Private Equity: Ertragsteuerliche Aspekte bei der Besteuerung von Carried Interest Strukturen

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veröffentlicht am 22. August 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Der Carried Interest (kurz: Carry) beschreibt eine kapitaldisproportionalen Gewinnanteil, der als finanzieller Anreiz für die verantwortlichen Investment-Manager bei Private Equity Strukturen gewährt wird. Dieses Themenfeld genießt hohe Praxisrelevanz und führt zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen zu kontroversen Diskussionen (sog. Carry Gesetzgebung). Strittig ist, ob es sich beim Carry um einen disproportionalen Gewinnanteil aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft oder um eine (voll steuerpflichtige) Tätigkeitsvergütung handelt.


Hintergrund

Investoren von Private Equity/Venture-Capital/Hedge-Fonds (sog. Wagnisgesellschaften) sind in der Regel als Personengesellschaften strukturiert. Diese profitieren als Gesellschafter von Dividenden und Gewinnen aus der Verwaltung und der Veräußerung von Kapitalgesellschaften mit kurz- und mittelfristigem Wertsteigerungspotenzial (sog. Portfoliogesellschaften).

 

Die Investoren sind primär für die Kapitalausstattung der Gesellschaft verantwortlich. Dagegen tragen die Initiatoren (Investment-Manager) dazu bei, i.d.R. einen geringen Kapitaleinsatz zu leisten, die operativen Geschäfte zu führen sowie Know-How, Branchenkenntnis und Netzwerk (sog. immaterielle Gesellschafterbeiträge) dem Fonds zur Verfügung zu stellen, um das mit den Investoren abgestimmte Ziel zu erreichen. Bei einem positiven Verlauf (Zielerreichung) profitiert die Fonds-Gesellschaft von ihrer Investition bspw. in Form von Veräußerungsgewin-nen (Exit) an den Portfoliogesellschaften.

 

Ein Teil des Exit-Gewinns kann dabei auf die Initiatoren allokiert werden, um monetäre Anreizstrukturen für die verantwortlichen Manager zu schaffen. Insbesondere kann dies erreicht werden, indem eine Mindestverzinsung für die Investoren (Schwellenwert) festgelegt wird (sog. Hurdle Rate), dessen Überschreitung zur zusätzlichen finanziellen Belohnung, des über die kapitalmäßige Beteiligung hinausgehenden Gewinnanteils an die Initiatoren führt (z.B. 20% des Gewinns aus dem Fonds nach Erreichen einer Vollrückzahlung einschließlich Vorzugsrendite).

 

Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG

§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG befasst sich als Gesetzestatbestand mit der steuerlichen Beurteilung des Carried Interest im Rahmen von vermögensverwaltenden Fonds. Der Carry qualifiziert bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen demnach auf Ebene der Initiatoren als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit.

 

Dabei findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn es sich bei dem Carry um einen erhöhten Gewinnanteil handelt, der von vermögensverwaltenden Wagnisgesellschaften für Leistungen der Initiatoren zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks ausgezahlt wird, nachdem die Investoren ihr eingezahltes Kapital zurückgewährt bekommen haben.

 

Die Fonds-Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, muss mit dem Erwerb, dem Halten und dem Veräußern von Anteilen an Kapitalgesellschaften als Vermögensverwaltung tätig sein. Soweit es sich um eine Beteiligung an einer gewerblichen Gesellschaft (gewerblich tätige, geprägte oder infizierte Personen- oder Kapitalgesellschaft) handelt, findet die entsprechende Carry-Vorschrift keine Anwendung. Ist die Tätigkeit des Fonds nach dem Gesamtbild nicht als reine Vermögensverwaltung einzustufen, werden entsprechende Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert (siehe BFH-Rechtsprechung vom 11.12.2018). Bezogene Gewinne unterliegen dem Teileinkünfteverfahren. Allerdings kann die gewerbliche Qualifikation definitive Gewerbesteuer (ggf. auch nach Anrechnung von § 35 EStG) auslösen.

 

Der Vergütungsanspruch muss unter der Voraussetzung eingeräumt werden, dass die Gesellschafter ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben. Damit einher geht typischerweise auch eine Vorzugsrendite (sog. Wasserfallmodell).

 

Zuletzt muss der Gewinnanteil der Initiatoren kapitaldisproportional über deren kapitalmäßige Beteiligung hinausgehen und erfolgsabhängig (Vorabgewinn) ausgezahlt werden. Diese Vereinbarung muss gesellschaftsrechtlich im Vorfeld schriftlich fixiert werden.

 

Liegen sämtliche Voraussetzungen kumulativ vor, wird der Carry als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit qualifiziert. Die Einkünfte des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG unterliegen dem (privilegiertem) Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40a. EStG und sind damit zu 40% steuerfrei.

 

Rechtsprechung

Bezüglich der Anwendung und Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG bestehen, trotz kodifizierter Vorschrift, allerdings weiterhin Unsicherheiten, da die Finanzverwaltung in Ihrer Auffassung zur Besteuerung des Carrys der Rechtsprechungslinie bisher nicht vollständig folgt.

 

Fraglich ist demnach, ob der Carry als Ergebnisanteil (Ergebnisverteilung) zu qualifizieren sei und somit das steuerliche Schicksal der zugrundeliegenden Einkünfte teilt oder ob der Carry in ein Entgelt für einen Leistungsaustausch, d.h. in eine erfolgsabhängige Tätigkeitsvergütung, umzuqualifizieren sei und damit der vollen Besteuerung zu unterwerfen ist.

 

In zwei Urteilen wurde Klarheit hinsichtlich der zentralen Fragestellung verschafft:

 

BFH-Urteil vom 11.12.2018

In seinem Urteil vom 11.12.2018 stellte der BFH klar, dass weder gewerbliche noch gewerblich geprägte Fonds unter die Vorschrift des § 18 EStG fallen. Der streitige Carry eines gewerblich geprägten Fonds konnte nicht, wie die Finanzverwaltung annahm, als Tätigkeitsvergütung verbucht werden, weil dieser handelsrechtlich nicht als Ausgabe verbucht wurde und der Anspruch erfolgsabhängig ausgestaltet war (erst ab der Überschreitung eines Schwellenwerts wurde der Carry fällig). Somit war der Carry als originärer Gewinnanteil zu qualifizieren (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Alt. 1 EStG) und unterlag in seiner Anwendung auch dem Teileinkünfteverfahren, da auch alle anderen gesetzlichen Prämissen der Carry Vorschrift erfüllt waren.

 

Trotz der klaren Linie, die auch mit der herrschenden Meinung in der Literatur im Einklang steht, erkennt die Finanzverwaltung dennoch die Grundsätze bislang nicht an. Im Rahmen von Betriebsprüfungen bei gewerblichen Wagnisgesellschaften qualifiziert die Finanzverwaltung den Carry, ohne erkennbare Rechtsgrundlage, regelmäßig als voll steuerbare Einkünfte.

 

FG-München-Urteil vom 17.11.2020

In einem weiteren Urteil v. 17.11.2020 stellte auch das Finanzgericht München, entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, fest, dass der Carry erst auf Ebene der Initiatoren in Einkünfte aus selbstständiger Arbeit umzuqualifizieren sei, und somit keine Tätigkeitsvergütung, sondern weiterhin einen Ergebnisanteil darstellt.

 

Die vertretene Ansicht der Finanzverwaltung hatte nicht nur eine andere Qualifikation der Einkünfte zur Folge, sondern hätte in der Praxis bedeutet, dass der Carry doppelt besteuert worden wäre. Zunächst nahm die Finanzverwaltung auf Ebene der Investoren eine Erhöhung des proportional verteilten Gewinnanteils an, da der Carry nicht als Bestandteil des zu verteilenden Gewinns anerkannt wurde. Im zweiten Schritt nahm die Finanzverwaltung eine Zahlung der Investoren an die Initiatoren an und besteuerte diese auf Ebene der Investment-Manager als Tätigkeitsvergütung. Da die Investoren aus Ihrer Beteiligung an den vermögensverwaltenden Fonds regelmäßig Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehen, war ein Abzug der (fingierten) Zahlung an die Initiatoren nicht als Werbungskosten abziehbar (wegen des Sparer-Pauschbetrags).

 

Das Finanzgericht erkannte, wie auch der BFH, jedoch die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung des Carry an und klassifizierte diesen als kapitaldisproportionale Gewinnverteilung, der nur bei den Initiatoren der Besteuerung zu unterwerfen ist. Zudem wurde auch im vorliegenden Fall der Carry nicht als Ausgabe handelsrechtlich ergebnismindernd berücksichtigt und wurde erst ab dem vereinbarten Schwellenwert ausgelöst.

 

Internationaler Aspekt

Im Rahmen der steuerlichen Gestaltungsberatung können Fonds-Strukturen auch mit Auslandsbezug aufgesetzt werden. Dies kann jedoch im Bereich des internationalen Steuerrechts zu gewissen Herausforderungen führen, da die (Um-)Qualifikation des Carrys in Einkünfte aus selbständiger Arbeit ein rein deutsches Konstrukt darstellt. Die Einschlägigkeit der DBA-Klauseln sollten im Vorfeld übergeprüft werden, um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden und ggf. Quellensteuer-Aspekte zu antizipieren.

 

Sollten Fonds-Strukturen ferner in Niedrigsteuerländer wirtschaftlich aktiv sein, sind zudem die (ATAD-Neu-)Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung zu beachten. In diesem Kontext wird ergänzend auf mögliche gewerbesteuerliche Implikationen hingewiesen. Damit gehen zusätzliche und nicht zu unterschätzende Compliance-Pflichten einher. Weiterhin sollte beim Aufsetzen von ausländischen Fonds-Strukturen an eine (mögliche) Meldepflicht nach DAC6 gedacht werden.

 

Fazit

In der Praxis empfiehlt es sich die Anforderungen des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG schon beim Auf-setzen vermögensverwaltender Fonds zu beachten und die erarbeiteten Grundsätze der Rechtsprechung zu berücksichtigen, um ex ante steuerliche Stolperfallen zu vermeiden. Maßgeblich für die steuerliche Qualifikation des Carrys ist die gesellschaftsrechtliche Regelung und deren Ausgestaltung. Der Carry sollte dem Grunde nach als besonderer Ergebnisanteil (Ergebnisverteilung) anzuerkennen sein. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Besteuerung von Carrys nach wie vor zu kontroversen Diskussionen mit der Finanzverwaltung führt.

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