E-Charging – Umsatzsteuerliche Behandlung des Ladevorgangs, Abrechnung und Besteuerungsverfahren im Zeitalter der Digitalisierung

PrintMailRate-it


veröffentlicht am 3. März 2025


Im Zeitalter der Digitalisierung und mit Fortschreiten der Innovation in der Automobilbranche stellen neue, nicht vorhersehbare Geschehen Hindernisse in der steuerlichen Behandlung des Ladevorgangs eines E-Autos an der Ladesäule und dessen korrekte Abrechnung dar. Der Gesetzgeber und auch die Rechtsprechung stehen unter Zugzwang, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und stetig fortzuentwickeln.


Umsatzsteuerliche Rechtslage –​ Ladevorgang

Vereinfachter Sachverhalt


Der Elektrizitätsversorger versorgt die Ladesäulen des Ladestationsbetreibers (sog. Charge Point Operator, kurz nachfolgend „CPO”) mit Strom. Der CPO bietet diese Leistung mit anderen im Zusammenhang stehenden Leistungen an. Dies ist bspw. ein Zugang zu einem Netzwerk an Ladepunkten, das sowohl Echtzeitinformationen über Preise, Standort und Verfügbarkeit als auch Routenplanung zu diesen Ladepunkten zur Verfügung stellt. Diese Art von im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen stellt sog. Dienstleistungselemente dar und funktioniert über eine Steckkarte oder eine elektronische App auf dem Smartphone oder Tablet. Die Nutzung wird beim Mobilitätsbetreiber (sog. E-Mobility Provider, kurz nachfolgend „EMP”) registriert. Der EMP leitet die Leistung an den Verbraucher bzw. den Endkunden weiter. Der Endkunde betankt sein E-Fahrzeug und bezieht ggf. im Zusammenhang stehende Dienstleistungselemente. Teilweise gibt es auch Konstellationen, in denen CPO und EMP personengleich sind.

Umsatzsteuerliche Behandlung


Die umsatzsteuerliche Behandlung dieser Art von Ladevorgängen steckte bis vor Kurzem noch in den Kinderschuhen. Ausgewählte Gründe sind der rasante Wandel und das Fortschreiten technologischer Innovationen im Bereich der Elektromobilität und der Digitalisierung. 

Lange Zeit war es fraglich, inwiefern der Ladevorgang und die zusammenhängenden Dienstleistungselemente umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Allmählich gewinnt dieser Themenbereich zunehmend an Rechtssicherheit und bisherige Rechtslücken werden geschlossen. Sowohl der Mehrwertsteuerausschuss der EU-Kommission als auch der Europäische Gerichtshof (nachfolgend kurz „EuGH”) tragen hierzu federführend bei, um die bisherig uneinheitliche Behandlung der europäischen Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Auch das Bundesministerium der Finanzen (nachfolgend kurz „BMF”) hat erst am 21.1.2025 an der bisherigen steuerlichen Auffassung festgehalten und die bisherige Behandlung für Zwecke der Umsatzsteuer nicht beanstandet. Folglich ändert sich die steuerliche Handhabung in Deutschland nicht.

Konkretisierung der Rechtsprechung durch den EuGH


Bereits seit dem Jahr 2023 befasst sich der EuGH mit diesem Thema und hat die komplexe Leistung, die aus Ladevorgang und Dienstleistungselementen besteht, umsatzsteuerlich als Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (nachfolgend kurz „UStG”) eingeordnet. 
In dieser Rechtssache vom 20.4.2023 ist nicht nur ein Ladevorgang erfolgt, sondern es fand eine technische Unterstützung über eine spezielle Plattform (Webseite oder App-Version) statt. Insofern war es damals fraglich, ob es sich um einen einheitlichen und komplexen Leistungsvorgang handelte oder ob es einzelne, der Umsatzsteuer unterliegende Leistungen waren und wie die technische Einordnung in das UStG erfolgen würde.


Abbildung 1: Sachverhaltsdarstellung des Zwei-Personen-Verhältnisses (eigene Darstellung)

Der EuGH urteilte, dass die Hauptleistung, die Lieferung von Elektrizität zum Aufladen von Elektrofahrzeugen, und die Nebenleistungen, die Erbringung verschiedener Dienstleistungselemente, die mit der Hauptleistung im Zusammenhang stehen, als eine einheitliche und komplexe Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG zu werten sind. Folglich teilen die Nebenleistungen das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung und die weitere Beurteilung des Sachverhalts unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten scheint vereinfacht worden zu sein, da sich die Anzahl zu beurteilender Vorgänge auf einen Vorgang reduziert. Somit gewann das „Zwei-Personen-Verhältnis” mit diesem Urteil eine gewisse Rechtssicherheit dazu. Die Frage zur Behandlung des „Drei-Personen-Verhältnisses” hingegen blieb weiter unbeantwortet.

Aufgrund dessen, dass einige Fragen offen blieben, sah sich der EuGH gezwungen, diese Rechtslücken nun zu schließen und am 17.10.2024 ein neues Urteil, vor allem im Hinblick auf die viel diskutierte Sachverhaltskonstellation eines Drei-Personen-Verhältnisses, zu erlassen.


Abbildung 2: Sachverhaltsdarstellung des Drei-Personen-Verhältnisses (eigene Darstellung)

Der EMP gewährt Nutzern von E–Fahrzeugen Zugang zu einem Netzwerk an Ladepunkten, das sowohl Echtzeitinformationen über Preise, Standort und Verfügbarkeit als auch Routenplanung zu diesen Ladepunkten zur Verfügung stellt. All das funktioniert über eine Karte oder eine App. Wird diese beim Ladevorgang durch den Nutzer benutzt, wird dieser Vorgang beim CPO registriert.

Der CPO wird im Rahmen eines Kommissionsvertrags im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. c MwStSystRL im eigenen Namen, aber für Rechnung des Nutzers tätig. Die Abrechnung erfolgt vom CPO an den EMP und zwischen EMP und Nutzer monatlich jeweils getrennt.

Die tatsächliche Lieferung von Elektrizität durch den EMP an den Nutzer unterscheidet sich nicht von der Lieferung von Elektrizität durch den CPO an den EMP.

Insoweit wurde Klarheit bezüglich der Einordnung von Ladevorgängen im Drei-Personen-Verhältnis geschaffen. Es kann eine Lieferkette vorliegen. Jedoch bleibt offen, ob das Dienstleistungselement als Nebenleistung der Stromlieferung anzusehen ist oder nicht. Der EuGH weist darauf hin, dass im Gegensatz dazu beim Zwei-Personen-Verhältnis die Abrechnungsmodalitäten als wesentliches Kriterium geprüft werden müssen. Auch die Behandlung für Zwecke der Abrechnung wurde bislang stiefmütterlich behandelt und nur schemenhaft dargestellt. Wie sich hier die Rechtsverhältnisse in Zukunft gestalten und ob die restlichen Rechtslücken geschlossen werden können, bleibt ausständig.

Abrechnung

Ladevorgang als Lieferung ohne EMP

Dies ist wohl der Grundfall des einfachen Ladevorgangs des E-Autos. Hierbei handelt es sich um eine inländische Stromlieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG, die im Inland steuerbar ist. Der Ort der Lieferung richtet sich nach 
§ 3g Abs. 2 S. 1 UStG. Egal, ob die Stromlieferung an einen anderen Unternehmer i. S. d. UStG oder an Privatkunden erfolgt, wird die Rechnung mit der in Deutschland gesetzlich gültigen Umsatzsteuer i. H. v. 19 Prozent gestellt und der CPO hat die Verpflichtung, die Umsatzsteuer an sein zuständiges Finanzamt abzuführen.

Ladevorgang als Lieferung mit EMP


Dies ist das klassische „Drei-Personen-Verhältnis”. Der EMP gilt als Wiederverkäufer von Strom. Hierbei handelt es sich um eine inländische Stromlieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG, die im Inland am Sitz des EMPs steuerbar ist. Der Ort der Lieferung richtet sich nach § 3g Abs. 2 S. 1 UStG. Da hier der EMP gem. § 13b Abs. 5 S. 4 UStG der Steuerschuldner ist, stellt dieser die Rechnung ohne die gesetzlich gültige Umsatzsteuer. Der EMP hat die Verpflichtung, die Umsatzsteuer an das zuständige Finanzamt abzuführen, kann aber die Vorsteuer aufgrund des 
§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG geltend machen.

Ladevorgang als Lieferung an den Kunden, Dienstleistung des EMPs an den CPO 


Die Stromlieferung stellt eine Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG, die im Inland steuerbar ist, dar. Der Ort der Lieferung richtet sich nach § 3g Abs. 2 S. 1 UStG. Egal, ob die Stromlieferung an einen anderen Unternehmer i. S. d. UStG oder an Privatkunden erfolgt, wird die Rechnung mit der in Deutschland gesetzlich gültigen Umsatzsteuer i. H. v. 19 Prozent gestellt und der CPO hat die Verpflichtung, die Umsatzsteuer an sein zuständiges Finanzamt abzuführen.

Die Dienstleistung ist am Ansässigkeitsort des CPOs gem. § 3a Abs. 2 UStG steuerbar. Sofern EMP und CPO nun im Inland ansässig sind, ist der EMP Steuerschuldner und die Rechnung an den CPO wird mit der gesetzlich gültigen Umsatzsteuer ausgewiesen. Sind EMP oder CPO, oder gar beide Parteien, im Ausland ansässig, ist der CPO als Leistungsempfänger Steuerschuldner und die Rechnungsstellung an den CPO erfolgt mit Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren ohne den Ausweis der gesetzlich gültigen Umsatzsteuer.

Ladevorgang als Lieferung an den Kunden, Dienstleistung des EMPs an den Nutzer 


Die Stromlieferung stellt eine Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG, die im Inland steuerbar ist, dar. Der Ort der Lieferung richtet sich nach § 3g Abs. 2 S. 1 UStG. Egal, ob die Stromlieferung an einen anderen Unternehmer i. S. d. UStG oder an Privatkunden erfolgt, wird die Rechnung mit der in Deutschland gesetzlich gültigen Umsatzsteuer i. H. v. 19 Prozent gestellt und der CPO hat die Verpflichtung, die Umsatzsteuer an sein zuständiges Finanzamt, abzuführen.

Im Hinblick auf die Dienstleistung des EMPs an den Nutzer muss unterschieden werden, ob diese an einen anderen Unternehmer oder an eine Privatperson erfolgt. Auch die Ansässigkeit spielt eine Rolle bei der weiteren Einordnung.


Abbildung 3: Systematische Einordnung der Dienstleistung des EMPs an den Nutzer (eigene Darstellung)

Besteuerungsverfahren und ein Ausblick auf das Digitale Zeitalter

Sobald einer der Beteiligten solcher Ladevorgänge und Bereitstellung elektronischer Dienstleistungselemente auch im Ausland ansässig ist, ändert sich die steuerliche Handhabung.

Daher wurde in den letzten Jahren angestrebt, den Themenbereich der „auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistung” zu erweitern und weiterhin rechtssicher zu prägen.
Im Bereich der B2B-Geschäftsvorfälle, also wenn ein Unternehmer an einen anderen Unternehmer nicht nur Strom, sondern auch ein elektronisches Dienstleistungselement verkauft, ist dies weiterhin ein Fall der sog. § 13b UStG-Umsätze.

Im Bereich der B2C-Geschäftsvorfälle wird aktuell die Anwendung des OSS-Verfahrens redlich diskutiert. Dieses Verfahren wurde als zweite Erweiterungsstufe eingeführt. Ab dem 1.4.2021 bzw. vollständig ab dem 1.7.2021 wird das bisherige MOSS-Verfahren zum sog. OSS-Verfahren umgewandelt (gesetzlich geregelt in den §§ 18i-18k UStG). Es wird auf weitere Leistungen ausgeweitet, wie die sog. B2C-Dienstleistungen, innergemeinschaftliche oder EU-Fernverkäufe von Gegenständen an Nichtunternehmerkunden sowie auf bestimmte inländische Lieferungen von Gegenständen. Daraus resultiert eine Änderung in der umsatzsteuerlichen Behandlung – auch für die sog. Dienstleistungselemente des im Ausland ansässigen EMPs.

Die Teilnahme am OSS-Verfahren im Bereich dieser B2C-Umsätze kommt nur in Betracht, wenn der leistende Unternehmer im Leistungsland nicht ansässig ist und der Gesamtbetrag der Entgelte der sonstigen Leistungen 10.000 Euro nicht überschreitet und kann einen administrativen Aufwand seitens des Leistenden für die Umsatzsteueranmeldungspflicht aufgrund der Zentralisierung am Bundeszentralamt für Steuern enorm reduzieren.

Gerade diese digitale Komponente des Ladevorgangs von E-Autos wurde zwar im Jahr 2021 weitreichend reformiert, jedoch resultieren aus dieser recht jungen Gesetzeslage noch einige Rechtsunsicherheiten bezüglich der Behandlung vor allem im Hinblick auf die Handhabung der B2C-Geschäftsvorfälle. Die aktuellen Entwicklungen hören sich Anfang 2025 jedoch sehr vielversprechend an und die erwartete Reform durch das „Paket für eine faire und einfache Besteuerung” wird das Umsatzsteuerrecht noch einmal auf den Kopf stellen. Dadurch werden sich die Türen für eine umfassende gesetzliche Erleichterung in der Besteuerung des Onlinehandels auch im Hinblick auf die Handhabung der „digitalen Nebenleistungen” der Stromlieferung öffnen und wir erwarten gespannt diese Rechtsentwicklung.

Wir beraten Sie gerne und beantworten Ihre Fragen.​


Erfahren Sie mehr über unsere Beratungsleistungen im Bereich:

Banner Energiewirtschaft   

 

Sie haben eine Frage zum Thema?
Dann nehmen Sie jetzt Kontakt auf und unsere Experten melden sich umgehend bei Ihnen! ​


Anrede
Titel
Vorname
Nachname
Branche
Firma
Straße/Hausnummer
PLZ
Ort
Land
Telefon
E-Mail *
Frage *
Datenschutzerklärung *

Einwilligung

Helfen Sie uns, Spam zu bekämpfen.


Captcha image
Show another codeAnderen Code generieren



AUS DEM NEWSLETTER

Kontakt

Contact Person Picture

Marcel Reinke

Rechtsanwalt, Steuerberater

Associate Partner

+49 911 9193 - 3685

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Lena Rummel

Steuerassistentin

+49 911 9193 1226

Anfrage senden

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu