Update: Neue EU-VO zum Arzneimittelrecht (EU VO 535/2014, CRT) – Fristen und Konsequenzen für klinische Prüfungen

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​veröffentlicht am 30. November 2022

 

Seit dem 31.01.2022 gilt die neue EU- Verordnung 536/2014 (Clinical Trial Regulation, CTR). Sinn und Zweck der Einführung  der Verordnung war die Harmonisierung der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln in der gesamten EU durch einheitliche gesetzliche Anforderungen sowie Bewertungs- und Überwachungsverfahren.

 

Die neue Verordnung löst damit unmittelbar die vorherige EU-Richtlinie über klinische Studien (EG) Nr. 2001/20/EG ab. Für eine Zeitraum von 3 Jahren gelten allerdings Übergangsvorschriften, sodass derzeit bei der Anmeldung einer klinischen Studie noch das Wahlrecht besteht, ob diese nach der Europäischen Richtlinie oder nach der CTR registriert werden soll. Der Beitrag informiert allgemein über den Rechtsrahmen, Fristen, Optionsmöglichkeiten und wichtige Entscheidungskriterien bei der Ausübung des Optionsrechts. 


1. Hintergrund zur Neuregelung

 

Die neue CTR hebt die Europäische Richtlinie 2011/20/EG auf, welche 2004 erstmalig das Autorisierungsverfahren klinischer Prüfungen mit Humanarzneimitteln in der EU harmonisiert hatte. Die CTR wirkt als Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten und soll so eine weitergehende Harmonisierung gegenüber der vormaligen Richtlinie bewirken. Durch die CTR wird das Genehmigungsverfahren vereinheitlicht und es werden einheitliche europäische Assessments bei multinationalen klinischen Prüfungen eingeführt. Jeder Mitgliedstaat erteilt jedoch weiterhin nationale Genehmigungen für die Prüfungen auf seinem Gebiet.

 

Die CTR soll insbesondere für verfahrensrechtliche Änderungen sorgen, indem ein elektronisches Portal zur Antragstellung und Genehmigung eingeführt wurde. So erfolgt die Antragstellung und Genehmigung von Studienanträgen, wie auch die Studienüberwachung und die Umsetzung der Transparenzvorgaben zukünftig vollständig papierlos und elektronisch über das gemeinsame europäisches Portal für klinische Prüfungen (Clinical Trials Information System- CTIS) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Letztlich wird jegliche Kommunikation während des gesamten Verfahrens ausschließlich über das CTIS geführt. Entsprechend der Transparenzvorschriften der CTR macht die EMA die gespeicherten Informationen zu den klinischen Prüfungen öffentlich zugänglich (ausgenommen vertrauliche Informationen wie persönliche Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, vertrauliche Mitteilungen zwischen den Mitgliedstaaten).

 

2. Fristen

 

Für einen Zeitraum von 3 Jahren- nach Beginn der Geltungsdauer der CTR, somit bis zum 31.01.2025, sind zunächst Übergangsvorschriften zu beachten, sodass in dieser Zeit die Durchführung von Studien auch weiterhin noch nach der Richtlinie erfolgen kann. Auch gegenwärtig haben Sponsoren von klinischen Prüfungen noch bis zum 31.01.2023 das Wahlrecht, ob sie ihre Genehmigungsanträge gemäß der alten Rechtslage (Richtlinie über klinische Prüfungen und dem Sechsten Abschnitt des Arzneimittelgesetzes über nationale Einreichungsverfahren) oder gemäß der CTR (dann über das CTIS) einreichen wollen.

Bereits laufende Verträge können zwar ebenfalls bis 31.01.2025 nach der Richtlinie fortgeführt werden. Alle klinischen Prüfungen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet/ abgemeldet worden sind, müssen dann aber rechtzeitig auf die CTR angepasst werden. Dafür ist es notwendig rechtzeitig einen Antrag auf Übertragung zu stellen, damit die Prüfung zu keinem Zeitpunkt genehmigungslos ist, was den Abbruch der Studie zur Folge haben dürfte.

 

Ab dem 31.01.2023 wird die Einreichung von Anträgen über klinische Erstprüfungen über das CTIS soadann obligatorisch.

 

3. Änderungen durch Einführung der VO

 

Wer bisher einen Antrag für eine klinische Prüfung stellen wollte, der musste diesen in jedem Land separat einreichen. Dies wird nun durch die neue Verordnung vereinfacht, indem es mit einem Antrag Genehmigungen in bis zu 30 EU und EWR-Ländern (Island, Liechtenstein und Norwegen) geben kann.  Ermöglicht wird dies durch die Einführung des Informationssystems für klinische Prüfungen/ CTIS. Das CTIS-Portal wird dabei durch die Einführung der Verordnung zur zentralen Anlaufstelle für Forscher und Unternehmen, um klinische Prüfungen in der EU durchzuführen.

 

Das deutsche Arzneimittelgesetz (AMG) und andere deutsche Rechtsvorschriften sind jedoch weiterhin gültig, da dort über den Bereich der klinischen Prüfungen hinaus noch andere Regularien enthalten sind. Durch das „4. Änderungsgesetz” (Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften) wurden bereits zuvor Paragraphen des AMG und anderer einschlägiger Rechtsvorschriften, die die klinische Prüfung, Prüfarzneimittel u.a. betreffen, geändert, indem Passagen aus der CTR übernommen oder der Wortlaut entsprechend der CTR angepasst wurde. Lediglich die GCP- Verordnung wurde zum 28.01.2022 außer Kraft gesetzt. Wobei allerdings während der Übergangsphase (von 3 Jahren) weiterhin auf diese zurückzugreifen ist, soweit die Anmeldung der Studie nach alter Rechtslage erfolgte.

 

Außerdem wurden die Fristen für Bewertungsverfahren durch Behörde und Ethikkommission geändert. Mit Einführung der Verordnung hat der Antragsteller künftig nur noch eine Frist von 12, anstatt von bisher 90 Tagen zur Beantwortung inhaltlicher Mängelschreiben. Somit besteht die Gefahr, dass bei aufwändigeren inhaltlichen Mängeln nur die Option verbleibt, den Antrag noch rechtzeitig zurückzuziehen, da der Antrag ansonsten abgelehnt würde.

 

Weiterhin wurden durch die CTR begriffliche Änderungen vorgenommen. So wurde die Begrifflichkeit des „Sponsors” neu definiert, der Begriff „Leiter der klinischen Prüfung” taucht demgegenüber gar nicht mehr in der CTR auf, sondern wird durch den Begriff „Hauptprüfer” ersetzt (Art. 2 Nr. 16 CTR). Für die Prüferqualifikation ist außerdem gem. Curriculum der Bundesärztekammer und des Arbeitskreises der deutschen Ethikkommissionen vom April 2022 ein sog. Grundlagenkurs für Mitglieder eines Prüfungsteams bei klinischen oder sonstigen klinischen Prüfungen oder Leistungsstudien nach der CTR eingeführt worden.

 

4. Datenschutz

 

Problematisch könnte die Anwendung der CTR hinsichtlich des Datenschutzes sein. Denn im CTIS- Portal sollen alle notwendigen Dokumente und Prozesse (Anträge und Genehmigungen) gespeichert werden und die EMA wird diese gespeicherten Daten laut der CTR für jede Studie öffentlich zugänglich machen.

Naturgemäß werden bei jeder klinischen Studie zwangsläufig auch personenbezogene Daten erhoben (größtenteils nach Art. 9 DSGVO, also persönliche Daten wie  Gesundheitsdaten, genetische und biometrische Daten, Daten zur ethischen Herkunft oder sexuellen Orientierung). Daher bestimmen  Art. 58 Abs. 1, Art. 93 und der Erwägungsgrund 76 der CTR, dass für die Verarbeitung der Daten die geltenden Datenschutzgesetze  zu beachten sind.

 

Die Speicherdauer der Daten muss  für den Master File 25 Jahre betragen (Art. 58 Abs. 1 CTR), für Patientendaten ist demgegenüber das nationale Recht anzuwenden. Sodass auch bei Anwendung der CTR weiterhin die DSGVO gilt  und  die Grundsätze von Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung sowie Informationspflichten der verantwortlichen Stelle/n einzuhalten sind.

 

5. Ausblick

 

Durch das Inkrafttreten der CTR und der Abwicklung über CTIS wird Europas internationale Position als attraktiver Standort für klinische Prüfungen gestärkt und der Fortschritt der Medizin gefördert. Außerdem wird die Durchführung der Beantragung und Überwachung dieser Prüfungen vereinfacht sowie die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch von beteiligten Unternehmen, Behörden, Ethik- Kommissionen und behandelnder Einrichtungen erleichtert.

 

Es gibt folglich national nur noch eine zuständige Ethikkommission, sodass bei Multicenterstudien in Deutschland Aufwand und Kosten durch die Einreichung bei mehreren deutschen Ethikkommissionen entfallen. Ein möglicher Nachteil könnte diesbezüglich jedoch sein, dass die klinische Prüfung nach einem Geschäftsverteilungsplan zugeteilt wird, also die Zuteilung mehr oder weniger vom Zufall abhängig ist und nicht wie zuvor an die örtlich bekannte Kommission gebunden ist.

 

Soweit die Laufzeit der klinischen Prüfung über den 31.01.2025 hinaus feststeht, muss bedacht werden, dass das Übertragungsverfahren auf die neue Genehmigung einschließlich Bewertungsprozess bis zum 31.01.2025 durchgeführt werden muss. Der Bewertungsprozess durch die Behörde und die Ethikkommission (nach alter Rechtslage) kann inklusive Nachforderungen bis zu 91 Tage dauern. Es wird daher dringend empfohlen die Unterlagen für die Übertragung in die CTR rechtzeitig, am besten vor August 2024 fertigzustellen und einzureichen, damit vermieden wird, dass die Studie mit Ablauf des 31.01.2025 keine Genehmigung mehr hat, da dies ihren sofortigen Abbruch zur Folge hätte. Insgesamt sollte berücksichtigt werden, dass eventuelle Risiken einer fehlenden Genehmigung bei der Wahl des Optionsrechts in die Abwägung einzubeziehen sind.


 


 

Quellen:

 

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