Aktuelle Entscheidungen zum neuen Bauvertragsrecht über Abschlagszahlungen und deren Auswirkungen auf Bauvergaben

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​veröffentlicht am 3. Februar 2025





Seit dem 1.1.2018 gilt in Deutschland das neue Bauvertragsrecht. Seither sind einige gerichtliche Entscheidungen hierzu ergangen. Der nachfolgende Beitrag zeigt diejenigen Urteile und Beschlüsse auf, die für die Vergabe von Bauleistungen nach VOB/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A) und die damit verbundene Anwendung der VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B) im Zusammenhang mit Abschlagsrechnungen und -zahlungen von Bedeutung sind.

Zur Erinnerung: Die Reform

​Das frühere Werkvertragsrecht hatte keine speziellen bauvertraglichen Vorschriften. Es war mit Blick auf die unterschiedlichen möglichen Vertragsgegenstände sehr allgemein gehalten. Dies erschwerte eine interessengerechte und ökonomisch sinnvolle Gestaltung und Abwicklung von Bauverträgen. Zudem sollte der Verbraucherschutz verbessert werden. Eine rechtliche Lösung nach der VOB/B hielt man allerdings für schwierig, da diese nach einigen Fachexperten „inhaltlich und sprachlich schlecht gemacht”​ sei. So schuf man das Bauvertragsrecht als eigenes Rechtsgebiet.

Ziele des Gesetzgebers waren hierbei unter anderem:

  • ​Einführung eines Anordnungsrechts des Bestellers
  • Regelungen zur Preisanpassung bei Mehr- oder Minderleistungen
  • Änderung und Ergänzung der Regelungen zur Abnahme
  • Normierung einer Kündigung aus wichtigem Grund
  • Sonderregelungen für Architekten- und Ingenieurverträge 
  • Regelungen zum Verbraucherschutz

Faktisch enthält das neue Bauvertragsrecht nun zum Teil von der VOB/B abweichende Regelungen. Die Frage, ob die neuen Regelungen als gesetzliches Leitbild ggf. zur teilweisen Unwirksamkeit der VOB/B führen könnten, ist nach wie vor unbeantwortet. Einige Entscheidungen lassen dies ausdrücklich offen. Die VOB/B könnte damit möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßen. 

Überlegungen, die VOB/B anzupassen, wurden wieder verworfen. Man wollte zunächst abwarten, wie die Gerichte die einzelnen Bestimmungen auslegen und verstanden wissen wollen. Die Vergabehandbücher haben das Problem dergestalt „gelöst”, dass nur mehr wenige Details geregelt werden, um jedenfalls eine Abweichung von VOB/B möglichst zu vermeiden.

VOB/B und öffentliche Hand

​Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich dazu verpflichtet, die VOB/B im Rahmen ihrer Bauvergaben zur Anwendung zu erklären. In den Vergabeunterlagen ist vorzuschreiben, dass die VOB/B Bestandteil des Vertrags wird. Sie bleibt grundsätzlich unverändert. Die VOB/B kann von öffentlichen Auftraggebern, die ständig Bauaufträge vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch ”Zusätzliche Vertragsbedingungen” ergänzt werden. Diese wiederum dürfen der VOB/B nicht widersprechen. Im Einzelfall darf die VOB/B noch durch ”Besondere Vertragsbedingungen” ergänzt werden. Abweichungen von der VOB/B sollen sich allerdings auf Fälle beschränken, in denen dort besondere Vereinbarungen ausdrücklich vorgesehen sind und auch nur soweit es die Eigenart der Leistung und Ausführung erfordert.

Die gesetzliche Regelung

Die den Gerichtsentscheidungen zugrunde liegende maßgebliche gesetzliche Bestimmung findet sich in § 650c Abs. 3 BGB:


​§ 650c Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Absatz 2
„{…} (3) Bei der Berechnung von vereinbarten oder gemäß § 632a geschuldeten Abschlagszahlungen kann der Unternehmer 80 Prozent einer in einem Angebot nach § 650b Absatz 1 Satz 2 genannten Mehrvergütung ansetzen, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe geeinigt haben oder keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht.”


Die Entscheidungen zu Abschlagszahlungen

​Kammergericht Berlin, Urteil vom 2.11.2021 - Az. 27 U 120/21

Das Kammergericht Berlin entschied bereits im November 2021, dass der Auftragnehmer auch im VOB-Vertrag bei der Berechnung von geschuldeten Abschlagszahlungen 80 Prozent der Nachtragsvergütung ansetzen darf. Das gilt selbst dann, wenn die VOB/B „als Ganzes” vereinbart ist. Abschlagszahlungen können im Rahmen eines VOB-Vertrags allerdings weiterhin nur dann verlangt werden, wenn eine der Abschlagszahlung entsprechende vertragsgemäße Bauleistung erbracht worden und die Abschlagsrechnung prüfbar ist. Als vertragsgemäß sind alle Leistungen anzusehen, für die dem Auftragnehmer gem. § 2 VOB/B eine (Nachtrags-)Vergütung zusteht. Nicht erforderlich ist hingegen, dass eine Vereinbarung über die geänderte oder zusätzliche Vergütung zustande gekommen ist.

Im Anschluss: Oberlandesgericht München, Beschluss vom 12.3.2024, Az. 9 U 3791/23 Bau

Auch das OLG München beschäftigte sich bereits mit der Neuregelung zu Abschlagszahlungen und stellt hierbei einiges klar. Nach Ansicht der bayerischen Richter erfordert die 80-prozentige Abschlagsrechnung tatbestandsmäßig zunächst einmal ein Angebot des Auftragnehmers sowie ein Änderungsbegehren des Bestellers und dessen anschließende Anordnung zur Durchführung der abweichenden Leistung. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Voraussetzungen im VOB-Vertrag nicht einzuhalten sein sollten. Die VOB/B enthält keine Modifikation zur gesetzlichen Regelung im BGB, sodass diese unverändert, einschließlich ihrer Voraussetzungen, zur Anwendung kommt. Die gesetzliche Bestimmung ist Teil eines einheitlichen Regelungssystems. Der Gesetzgeber hat ein System aufeinander aufbauender und aufeinander Bezug nehmender Normen zur Anordnung von Leistungsänderungen, Vergütung dieser geänderten Leistungen und Durchsetzbarkeit geschaffen und ist dabei dem System der VOB/B nicht gefolgt. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen oftmals im VOB-Vertrag nicht erfüllt sein werden, weil das Nachtragsschema im VOB-Vertrag anders ist, kann dem nicht entgegengehalten werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die gesetzlichen Vorgaben als Leitbild einzuordnen sind oder nicht.​​​​​

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