Neue Urteile zum Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei Ein-Schiff-Gesellschaften

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Von Hannes Zerbin, Rödl & Partner Hamburg
 
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist jeder stehende Gewerbebetrieb gewerbe­steuerpflichtig, soweit er im Inland betrieben wird. Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes.
 
Der Beginn und das Ende der sachlichen Gewerbesteu­erpflicht eines Unternehmens sind von der Rechtsform abhängig. Bei Personengesellschaften beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht in dem Zeitpunkt, in dem erstmals alle Voraussetzungen des Gewerbebetriebes (§ 15 Abs. 2 EStG) erfüllt sind. D.h. erst die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der Personengesellschaft lässt diese in vollem Umfang gewerbesteuerpflichtig werden. Gegenstand der Gewerbesteuer ist daher nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistung entstandene Gewinn.
 
Wie das Finanzgericht Hamburg mit Urteil vom 11. April 2013 (Az. 6 K 113/12) entschieden hat, gilt dies auch für eine Kommanditgesellschaft, an der ausschließlich eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt und zur Geschäftsführung befugt ist (gewerblich geprägt im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Klägerin in diesem Verfahren war eine Ein-Schiff-Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand in dem Erwerb und in dem Betrieb von Seeschiffen sowie allen damit in Zusammenhang stehenden Geschäften und Tätigkeiten sowie ggf. die Veräußerung von Seeschiffen bestand. Die Klägerin, eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG, schloss in 2004 einen Schiffbauvertrag mit einer Werft ab. Das Schiff sollte durch die Ein-Schiff-Gesellschaft betrieben werden. In 2007, noch vor Fertigstellung des Schiffes, verkaufte sie das Schiff. Streitig war, ob die von der GmbH & Co. KG erklärten Verluste aus Gewerbebetrieb als vortragsfähiger Gewerbeverlust festzustellen sind.
 
Das Finanzgericht hat in diesem Fall entschieden, dass die GmbH & Co. KG in der Zeit vor Ablieferung des Schiffes nicht gewerbesteuerpflichtig war. Da vor Ablieferung kein Gewerbebetrieb besteht, kann auch kein Gewerbeverlust entstehen. In der Zeit vor Ablieferung befand sich die Gesellschaft somit in der gewerbesteuerbefreiten Vorbereitungsphase. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft beginnt nicht bereits mit der Verwirklichung der in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG genannten Tatbestandsvoraussetzungen, sondern erst mit Beginn der werbenden Tätigkeit.
 
Gibt eine Ein-Schiff-Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb und Betrieb eines Seeschiffes ist, diese Absicht während der Vorbereitungsphase (also noch vor Fertigstellung) auf, tritt nach Auffassung des Finanzgerichtes Hamburg auch dann nicht in die sachliche Gewerbesteuerpflicht ein, wenn sie sich dazu entschließt, den bereits abgeschlossenen Bauvertrag zu erfüllen und das fertige, betriebsbereite Schiff an eine andere Ein-Schiff-Gesellschaft veräußert (Urteil vom 11. April 2013, Az. 6 K 185/11).
 
Auch in diesem Urteil hatte eine Ein-Schiff-Gesellschaft einen Bauvertrag über ein Seeschiff mit einer Werft geschlossen. Innerhalb der Bauphase – also innerhalb der gewerbesteuerbefreiten Vorbereitungsphase – wurde das Schiff aus konzeptionellen Gründen an eine Schwestergesellschaft veräußert. Das Schiff sollte jedoch wie geplant gebaut und erst später übergeben werden. Das Finanzamt war nunmehr der Auffassung, die Ein-Schiff-Gesellschaft habe ihren Gesellschaftszweck, den Betrieb des Schiffes, geändert und sie beabsichtige nun die Veräußerung des Schiffes. Bei der Ein-Schiff-Gesellschaft handelte es sich ebenfalls um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft. Daher genüge für die Annahme einer gewerblichen Betätigung jede mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene werbende Tätigkeit (siehe oben).
 
Das Finanzgericht folgte hier der Ansicht der Ein-Schiff-Gesellschaft und entschied, dass es zum Eintritt in die sachliche Gewerbesteuerpflicht nur dann kommt, wenn die Gesellschaft entweder zeitlich nach der Ablieferung des Schiffes eine neue werbende Tätigkeit aufnimmt oder wenn sie während der „Abwicklung” des nicht begonnenen Schiffsbetriebs eine sachlich davon unabhängige werbende Tätigkeit ausübt, etwa indem sie gegen eine Vergütung zusätzliche Dienstleistungen übernimmt oder das zu veräußernde Schiff wesentlich verändert bzw. „veredelt”.
 
In diesem Fall war die Gesellschaft noch während der gewerbesteuerfreien Vorbereitungsphase zur ebenfalls
gewerbesteuerfreien („allmählichen”) Abwicklung übergegangen. Eine sachliche Gewerbesteuerpflicht ist nicht eingetreten. Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IV R 21/13 eingelegt worden.

Kontakt

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Hannes Zerbin, LL.M. (London)

Diplom-Wirtschaftsjurist (Univ.)

+ 49 40 2292 975 14

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