Kostendeckung bei Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 2. April 2024


​​​
Zum Jahreswechsel lag die Anzahl Schutzsuchender in Deutschland bei rund 3,1 Mio. Menschen. Deren Unterbringung stellt die öffentliche Hand vor Herausforderungen. Während die Zuständigkeit für die Erstaufnahmeeinrichtungen bei den Bundesländern liegt, wechselt diese mit der Weiterverteilung aus den Erstaufnahmeeinrichtungen auf die kommunale Ebene. Die Kommunen sind durch Bundes- und Landesgesetz verpflichtet, die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen, unterzubringen und zu versorgen.


Als Reaktion auf die Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 schufen die Kommunen hohe Kapazitäten zur Unterbringung der Schutzsuchenden. Der Rückgang der neu ankommenden Flüchtlinge im Zeitraum bis 2020 sorgte mancherorts für Leerstand in Gemeinschaftsunterkünften und führte dazu, dass gemietete Wohnungen von den Kommunen wieder abgebaut wurden. Der jüngste Anstieg der Schutzsuchenden stellt die Kommunen vor neue Herausforderungen.
 
Kommunen waren gezwungen, neue Gemeinschaftsunterkünfte zu schaffen oder bestehende zu erweitern, um ihrer Aufgabe der Unterbringung der Schutzsuchenden nachzukommen, da das Angebot auf dem freien Wohnungsmarkt nicht ausreichte. Dies führte für die Kommunen zu höheren Kosten. Gleichzeitigt spiegelten die Gebührensätze der kommunalen Notunterkünfte die aktuelle Kostensituation nicht wider und Gebührensätze waren vielerorts nicht kostendeckend. 

Die in Notunterkünften untergebrachten Personen erhalten teilweise Mindestsicherungsleistungen (SGB II, Drittes und Viertes Kapitel SGB XII). Die Kosten der Unterbringung in den Notunterkünften müssen grundsätzlich von den Jobcentern als Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, wenn die Leistungsberechtigten zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in die Unterkunft eingewiesen wurden. Insoweit sollten die Kommunen kostendeckende Gebühren erheben.




Abbildung 1: Entwicklung der Asylantragszahlen seit 2010

Grundlagen der Gebührenermittlung​
Die Erhebung von Gebühren für Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte ist wie die übrigen Benutzungsgebühren in den Kommunalabgabengesetzen (KAG) der einzelnen Bundesländer geregelt. Die Gebührenkalkulation ist nach den Vorgaben des KAGs durchzuführen unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung. Die Gebühren müssen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach sachlich gerechtfertigt sein.

Bei der Gebührenkalkulation gelten zwei wesentliche Prinzipien:

  • Kostendeckungsprinzip: Die Gebühren sollen den Aufwand der in Anspruch genommenen Leistung decken.
  • Äquivalenzprinzip: Die Höhe der Gebühren soll dem Umfang der Benutzung entsprechen. Bei gleicher Inanspruchnahme der Einrichtung sollen daher auch etwa gleich hohe Gebühren entstehen.

Die den Benutzungsgebühren zugrunde liegenden Kosten werden nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen für Kostenrechnungen ermittelt. Dies erfordert eine Kalkulation auf Grundlage einer Kosten- und Leistungsrechnung. Es sind sowohl die tatsächlich angefallenen als auch die zu erwartenden Kosten zu berücksichtigen. Die Verwendung von Vergleichsmieten zur Bemessung der Gebührensätze ist unzulässig (VGH BW, Urteil v. 7.2.1994 – 1 S 1027/93). 

Die ansatzfähigen Kosten können entweder nach dem Flächenmaßstab (Fläche der Unterkunft) oder dem Personenmaßstab (Anzahl der untergebrachten Personen) bemessen werden.

Herausforderungen bei der Gebührenermittlung​

Die eigenständige Kalkulation der Gebühren für Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte stellt viele Kommunen vor Herausforderungen. Mangelndes Fachpersonal und die Priorisierung anderer Themen führen häufig dazu, dass die Gebührenkalkulation vernachlässigt wird. Die Folge: keine kostendeckenden Gebührensätze und Defizite, die vom allgemeinen Haushalt getragen werden müssen.

Im Rahmen der Gebührenkalkulation sind die nicht ansatzfähigen Kosten von den ansatzfähigen Kosten zu separieren. Zu den ansatzfähigen Gesamtkosten gehören neben den Personal- und Sachkosten einschließlich der Entgelte für Fremdleistungen insbesondere auch Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Hierzu stellt z. B der BayVGH in seinem Beschluss vom 16.5.2018 (12 N 18.9) klar, dass nur die unterkunftsbezogenen Kosten ansatzfähig sind. Personenbezogene Kosten sind im Rahmen der Gebührenkalkulation auszusondern.

Zu den unterkunftsbezogenen Kosten zählen Aufwendungen, die im Rahmen des laufenden Betriebs und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Einrichtung anfallen. Darüber hinaus sind Kosten für bestandserhaltende Maßnahmen ansatzfähig. Auch die Personalkosten der Verwaltung, die sachbezogen und der Unterhaltung der Einrichtung dienen, dürfen berücksichtigt werden. Zu den personenbezogenen Kosten zählen hingegen Aufwendungen, die durch die persönliche Betreuung der untergebrachten Personen entstehen sowie z. B Kosten für einen Wachdienst.

Neben den personenbezogenen Kosten sind auch Kosten für Leerstände oder Überkapazitäten nicht ansatzfähig. Diese sind von der Allgemeinheit zu tragen und nicht dem Gebührenschuldner aufzuerlegen. Wenn die ansatzfähigen Kosten über die Durchschnittsbelegung der Unterkünfte verteilt werden, ist nach Ansicht des BayVGH jedoch nicht von einer Berücksichtigung von Überkapazitäten auszugehen. Solang die angesetzte Durchschnittsbelegung die Vollbelegung nicht in einem Umfang unterschreitet, der eine offensichtlich unwirtschaftliche Kapazitätsüberplanung indiziert.

Die Kosten für die Unterbringung sind je nach Unterkunft und in Abhängigkeit von der Anzahl untergebrachter Personen sehr unterschiedlich. Für die untergebrachten Personen hängen zudem Bedeutung und Nutzen der Leistung von der jeweiligen Unterkunft ab. Im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip kann es daher sachgerechter sein, Entgelte für Wohngemeinschaften oder Einzelwohnungen gesondert von denen der Gemeinschaftsunterkünfte zu ermitteln.

Eine Abstufung nach dem Wohnstandard ist bei deutlichen Unterschieden von Standards geboten. In der Regel ist dieser allerdings nicht vorliegend. Denn gem. Urteil des VGH BW vom 9.2.1995 (2 S 542/94) können sich "ins Auge springende" Leistungsunterschiede [...] kaum ergeben, da der Unterbringungszweck, die Bereitstellung menschenwürdigen Wohnraums für Obdachlose, in jedem Fall als Mindeststandard geboten wird. 

Gestaltungsoptionen bei Gebührenmodellen​

Für die Bemessung der Gebühren für Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte sind verschiedene Gebührenmodelle denkbar. Die Kosten können über die Fläche der Unterkünfte (Flächenmaßstab) oder die Anzahl der untergebrachten Personen (Personenmaßstab) verteilt werden. Es ist auch ein gemischter Maßstab denkbar, der die Unterkunftskosten über die Fläche verteilt und die Nebenkosten auf die durchschnittliche Anzahl der untergebrachten Personen umlegt.




Abbildung 2: Vor- und Nachteile der verschiedenen Gebührenmodelle


Die Gebührenmodelle haben ihre eigenen Vor- und Nachteile zum einen in der Kalkulation aber auch in der Anwendung. Das Gebührenmodell ist insofern anhand der Gegebenheiten vor Ort auszugestalten.

Für die Verrechnung der Stromkosten sind ebenfalls unterschiedliche Modelle denkbar. 

  • Individualabrechnung: Die untergebrachten Personen schließen eigene separate Verträge ab. Voraussetzung ist die Möglichkeit der Messung und Zurechnung für die jeweilige Unterkunft und sachgerechte Weiterverrechnung. Dieses Modell setzt Anreize zum Energiesparen. In Summe kann die Einzelabrechnung jedoch teurer ausfallen, wenn für die Unterzähler jeweils Grundpreise anfallen.
  • Pauschalabrechnung: Die prognostizierten Stromkosten werden bereits in die Betriebskosten einbezogen und über die Unterkunftsgebühren finanziert. Dieses Modell ermöglicht eine einfachere Abrechnung, bietet jedoch keine Energiesparanreize.

Sehr gerne unterstützen wir Sie bei der Wahl des Kalkulationsmodells, der Kostenzuordnung, der Wahl eines geeigneten Maßstabs und der Ermittlung der Gebührensätze. ​



AUS DEM NEWSLETTER

Fokus Public Sector

Kontakt

Contact Person Picture

Florian Moritz

Diplom-Kaufmann

Partner

+49 911 9193 3623

Anfrage senden

Contact Person Picture

Tilman Reinhardt

B.A. Betriebswirtschaft

Senior Associate

+49 911 9193 3626

Anfrage senden

WIR BERATEN SIE GERN!

​​​​​​​​​​Öffentlicher Sektor​​


Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu