Rechtliche Herausforderungen der kommunalen und staatlichen Pressearbeit – Ein Überblick (Teil 1)

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​​​​​​​​​​veröffentlicht am 2. Januar 2025


Das Presserecht macht auch vor den Kommunen, Landkreisen und staatlichen Behörden nicht halt. Dies verdeutlicht ein aktuelles Urteil des ​​​​​​Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil v. 26.9.2024 – I ZR 142/23), in dem die Karlsruher Richter entschieden haben, dass ein Landkreis keine Stellenanzeigen lokaler Unternehmen kostenlos auf seinem Online-Portal anbieten darf. Dies stelle einen Verstoß gegen die Staatsferne der Presse dar, weshalb der gegen den Landkreis geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet sei.

Doch nicht nur die Staatsferne der Presse muss von Landkreisen, Kommunen und staatlichen Behörden beachtet werden. Weitere Fallstricke bestehen regelmäßig im Zusammenhang mit den Äußerungsbefugnissen von Hoheitsträgern, wie ein Urteil aus dem Jahr 2017 zeigt. Hier forderte ein Oberbürgermeister während einer Versammlung der islamfeindlichen „Dügida”-Bewegung dazu auf, die Beleuchtung städtischer Gebäude auszuschalten. Dieser Appell wurde vom Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig eingestuft (BVerwG, Urteil v. 13.09.2017 –​ 10 C 6.16).

Auch die Informationsbeschaffung durch Presse, Rundfunk und digitale Medien betrifft alle Hoheitsträger. Diese sind eine wichtige Informationsquelle. Sie stehen aber regelmäßig vor Herausforderungen, wenn Vertreter der Medien Informations- oder Zugangsansprüche geltend machen. Es stellt sich die Frage, ob die angesprochene Stelle überhaupt auskunftspflichtig ist und falls ja, welche Auskünfte zu erteilen sind, oder ob Auskunftsverweigerungsrechte einer Informationserteilung entgegenstehen. 

In diesem ersten Teil unseres Überblicks wollen wir das Gebot der Staatsferne der Presse und die Äußerungsbefugnisse von Hoheitsträgern betrachten und dabei insbesondere ein Augenmerk auf aktuelle Probleme und Entwicklungen in der Rechtsprechung legen. 

In einem zweiten Teil, der in der nächsten Ausgabe des Newsletters erscheinen wird, werden wir uns mit den medienrechtlichen Informationsansprüchen gegen Behörden und den Zugangsansprüchen nach den Informationsfreiheitsgesetzen befassen.

Was bedeutet eigentlich „Staatsferne der Presse”?

​Die Pressefreiheit ist in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verankert und garantiert das Institut der freien Presse. Hieraus ergibt sich das Gebot, die Presse frei von staatlichen Einflüssen zu halten. Nur so kann die Presse ihre Aufgabe als „public watchdog” erfüllen. Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staats und für die Meinungsbildung in einer Demokratie unentbehrlich. Die Presse steht als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten Vertretung. Darüber hinaus lässt das Gebot der Staatsferne der Presse eine pressemäßige Betätigung von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben und nur insoweit zu, als die Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gefährdet wird.

Die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit von Gemeinden und Landkreisen steht damit in einem Spannungsverhältnis zwischen dem – eventuell auch seitens der Bevölkerung geäußerten – Wunsch nach einer möglichst umfassenden Informationstätigkeit einerseits und dem Schutz der freien Presse andererseits. Eine ausufernde hoheitliche Öffentlichkeitsarbeit birgt Gefahren für die Neutralität der Kommunikationsprozesse. Umgekehrt ist es Aufgabe der Hoheitsträger ihre Tätigkeit zu erläutern. Daher dürfen und sollen Kommunen und Landkreise kommunale Öffentlichkeits- und Informationsarbeit leisten. Dies wird ihnen durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) gewährleistet. Dabei unterliegen sie jedoch zwei wesentlichen Einschränkungen:

a) Die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit muss orts- und aufgabenbezogen sein.
b) Die Staatsferne der Presse muss berücksichtigt werden.

Orts- und Aufgabenbezug der Öffentlichkeits- und Informationsarbeit

​Ausgangspunkt für den Orts- und Aufgabenbezug der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ist die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG). Demnach dürfen die Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung regeln. Auf diesen Aufgabenbereich ist das Informationshandeln der Gemeinden jedoch auch beschränkt. Gemeinden und Landkreise dürfen in diesem Rahmen beispielsweise eigene Online-Portale für ihr Gebiet anbieten oder ein Stadtblatt herausgeben, soweit auch die weitere Voraussetzung der Staatsferne der Presse erfüllt wird.

Staatsferne der Presse

​Aus dem Gebot der Staatsferne der Presse ergibt sich konkret für die Gemeinden die Einschränkung, dass das kommunale Presseerzeugnis kein „funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung” darstellen darf. Die Staatsferne der Presse verlangt unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer vom Volk ausgehenden Meinungsbildung sowie des staatlichen Sachlichkeitsgebots, dass sich die Gemeinde in ihren Publikationen grundsätzlich wertender oder meinungsbildender Elemente enthält und sich auf Sachinformationen beschränkt. Dazu gehört auch, dass sich gemeindliche Publikationen keiner (boulevard-)pressemäßigen Illustration bedienen und das Layout nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestalten dürfen, um schon den Eindruck eines freien, von einem privaten Unternehmen stammenden Presseerzeugnisses zu vermeiden. Behördliche Publikationen müssen eindeutig als solche erkennbar sein; andernfalls wird die Unabhängigkeit der Informationsfunktion der Presse gefährdet. Bezogen auf den Inhalt einer gemeindlichen Publikation besteht ein Bereich des in jedem Fall zulässigen Informationshandelns durch die Kommune, der die Garantie des Instituts der freien Presse nicht berührt. Information mit dem Ziel, Politik und Handeln der Behörden verständlich zu machen, die Bevölkerung über Recht und verfolgte Ziele im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren sowie kommunale und staatliche Tätigkeit transparent darzustellen, ist auch in presseähnlicher Form zulässig. 

Doch welche Probleme ergeben sich hieraus für Kommunen?

​Ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensvorschrift gemäß § 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar und kann zivilrechtliche Ansprüche der Mitbewerber z. B. auf Unterlassung begründen. Ob ein örtliches Stadtblatt ein funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung darstellt, lässt sich jedoch nicht allgemein sagen. Dies beruht stets auf einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konfligierenden Interessen der kommunalen Träger einerseits und der privaten Presseunternehmen andererseits. Dies gilt keineswegs nur für Printmedien, sondern auch für Online-Angebote oder Social-Media-Präsenzen. Es besteht ein kontinuierliches Risiko einer lauterkeitsrechtlichen Haftung wie auch die verschiedenen Verfahren (z. B. muenchen.de und dortmund.de) zeigen.

Fälle aus der Rechtsprechung

​Ein anschauliches Beispiel für unzulässige Praktiken bietet der Fall des Crailsheimer Stadtblatts, das gleich zweimal vor dem Bundesgerichtshof landete – einmal im Jahre 1972 und erneut 2018. Das Stadtblatt enthielt redaktionelle Beiträge, wie sie auch typischerweise von der privaten Presse veröffentlicht werden und ähnelte somit einem privaten Presseerzeugnis. Dies war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs unzulässig. Auch die Stadt München geriet aufgrund ihrer Website muenchen.de in einen Rechtsstreit. Vier Verlage verklagten die Stadt, da das Online-Portal als zu „presseähnlich” angesehen wurde und somit gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße. Im Fokus standen insbesondere Unterseiten wie „Kino”, „Gastro” und „Shopping”. Der Bundesgerichtshof (Urteil v. 13.7.2023 – I ZR 152/21) sah hierin jedoch keinen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG München zurück. In einem weiteren Fall hat das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 14.11.2024 – 53 O 213/23, nicht rechtskräftig) die Klage von 16 klagenden Verlagen gegen den Südwestrundfunk wegen behaupteter Presseähnlichkeit der App „NEWSZONE” abgewiesen. Das Gericht sah in der App nur einen weiteren Ausspielweg der in der Rubrik „Newszone” des Angebots „DasDing” enthaltenen Inhalte. Diese seien in ihrer Gesamtheit betrachtet indessen nicht presseähnlich.  

Die Vorwürfe der Presseähnlichkeit gegenüber kommunalen Publikationen sind keine Einzelfälle. Ein solcher Vorwurf kann jede Gemeinde treffen. Für Kommunen und Landkreise besteht daher stets die Gefahr, sich solchen lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt zu sehen.

Äußerungsbefugnisse von Hoheitsträgern

​Kommunale Publikationen können nicht nur wegen einer möglichen „Presseähnlichkeit” rechtliche Probleme bereiten. Hoheitsträger, wie beispielsweise Bürgermeister, nutzen diese Plattformen auch gerne, um direkt mit Bürgern und anderen Interessengruppen zu kommunizieren. Zwar dürfen sich Hoheitsträger zu Sachthemen in ihrem Aufgabenkreis äußern, sie müssen hierbei jedoch die Grenzen der Sachlichkeit und Neutralität wahren.

Hoheitsträger sind keine Träger von Grundrechten. Sie sind vielmehr grundrechtsgebunden. Übersetzt bedeutet dies, dass sie sich nicht wie eine Privatperson auf die Grundrechte als Abwehrrechte berufen können. Vielmehr ergeben sich aus den Grundrechten anderer für sie Pflichten. Hoheitsträger können sich somit z. B. bei ihren Äußerungen auch nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Ihre Äußerungsbefugnis ergibt sich grundsätzlich als Annex zur jeweiligen Sachkompetenz bzw. bei Kommunen aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 GG. 

Neutralitätspflicht

​Bei politischen Äußerungen haben Hoheitsträger das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG zu beachten. Hieraus folgt ein Neutralitätsgebot. Hoheitsträger dürfen sich grundsätzlich nicht zugunsten oder zulasten einer Partei äußern und so auf die politische Willensbildung des Volkes einwirken. Das Neutralitätsgebot zieht der Äußerungsbefugnis von Hoheitsträgern enge Grenzen. Dies musste erst jüngst die Stadt Nürnberg erfahren. Sie ist Mitglied der „Allianz gegen Rechtsextremismus”. Der Verein hatte sich mehrfach kritisch zur AfD geäußert. Auf Klage der AfD hat der Bayerische Verwaltungsgerichthof (Urteil v. 14.11.2024 – 4 B 23.2005, nicht rechtskräftig) nun entschieden, dass die Stadt Nürnberg sich diese kritischen Äußerungen als Mitglied des Vereins zurechnen lassen müsse und dadurch gegen das Neutralitätsgebot verstoßen habe. Gegen einen solchen Verstoß könne wirksamer Rechtsschutz nur dadurch gewährt werden, dass die Stadt Nürnberg zum Austritt aus dem Verein verpflichtet werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision zugelassen, aber zugleich angedeutet, dass sich das Verfahren auch dadurch erledigen könne, dass der Verein künftig auf Äußerungen zur AfD verzichte. Austritt oder Maulkorb für den Verein? Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts darf man gespannt sein.

Sachlichkeitsgebot

​Im Übrigen ist das Sachlichkeitsgebot zu beachten. Dies ergibt sich einerseits aus dem Willkürverbot und andererseits aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen. Sie müssen vielmehr bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen, und dürfen zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten. Das schließt allerdings die klare und unmissverständliche Zurückweisung fehlerhafter Sachdarstellungen oder diskriminierender Werturteile nicht aus. Darüber hinausgehende, mit dem Anlass der Äußerung in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehende, verfälschende oder herabsetzende Äußerungen sind demgegenüber zu unterlassen.

Privatperson oder Hoheitsträger?

​Die Äußerungsbefugnis von Hoheitsträgern unterliegt engen Grenzen. Ob sich eine Person als Privatperson oder als Hoheitsträger äußert, hat daher erhebliche Bedeutung. Die Rechtsprechung nimmt grundsätzlich in drei Fallgruppen an, dass die Äußerung als Hoheitsträger erfolgt:

a) Die Äußerung erfolgt ausdrücklich in amtlicher Eigenschaft als „Amtsperson”.
b) Aus den äußeren Umständen ergibt sich, dass die Äußerung als Hoheitsträger erfolgt.
c) Der amtliche Charakter der Äußerung ergibt sich aus deren Inhalt.

Angesichts der gravierenden rechtlichen Unterschiede hinsichtlich der Zulässigkeit von Äußerungen einer Privatperson bzw. eines Hoheitsträgers ist bei öffentlichen Äußerungen stets Vorsicht geboten. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls klarzustellen, in welcher Funktion eine Äußerung erfolgt, da ansonsten für die Einordnung ein erheblicher Spielraum besteht.

Was darf man nun also als Hoheitsträger sagen? Das sagt die Rechtsprechung dazu!

Was man als Oberbürgermeister auf jeden Fall nicht sagen sollte, das veranschaulicht der Fall „Licht aus!” aus dem Jahre 2017. Der damalige Oberbürgermeister von Düsseldorf veröffentlichte anlässlich einer Versammlung der islamfeindlichen „Dügida”-Bewegung einen Beitrag auf dem Stadtportal der Stadt Düsseldorf: In diesem Beitrag forderte er alle Einwohner und Unternehmen dazu auf, als „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus” die Beleuchtung der Gebäude auszuschalten. Darin sah das Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 13.09.2017 –​ 10 C 6/16) einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot und stufte den Appell als rechtswidrig ein. Auch dieser Fall verdeutlicht, wie wichtig es als Hoheitsträger ist, bei öffentlichen Äußerungen stets die eigenen Äußerungsbefugnisse zu beachten, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. 

Die rechtlichen Herausforderungen der kommunalen und staatlichen Pressearbeit sind vielfältig und erfordern ein sensibles Vorgehen, um die Staatsferne der Presse zu wahren und gleichzeitig eine transparente Informationspolitik zu gewährleisten. Die Beispiele aus der Rechtsprechung verdeutlichen, dass sowohl Print- als auch Online-Medien der Kommunen und Landkreise stets darauf bedacht sein müssen, ihre Informations- und Öffentlichkeitsarbeit im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu gestalten.

In der nächsten Ausgabe des Newsletters werden wir im zweiten Teil unseres Überblicks die Grundzüge der medienrechtlichen Informationsansprüche nach den Landespressegesetzen und dem Medienstaatsvertrag sowie der Zugangsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen darstellen. Im Mittelpunkt stehen die Rechte und Pflichten von Behörden gegenüber der Presse.




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