Was können Gebührenmodelle zu einer verursachungsgerechten Abfallwirtschaft leisten?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 2. Januar 2025


​​Grundzüge der Abfallwirtschaft

​Zielsetzung der Abfallwirtschaft ist eine nachhaltige Ressourcennutzung und Umweltentlastung durch das Konzept der Kreislaufwirtschaft. Es geht weit über die bloße Entsorgung von Abfällen hinaus. Die Hierarchie der Abfallbewirtschaftung, wie sie im Kreislaufwirtschaftsgesetz festgelegt ist, priorisiert die Vermeidung von Abfällen, gefolgt von der Wiederverwendung, dem Recycling, der energetischen Verwertung und schließlich der umweltverträglichen Deponierung. Dadurch sollen Stoffkreisläufe geschlossen werden und somit sowohl der ökologische Fußabdruck als auch die Abhängigkeit von Primärrohstoffen verringert werden.

Trotz der gesetzlichen Vorgaben und technologischen Fortschritte bleibt das Abfallaufkommen in Deutschland auf einem hohen Niveau. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes entstehen jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen Abfall, wobei der Großteil aus Bau- und Abbruchabfällen (rund 63 Prozent), Siedlungsabfällen sowie übrigen Abfälle (insbes. aus Produktion und Gewerbe) besteht. Haushaltsabfälle machen dabei eine Menge von konstant rund 50 Mio. Tonnen bzw. 14 Prozent aus. Hier liegt Potenzial, durch gezielte Maßnahmen – wie die Gestaltung von Abfallgebühren – Anreize zur Vermeidung und besseren Trennung von Abfällen zu setzen.


 
Abbildung 1: Abfallaufkommen von 2000 bis 2024
(Quelle: Statistisches Bundesamt, Abfallbilanz, verschiedene Jahrgänge)​







Abbildung 2: Zusammensetzung der haushaltstypischen Siedlungsabfälle 2022
(Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistischer Bericht - Abfallbilanz 2022, Wiesbaden 2024)




Die Haushaltsabfälle setzen sich zu einem Großteil aus Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen, die gemeinsam über die öffentliche Müllabfuhr eingesammelt werden (entspricht Restmüll mit rund 32 Prozent) zusammen. Gefolgt von Papier, Pappe, Kartonagen mit rund 15 Prozent sowie Garten- und Parkabfällen und den Abfällen aus der Biotonne mit jeweils rund 11 Prozent.
 
Die Abfallgebühren der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind dabei ein Steuerungsinstrument in der Abfallwirtschaft. Sie dienen nicht nur der Kostendeckung für Entsorgung und Recycling, sondern haben auch eine Lenkungsfunktion, indem sie Anreize für abfallarmes Verhalten schaffen. 

Traditionell werden Gebühren häufig pauschal und nach Behältervolumen erhoben, unabhängig von der tatsächlichen Abfallmenge oder -trennung. Neue Ansätze wie gewichtsbasierte Modelle ermöglichen es, die Verursachung von Abfall individuell zuzuordnen und gezielt Einfluss auf das Verhalten der Haushalte zu nehmen. 

Entwicklung und Voraussetzungen für neue Abfallgebührenmodelle

​Die Einführung alternativer Abfallgebührenmodelle erfordert eine umfassende Weiterentwicklung der technischen, organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Nur durch die Nachverfolgung von Leerungen, Wiegungen der geleerten Mengen, Messung von Fremdstoffanteilen und der Zuordnung von Verursachern bzw. Grundstücken zur jeweiligen Tonne ermöglichen verursachergerechte und anreizorientierte Gebührenstrukturen. 

Nachverfolgung von Leerungen und Zuordnung 

Die Nachverfolgung von Mülltonnenleerungen ist dabei ein grundlegender Schritt, um Haushalte oder Unternehmen eindeutig ihrem Abfallaufkommen zuzuordnen. Identifikationssysteme, wie RFID-Chips (Radio Frequency Identification), ermöglichen die Erfassung der Häufigkeit der Leerungen und die Zuordnung von Verursachen bzw. Grundstücken zur jeweiligen Tonne.

Durch die Verknüpfung dieser Daten mit den Gebührenabrechnungen entsteht ein transparenter und verursachergerechter Ansatz. Haushalte, die ihre Tonne seltener oder effizienter nutzen, werden belohnt, während häufige Nutzung sich in einer höheren Gebührenbelastung widerspiegelt.

Wiegungen

Die Einführung von Wiegesystemen stellt eine Weiterentwicklung dar, die das tatsächliche Gewicht des Abfalls berücksichtigt. An Sammelfahrzeugen angebrachte Waagen ermöglichen eine präzise Erfassung des Müllgewichts bei jeder Leerung. Diese Methode erlaubt eine gerechtere Verteilung der Gebühren, da das tatsächliche Abfallaufkommen statt des bloßen Tonnenvolumens als Grundlage dient.

In der Praxis erfordert dieses System jedoch erhebliche Investitionen in die Fahrzeugtechnik und eine Anpassung der logistischen Abläufe. 

Messung von Fremdstoffanteilen

Ein weiterer Faktor für Zusatzkosten aufseiten des Abfallwirtschaftsbetriebs sind Fremdstoffe. Fremdstoffanteile in den Abfallfraktionen wie Verunreinigungen, beispielsweise in Bio- oder Papiermüll, beeinträchtigen die Recyclingfähigkeit und führen zu höheren Entsorgungskosten. Sensorbasierte Technologien, wie optische Scanner, können bereits beim Sammelprozess erste Hinweise auf Fremdstoffe liefern. Langfristig könnten Anreize geschaffen werden, um die Trennqualität zu erhöhen, etwa durch höhere Gebühren oder Strafen bei festgestellten Fremdstoffen.

Gebührenmodelle

​Geeignete Gebührenmodelle können ebenfalls Anreize zur Abfallvermeidung und Mülltrennung schaffen. Verschiedene Ansätze haben sich in der Praxis entwickelt, die jeweils Vor- und Nachteile sowie spezifische Anforderungen mit sich bringen. Das einteilige Gebührensystem ist das einfachste Gebührenmodell. Es besteht nur aus einer Gebührenart (Pauschalgebühr).



 Abbildung 3: Gestaltungsvarianten von Abfallgebührensystemen​

In der Praxis weiter verbreitet sind jedoch mehrteilige Gebührenmodelle, die sich üblicherweise aus einer Grund- und Leistungsgebühr gestaffelt nach dem Behältervolumen bemessen. Dabei sind unterschiedliche abfallpolitische Lenkungen möglich: 

  • Mindestleerungen: Die Mindestleerungsgebühr wird unabhängig davon erhoben, ob der Gebührenschuldner die Anzahl der Mindestleerungen erreicht. Sie dient der Sicherstellung einer umweltverträglichen Entsorgung, die beispielsweise durch wilde Ablagerungen oder Verschiebung der Abfallströme beeinträchtig wird. Damit hat sie ähnlichen Charakter wie eine Grundgebühr. Durch die Vorgabe von Mindestvolumen oder -entleerungen, die deutlich unter der durchschnittlichen Inanspruchnahme liegen, soll die Anstrengung zur Abfallvermeidung nicht unterbunden werden.
  • Degressionsfaktoren: Bei der Staffelung der Gebühren für die unterschiedlichen Behältervolumen kann mit Degressionsfaktoren gearbeitet werden. Hierbei sinken die Kosten pro Einheit (z. B. pro Kilogramm oder pro Leerung) mit steigender Abfallmenge. Die degressive Form der Gebührenbemessung ist für Erzeuger größerer Mengen an Abfall dem Anschein nach „günstiger”. Bei der Betrachtung der realen Kostenstrukturen bei der Abfallentsorgung wird allerdings deutlich, dass die degressive Abrechnungsstrategie die unterschiedliche Beanspruchung eines städtischen Abfallwirtschaftssystems am ehesten widerspiegelt und damit eine praxisnahe Lösung darstellt. Dies erklärt sich u. a. aus der Tatsache, dass z. B. die Anfahrtswege der Entsorgung im innerstädtischen Bebauungsbereich i.d.R. kürzer und die Entleerungseffizienz aufgrund größerer Abfallbehälter höher ist als im Vergleich zu Stadtrand- und ländlichen Gebieten. Kleinere Abfallmengen die an verstreut liegenden Punkten abgeholt werden müssen und längere Fahrtdistanzen erhöhen hier die Kosten.

Angesichts der technologischen Entwicklungen und steigenden gesellschaftlichen Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Abfallwirtschaft sind weitere Überlegungen zu den Abfallgebührenmodellen, die die Nutzer individueller an der Einrichtung beteiligen, denkbar:

  • Pay-As-You-Throw (PAYT): Die Abfallgebührenerhebung nach dem Prinzip „Bezahle für das, was du einwirfst”​ ist die Reinform der verursacherbezogenen Bezahlung der abfallwirtschaftlichen Dienstleistungen. Durch dieses Prinzip wird abfallvermeidendes Verhalten und die Nutzung von Systemen zur getrennten Abfallerfassung1 gestärkt. Durch die direkte Bemessung von Leistungseinheiten werden die Haushalte angehalten, Abfälle generell zu vermeiden oder zum Teil in solche Systeme umzulenken, die dem Recycling dienen und gesamtwirtschaftlich kostengünstiger sind. Die Kosten richten sich nach dem tatsächlichen Gewicht des Abfalls, das bei jeder Leerung erfasst wird. Nutzer, die weniger Abfall produzieren oder besser trennen, zahlen entsprechend weniger. Das Abfallvolumen bleibt bei der Betrachtung allerdings unbeachtet. In Deutschland sind gewichtsbasierte Modelle bislang vereinzelt in der Anwendung, da die Einführung mit erheblichen Investitionen in Wiegetechnologien und Logistik verbunden ist.
  • Dynamische Gebühren: Durch die Integration von Sensorik und Echtzeitdaten könnten Gebührenmodelle künftig flexibler gestaltet werden, beispielsweise durch variable Tarife je nach Abfallzusammensetzung (Fremdstoffanteil) oder durch saisonale Anpassungen.

Abfallgebühren sollten jedoch nicht nur auf der von den Nutzern erzeugten Abfallmenge basieren, sondern auch eine feste Grundgebühr umfassen. Wenn die Gebühren nur auf der Menge des abgeholten Abfalls basieren, kann es vorkommen, dass größere Mengen illegal entsorgt werden. Dies lässt sich durch eine Grundgebühr verhindern, da die Nutzer bereits einen Beitrag zur Abfallentsorgung geleistet haben. Gleichzeitig ist ein ausreichend breiter Korridor für den variablen Gebührenteil vorzusehen, damit ein entsprechender Anreiz zur Abfallreduzierung erhalten bleibt.

Die Umsetzung neuer Abfallgebührenmodelle erfordert eine engere Verzahnung von Abfallträgern, Entsorgern und Bürgern sowie eine klare Kommunikation. Auch rechtliche Anpassungen, etwa in Bezug auf den Datenschutz oder die Gebührenordnungen, sind notwendig. Gerne unterstützen wir Sie bei der Ermittlung der Abfallgebühren sowie bei Überlegungen zu geeigneten Gebührenmodellen als Anreiz zur Abfallvermeidung und Mülltrennung.

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1 Unter der Voraussetzung differenzierter Abfallbehälter für unterschiedliche Abfallfraktionen.
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