Betrag, den ein unabhängiger Dritter für die Übernahme der Contract Liability zahlen würde. In der Regel wird dieser Betrag bottom-up als Barwert der Zahlungsströme berechnet, die das erwerbende Unternehmen benötigt, um seine Verpflichtung zu erfüllen, zuzüglich einer angemessenen Marge, für die ein Dritter bereit wäre, die Übernahme dieser Verpflichtung zu akzeptieren. Die voraussichtliche Höhe der Kosten zur Verpflichtungserfüllung bemisst sich in der Regel auf der Grundlage einer Schätzung der Kosten, die zur Erfüllung der verbleibenden Laufzeit entstehen werden. In Fällen mit einer äußerst spezifischen Leistungsverpflichtung kann aufgrund einer mangelnden Marktvergleichbarkeit gegebenenfalls eine Neubewertung der zugrundeliegenden Leistungsverpflichtung nicht möglich sein.

Genau durch diesen Bewertungsansatz zum beizulegenden Zeitwert kann es zum sog. Haircut kommen, also zu einem Abschlag auf die Contract Liability des erworbenen Unternehmens und damit verbunden zu einer Verringerung der erwarteten Umsatzerlöse. Sowohl in der Schätzung der erwarteten Kosten als auch in der Ableitung einer (marktvergleichbaren) Marge können Unterschiede zur ursprünglichen Bewertung entstehen. Zum Beispiel wurden Verkaufsanstrengungen bereits vor dem Unternehmenszusammenschluss von dem erworbenen Unternehmen geleistet und die damit einhergehenden Marketingaufwendungen sind bereits zuvor auf Seite des erworbenen Unternehmens angefallen und können somit nicht dem erwerbenden Unternehmen zugerechnet werden. Gleiches kann beispielsweise für Aufwendungen für eine Software-Plattform bei mehrjährigen SaaS-Verträgen gelten. Dementsprechend kann das erwerbende Unternehmen regelmäßig nicht den vollen Betrag der Deferred Revenu-es und der Contract Liability bilanzieren, der noch zum Zeitpunkt des Erwerbs ausgewiesen war.
 
In der Folge können Unternehmen in den Perioden nach einem Erwerb eines Unternehmens mit bilanzierten Deferred Revenues nur eine geringere Contract Liability über die Restlaufzeit auflösen und somit auch nur geringere Umsatzerlöse ausweisen. Dies führt nach Unternehmenszusammenschlüssen nicht selten zu weniger Umsatz und negativen Überraschungseffekten.

Die Anpassung von Deferred Revenues an ihren beizulegenden Zeitwert ist häufig komplex und von einem hohen Maß an Gestaltungsspielraum geprägt. Daher erfordert die Neubewertung von Deferred Revenues eine kritische Auseinandersetzung mit den Umsatzprognosen für das Zielunternehmen sowie den individuellen Gegebenheiten der zugrundeliegenden Transaktion.

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