Langfristige (kommunale) Kapitalanlage – Europäische Aktien im globalen Kontext

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veröffentlicht am 1. April 2025


Geopolitik und europäische Wirtschaft bleiben Anfang 2025 trotz der politischen Neuaufstellung in Deutschland weiterhin angespannt. Für einen aktuellen Überblick über die europäischen Aktienmärkte im globalen Kontext sowie zur Erörterung von Möglichkeiten zur besseren Risikostreuung und zur Vermeidung von „Klumpenrisiken” bzgl. einzelner Trends haben wir mit Wolfgang Fickus, einem Produktspezialisten von Comgest, gesprochen. Comgest ist eine globale, mitarbeitergeführte Vermögensverwaltung für Aktienfondsstrategien, die seit 40 Jahren einen auf Qualitätswachstum ausgerichteten Investmentansatz verfolgt.

​Bei der kommunalen Kapitalanlage sind zunächst die haushaltsrechtlichen Vorschriften eines jeden Bundeslandes maßgebend. In den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen besteht die Möglichkeit, Mittel, die nicht zur Sicherstellung der Liquidität und zur Zahlungsabwicklung benötigt werden, (längerfristig) anzulegen. So erlauben beispielsweise die Gemeindeordnung sowie die Gemeindehaushaltsverordnung in Baden-Württemberg, dass liquide Mittel, die innerhalb des fünfjährigen Finanzplanungszeitraums nicht benötigt werden, u. a. in Anteile bestimmter Investmentfonds investiert werden können. Der Runderlass zur kommunalen Geldanlage in Nordrhein-Westfalen legt neben den geltenden Grundsätzen «ausreichende Sicherheit, angemessener Ertrag und rechtzeitige Verfügbarkeit» ebenso Wert auf die «gebotene Sachkenntnis und Sorgfalt der Gemeinde». Darüber hinaus umfasst er den Erlass einer Anlagerichtlinie sowie die Sicherstellung einer sachgerechten Kontrolle und Überwachung der Kapitalanlage sowie der Tätigkeiten beauftragter Dritter und deren Dokumentation.

Die genannten Bundesländer gestatten zudem eine Aktienanlage von bis zu 30 bzw. 35 Prozent. Es ist jedoch wichtig, bei der Investition in Aktien Vorsicht walten zu lassen. Anders als das oft vermittelte Bild von stetig steigenden Märkten, das von einigen Banken und Vermögensverwaltern gezeichnet wird, sind Rückschläge jederzeit möglich. Dennoch kann es sich als sinnvoll erweisen, sich bei einem langfristigen Anlagehorizont auch mit Aktien auseinanderzusetzen, da Investitionen in beispielsweise substanzstarke Unternehmen langfristig, insbesondere im Hinblick auf einen realen Kapitalerhalt, ein wertvoller Baustein sein sollten.

Wolfgang Fickus, Produktspezialist bei Comgest,​ beantwortet in diesem Zusammenhang aktuelle Fragestellungen zu den europäischen und globalen Aktienmärkten. Comgest ist eine globale Vermögensverwaltungsgruppe mit Schwerpunkt auf Aktien und befindet sich zu 100 Prozent im Besitz ihrer Mitarbeiter und Gründer.

Die weltweite Wirtschaftslage ist von Unsicherheit geprägt. Wie bewerten Sie die aktuelle Stimmung an den Märkten?

Wolfgang Fickus: Unsere Antwort auf mögliche Marktrisiken und Stimmungsschwankungen lautet: Bottom-up Stockpicking, also basierend auf einer fundamentalen Analyse die besten Unternehmen auszuwählen und damit das Portfolio so unabhängig von Trends und Marktstimmungen wie möglich zu halten.

Gleichzeitig sehen wir: Die globalen Rahmenbedingungen bieten derzeit wenig Anlass zu Optimismus. In China schwächelt der Konsum, die USA haben Aufwind und in Europa ist die Stimmung der Verbraucher zumindest gedämpft. Neue Zölle auf europäische Waren würden die wirtschaftlichen Aussichten weiter strapazieren.

Dennoch gibt es auch positive Aspekte: Vor allem die Zinsen in Europa sind rückläufig, was zu einer Entlastung für Unternehmen und Verbraucher führt. Und Europa ist in Sektoren wie Luxusgüter, Pharma, Industrie, Datenbanken und Technologie breitgefächert und stark positioniert. Und sektorübergreifend dürfte es einige Profiteure von der nun beschleunigten Digitalisierung durch Künstliche Intelligenz geben. Hier drin stecken weitere starke Wachstumstreiber für handverlesene europäische Wachstumstitel. Das KI-Thema ist also nicht nur ein US-Thema.

Wie wirkt sich dieses Umfeld auf europäische Wachstumsunternehmen aus?

Wolfgang Fickus: Europäische Wachstumsunternehmen stehen oft im Schatten der US-Technologiewerte. Anleger konzentrieren sich stark auf die Innovationskraft der "Glorreichen Sieben" in den USA, die von der Künstlichen Intelligenz profitieren. Namentlich fallen unter die »Glorreichen Sieben« die Unternehmen Apple, Microsoft, Amazon, NVIDIA, Alphabet, Meta und Tesla. Dennoch hat Europa eine Reihe globaler Champions in verschiedenen Sektoren wie Pharma, Konsum, Industrie und nicht zuletzt Datenbanken und Technologie: Zu nennen sind hier beispielsweise Datenbankanbieter, wie RELX, Experian und die London Stock Exchange; Schneider Electric oder Belimo stellen die entsprechenden Industrienamen und Halbleiterunternehmen wie ASML und ASMI sind ohnehin relativ bekannt. Sie alle zeigen, dass wir auch in Europa ganz klar von Künstlicher Intelligenz profitieren können.

Plus: Diese Unternehmen erscheinen erst einmal defensiver und weisen ein weniger dynamisches Wachstum auf (als beispielsweise die „Glorreichen Sieben” in den USA).

Aber sie bieten eine breitere Diversifikation als der US-Markt, in dem beispielsweise die zehn größten Unternehmen rund 30 Prozent der Marktkapitalisierung ausmachen. Diese hohe Konzentration birgt Risiken. Die breitere Streuung in Europa ist umso relevanter, da US-Aktien dynamischer wachsen und damit ein höheres Risiko für starke Rücksetzer mitbringen.

Wie stark sind europäische Unternehmen global diversifiziert?

Wolfgang Fickus: Viele europäische Unternehmen haben globalisierte Geschäftsmodelle. Nehmen wir den geografischen Umsatzmix unseres europäischen Large-Cap-Fonds als Beispiel: Rund 37 Prozent der Umsätze stammen aus Europa, etwa 36 Prozent aus Nord- und Südamerika und 27 Prozent aus Asien und den globalen Schwellenländern. Diese breite Diversifikation hilft, regionale wirtschaftliche Schwächen auszugleichen und von besonderen Wachstumsphasen, wie derzeit in den USA, zu profitieren.

Welche Faktoren sind entscheidend für den langfristigen Erfolg dieser Unternehmen?

Wolfgang Fickus: Europäische Wachstumsunternehmen profitieren von starken Markteintrittsbarrieren, die ihre Wettbewerbsposition sichern. Sie haben Preissetzungsmacht und können steigende Kosten an Kunden weitergeben. Beispiele sind Luxusmarken wie Hermès und LVMH, Pharmaunternehmen wie Novo Nordisk oder Technologieführer wie ASML. Diese Unternehmen investieren kontinuierlich hohe Summen in Forschung und Entwicklung, was ihre Innovationskraft sichert. Novo Nordisk etwa ist nicht nur Marktleader bei Insulin, sondern auch bei GLP-1-Medikamenten, einem der wichtigsten Wachstumstreiber im Gesundheitssektor.

Was bedeutet das für Investoren?

Wolfgang Fickus:​ Die Nervosität an den Märkten nimmt zu, insbesondere mit Blick auf die Marktkonzentration, die hohen Erwartungen an US-Technologieaktien sowie deren hohe Bewertungen. Europa bietet eine Alternative mit einem breit gefächerten Universum an Wachstumsaktien, die das Risiko einzelner Megatrends aber auch der entsprechenden Volatilität reduzieren.

Unternehmen wie Hèrmes, ASML oder Novo Nordisk zeigen, dass Europa bei globalen Champions nicht zurückstehen muss. Anleger, die auf qualitatives Wachstum setzen, können in Europa attraktive und gut diversifizierte Anlagemöglichkeiten finden.

Vielen Dank für Ihre aktuellen Einschätzungen zum europäischen Markt!

Aktien – insbesondere europäische Aktien – können in kommunalen Anlagekonzepten mit mittel- bis langfristigem Anlagehorizont einen wertvollen Beitrag leisten. Dies gilt vor allem in Zeiten, in denen die Inflation den realen Kapitalerhalt erheblich erschwert.

Durch eine strukturierte Markterkundung lassen sich qualifizierte Dienstleistungspartner identifizieren, die den aktuellen Vorgaben des zuständigen Innenministeriums für Geldanlagen entsprechen. Im Rahmen dieses Auswahlprozesses ermöglicht der Vergleich verschiedener Aktienkonzepte – etwa hinsichtlich Aktienquote, Auswahlkriterien, geografischer Regionen, Branchen oder Währungen – die Auswahl eines Ansatzes, der optimal zur gewünschten Risikotragfähigkeit passt. Auf diese Weise lassen sich nicht nur langfristig attraktive Gesamtrenditen erzielen, sondern vor allem das Vermögen nachhaltig vor potenziellen Inflationsverlusten schützen.

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Sissy Koch

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