Das Deutschland-Ticket ist da – und beschäftigt die öffentliche Verwaltung

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veröffentlicht am 3. Juli 2023



Bund und Länder haben sich auf die Einführung des Deutschland-Tickets verständigt und überlassen nun den über 400 Aufgabenträgern in Deutschland die Umsetzung. Welche Punkte sind bei dieser Umsetzung zu beachten und welche Herausforderungen wird die zukünftige Entwicklung des Projekts mit sich bringen?


Einführung

Als Grundlage für eine bundeseinheitliche Umsetzung des Deutschland-Tickets dient § 9 Absatz 1 des Regionalisierungsgesetzes (RegG) und die auf dieser Grundlage erarbeitete Musterrichtlinie des Bundes zur Anwendung des Deutschland-Tickets vom 20.3.2023, die wiederum auf Landesebene jeweils eine verbindliche Umsetzung erfordert. Der Umsetzungsprozess kann insoweit als (interessantes) Experiment verstanden werden, indem innerhalb von föderalen Zuständigkeitsregelungen eine bundeseinheitliche Regelung dezentral umgesetzt werden muss. Der Bund war sich der damit verbundenen Risiken bewusst und hat für die Anlaufphase eine sogenannte Tarifverpflichtung über das RegG geregelt. Diese ist bis zum 30.9.2023 befristet. Sie regelt für alle Unternehmen eine Anwendungsverpflichtung. Für die Aufgabenträger bedeutet dies, dass sie gehalten sind, spätestens mit Wirkung zum 1.10.2023 eigene Regelungen zu treffen, wenn die deutschlandweite Gültigkeit weiterhin sichergestellt werden soll.




Aktueller Stand: Kann das Deutschland-Ticket bereits überall in der Bundesrepublik umgesetzt werden?

Für die Aufgabenträger stellt sich daher die Frage, wie die Umsetzung vor Ort zu erfolgen hat. Dabei sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden. Denkbar ist, dass in einem Gebiet ausschließlich eigenwirtschaftliche Verkehre bestehen, sodass der Erlass einer allgemeinen Vorschrift das Mittel der Wahl ist. Sofern öffentliche Dienstleistungsaufträge existieren, bei denen die Unternehmen das Erlösrisiko tragen, kommt eine Änderung des öffentlichen Dienstleistungsauftrages oder der Erlass einer ergänzenden allgemeinen Vorschrift in Betracht. Einige Aufgabenträger lösen die Aufgabe, indem sie die Zuständigkeit für die Anwendung des Deutschland-Tickets zum Beispiel auf eine Verbundorganisation übertragen; bei abgeleiteten Aufgabenträgerfunktionen, wie etwa kreisangehörigen Stadtverkehren, sollte eine Rückübertragung der Detailaufgabe auf den gesetzlichen Aufga-benträger in Erwägung gezogen werden.

Die Musterregelungen des Bundes bieten für die Umsetzung eine gute Grundlage. Jedoch liegt der Teufel bekanntlich im Detail. So sind zahlreiche Einzelaspekte für die Verzahnung bestehender Ausgleichsregelungen mit den Regelungen des Deutschland-Tickets zu berücksichtigen. Diese können über eine Musterregelung nicht erfasst werden. 

Möglich wäre eine Gestaltung nach dem Grundsatz-Ausnahme-Prinzip. Dabei wird die Musterrichtlinie mit ihren Regelungen grundsätzlich übernommen, z. B. der Verweis auf Tarifbestimmungen. Sofern notwendig, werden sodann davon abweichende Regelungen getroffen. Diese Vorgehensweise ermöglicht dem Aufgabenträger die Schaffung einer objektiven Grundlage für die Ausgleichsermittlung bei gleichzeitiger Flexibilität der Regelung hinsichtlich zukünftiger geänderter Vorgaben. Jedoch erfordert ein solches Vorgehen auch, dass notwendige Ausnahmeregelungen richtig und vollständig erfasst sind. 

Was ist bei der Umsetzung des Deutschland-Tickets zu beachten?

Allein die Erfassung der denkbaren Konstellationen zeigt auf, welche Gestaltungsvarianten bestehen und bedacht werden sollten. 



Eine Ergänzung bestehender öffentlicher Dienstleistungsaufträge durch Neuaufnahme von Regelungen zum Deutschland-Ticket könnte durch Etablierung neuer Zahlungsansprüche und Zahlungsflüsse das Risiko einer De-facto-Vergabe hervorrufen. Zur Vermeidung dieses vergaberechtlichen Risikos kann es sich daher anbieten, „neben” dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag eine allgemeine Vorschrift mit dem Inhalt „Höchsttarif Deutschland-Ticket” zu erlassen. Die Verzahnung beider Regelungen erfordert sodann, dass für die jeweilige gemeinwirtschaftliche Verpflichtung ein gesonderter Ausgleichsbedarf nachgewiesen werden kann und Regelungen zum Nachweis der Ex-post-Kontrolle klar formuliert sind.  

Ausblick: Wie geht es nun weiter mit dem Deutschland-Ticket?

Die Finanzierung des Deutschland-Tickets durch Bund und Länder in Höhe von jeweils 1,5 Mrd. Euro ist laut dem Gesetzesentwurf des neuen § 9 RegG bis Ende 2025 festgelegt. Eine Verpflichtung von Bund und Ländern zur hälftigen Tragung von eventuell anfallenden Mehrkosten – „die tatsächlich entstandenen Kosten” über die 3 Mrd. Euro hinaus - ist bisher nur für das Einführungsjahr 2023 verbindlich geregelt. 

Die Länder haben eine weitere Zusammenarbeit bei der Finanzierung im Rahmen der im März abgehaltenen Verkehrsministerkonferenz zugesagt – unter der Prämisse, dass der Bund auch in den Jahren 2024 und 2025 einen mindestens hälftigen Nachschuss leistet, sofern die tatsächlichen Kosten des Deutschland-Tickets höher sind, als vom Bund angenommen und die Kosten nicht durch Erhöhung der Ticketeinnahmen ausgeglichen werden können. Ob die Länder sich die weitere Finanzierung mit dem Bund auch über das Ende dieses Jahres hinaus teilen werden, wird damit davon abhängig sein, ob der bisher prognostizierte Finanzierungsbedarf von 3 Mrd. Euro für das Deutschland-Ticket eingehalten werden kann oder ob die letztendlichen Kosten höher sein werden. 

Ob der Deutschland-Ticket-Tarif nach Ablauf des Jahres 2025 noch angewendet werden soll, wird 2025 auf der Grundlage einer finanziellen Evaluation der Jahre 2023 und 2024 mit einem erneuten Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Finanzierung entschieden werden.

Auch in Bezug auf die problematischen Punkte „Semesterticket” und „Fahrradmitnahme” herrschen noch Unstimmigkeiten. 

Was das Semesterticket anbelangt, haben sich die Verkehrsminister auf eine Übergangsregelung in der Form eines „Upgrades” geeinigt: Studierende müssen danach nur die Differenz zwischen dem monatlichen Preis für das Semesterticket und den 49 Euro für das Deutschland-Ticket zahlen, um bundesweit den ÖPNV nutzen zu können. Eine interministerielle Arbeitsgruppe beschäftigt sich derzeit noch mit einer dauerhaften Lösungsmöglichkeit, sodass auch hier abzuwarten ist. 

Eine Fahrradmitnahme ist nicht im Deutschland-Ticket enthalten. Auch in diesem Fall besteht daher ein Regelungsbedarf aufseiten der Länder und Aufgabenträger. Insbesondere kommt hier die Ausarbeitung eines Zusatztickets einschließlich eines neuen Tarifs in Betracht, das bisher von NRW mit Geltung ab dem 1. Juli angekündigt wurde.

Auch wenn mit der EU-Verordnung Nr. 1370/2007 ein bewährtes System zur europa- und beihilferechtskonformen Umsetzung besteht, ist die Abstimmung des Bundes mit der EU-Kommission in Bezug auf die beihilfenrechtliche Relevanz des Deutschland-Tickets noch nicht abgeschlossen. Die Finanzierung ist damit immer noch nicht auf europarechtlicher Ebene abgesichert und könnte weiterhin an einer Verweigerung durch die oberste Wettbewerbsbehörde scheitern. 

Fazit

Die politische Entwicklung auf Ebene des Bundes und der Länder führt dazu, dass die Aufgabenträger einerseits in eine passive Rolle gedrängt werden, indem sie weitere Schritte der Politik abwarten müssen. Zugleich wird politisch eine unverzügliche Handlungsbereitschaft erwartet; schließlich darf das Deutschland-Ticket nicht scheitern. Daher erscheint es derzeit wahrscheinlich, dass auch nach dem 30.9.2023 durch die Aufgabenträger die Umsetzung deutschlandweit gewährleistet wird. Sie sind damit diejenigen, die die Lasten tragen, während Bund und Länder das Deutschland-Ticket als politischen Erfolg für sich verbuchen. 

Ungeachtet der Unsicherheiten vor allem hinsichtlich einer Finanzierung von möglichen Mehrkosten ab dem nächsten Jahr und eines allgemeinen Bestands des Deutschland-Ticket-Projekts über den geplanten Zeitraum hinaus, sollte in jedem Fall die Umsetzung der aktuellen Regelungen mithilfe der von uns zur Verfügung gestellten Informationen und Instrumen-te vor dem 1.10.2023 erfolgen können. 

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