„Notarzt-Urteil” des Bundessozialgerichts vom 19.10.2021 und seine weiteren Folgen

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​veröffentlicht am 31. Januar 2022

 

Wie bereits in einer unserer letzten Ausgaben dargelegt, hat das Bundessozialgericht mit Datum vom 19.10.2021 entschieden, dass eine notärztliche Tätigkeit sozialversicherungspflichtig ist. Während wir im letzten Artikel die Entscheidungsgründe dargestellt haben, erörtern wir vorliegend die weiteren möglichen rechtlichen Folgen.

 

Das Bundessozialgericht ist seinem Kurs gefolgt und hat die Nebentätigkeit als Notarzt als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Damit folgt es seiner Linie der bisherigen Rechtsprechung, welche immer strengere Anforderungen an eine Selbstständigkeit zu stellen scheint.

 

Mit diesem Urteil ergeben sich aber Folgeprobleme, für welche nachfolgend sensibilisiert werden soll.

 

1. Zu erwartende Herausforderungen durch das Arbeitszeitgesetz

Die Nebentätigkeit als Notarzt fällt durch die Einordnung durch das BSG nun auch unter das Arbeitszeitgesetz, das bedeutet, die summierte wöchentliche Arbeitszeit darf die maximal gesetzlich zugelassene nicht überschreiten. Diese liegt aktuell bei 48 Stunden je Woche. Bei einer Überschreitung könnte es bei beiden Arbeitgebern zu versicherungsrechtlichen Problemen kommen.

 

Es bleibt abzuwarten, ob hier eventuell eine Ausnahmeregelung geschaffen wird, da wohl hierdurch die Versorgungsengpässe gerade in ländlichen Regionen noch verstärkt werden dürften.

 

2. Anwendbarkeit des § 23 c Abs. 2 SGB IV

Das Bundessozialgericht hat hingegen ausdrücklich offen gelassen, ob § 23 c Abs. 2 SGB IV hier Anwendung findet. Dieses ergibt sich aus dem Umstand, dass hier ausschließlich über Fälle entschieden wurde, die aus der Zeit vor dem Jahr 2017 stammen. Gemäß § 118 SGB IV gilt § 23 c Abs. 2 SGB IV nicht für Einnahmen aus einer vor dem 11.04.2017 vereinbarten Tätigkeit als Notarzt.

 

§ 23 c Abs. 2 bestimmt, dass Einnahmen aus Tätigkeiten als Notarzt dann nicht beitragspflichtig sind, wenn diese Beschäftigung entweder
  • neben einer Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
  • neben einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt werden.

 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entfällt auch die Meldepflicht.

 

Es ist somit nach unserer Auffassung in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Vereinbarung zur Tätigkeit als Notarzt vor dem 11.04.2017 geschlossen wurde. Ist dies der Fall besteht für die Tätigkeit eine Sozialversicherungspflicht. Es sind hier ferner etwaige Nachmeldefristen, die durch das Urteil entstehen könnten, zu beachten.

 

Bei Tätigkeiten, die nach dem 11.04.2017 begründet worden sind, dürfte § 23 c Abs. 2 SGB IV greifen. Damit besteht für diese weder eine Sozialversicherungs- noch eine Meldepflicht.

 

3. Eventuelle Arbeitnehmerüberlassung

Zumindest bei durch Kliniken entsandten Notärzten könnte die Problematik der Arbeitnehmerüberlassung entstehen. § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz stellt für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung auf die Eingliederung in den Betrieb und die Weisungsgebundenheit ab. Aufgrund derselben Merkmale hat das Bundessozialgericht eine selbstständige Tätigkeit eines Notarztes abgelehnt. Es muss somit im Einzelfall geprüft werden, ob es gegebenenfalls einer Genehmigungspflicht bedarf oder ob eventuell eine Ausnahmeregelung zur Anwendung kommen kann. Dieses müsste jedoch für den individuellen Einzelfall erfolgen.

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