Eigenbedarfskündigungen – Wer zählt zu den Familienangehörigen?

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​veröffentlicht am 4. November 2024




Neben ordentlichen Kündigungen wegen Vertragspflichtverletzungen durch den Mieter spielen in der Praxis Kündigungen wegen Eigenbedarfs eine wichtige Rolle. Benötigt der Vermieter die vermietete Wohnung für sich oder die Familie, wird eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen. Die rechtlichen Grundlagen für eine solche Kündigung und wer nach Ansicht des BGHs (Urteil vom 10.7.2024 – VIII ZR 276/23) im Mietrecht zur Familie gehört, möchten wir Ihnen hiermit nahebringen: 


Allgemeine rechtliche Grundlagen für Eigenbedarfskündigungen

Als Dauerschuldverhältnisse können Mietverträge – sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde – grundsätzlich ordentlich gekündigt werden. Für eine solche ordentliche Kündigung ist erforderlich, dass der Vermieter ein sog. berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Wann ein solches berechtigtes Interesse gegeben ist, hat der Gesetzgeber teilweise in § 573 Abs. 2 BGB geregelt. Hiernach ist unter anderem ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses dann zu bejahen, wenn aufseiten des Vermieters Eigenbedarf vorliegt. 

Eigenbedarf entsteht, wenn der Vermieter die vermieteten Räumlichkeiten als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Während die Eigennutzung der Mieträume durch den Vermieter selbst selbsterklärend ist, erläutert das Gesetz nicht, wer als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger zu betrachten ist. 

Zu den Haushaltsangehörigen zählen alle Familienangehörigen und sonstigen Personen (Ehepartner, Lebensgefährten, Eltern, Kinder, Pfleger und ähnliche Personen), die seit längerer Zeit auf Dauer, also nicht nur vorübergehend, mit dem Vermieter in einer Hausgemeinschaft zusammenleben. Relevant ist diese Begriffsbestimmung jedoch nur dann, wenn diese Personen nicht ohnehin zu den sog. privilegierten Familienangehörigen des Vermieters zählen. 

Wer gilt als Familienangehöriger? Es wird teilweise die Ansicht vertreten, dass bei engen Familienangehörigen allein die Tatsache der Verwandtschaft ausreichend sei. Bei entfernten Verwandten dagegen soll nach dieser Ansicht zusätzlich „ein besonders enger Kontakt” bzw. ein Näheverhältnis bestehen. Vertretern dieser Ansicht zufolge muss die eben genannte Bindung zwischen Vermieter und Verwandten enger sein, je weitläufiger der Grad der Verwandtschaft ist. 

Der BGH klärte in seinem Urteil vom 10.7.2024 - Az. VIII ZR 276/23 nunmehr die Frage, wer zum Kreis der Familienangehörigen im Rahmen von Eigenbedarfskündigungen (und Kündigungsbeschränkungen) gehört. 

Der Fall des BGHs

In dem von den Karlsruher Richtern entschiedenen Fall waren die Beklagten Mieter einer Wohnung. Das Gebäude, in dem sich diese Wohnung befand, wurde von einer GbR (Klägerin) erworben. Die GbR hatte zu diesem Zeitpunkt insgesamt zwei Gesellschafter, die Cousins waren. Nach dem Ableben eines der Gesellschafter wurden dessen drei Kinder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Gesellschafter der GbR. Das bestehende Mietverhältnis wurde durch die GbR ordentlich wegen Eigenbedarfs gekündigt. Denn einer der eingetretenen Gesellschafter benötigte die Wohnung für sich und seine Ehefrau. Die GbR klagte schließlich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. 

Das Urteil des BGH 

Der BGH gab den Mietern Recht. Insoweit wurde entschieden, dass die Eigenbedarfskündigung der GbR unwirksam war. Die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung ergab sich daraus, dass die Kündigung vor Ablauf der Sperrfrist des § 577a Abs. 1a Nr. 1, Abs. 2 BGB iVm § 2 BInKündigungsschutzklausel-VO 2013 ausgesprochen wurde. Denn nach diesen Vorschriften kann sich eine Personengesellschaft, die vermieteten Wohnraum nach Überlassung an den Mieter erwirbt, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit dem Erwerb auf das berechtigte Interesse des Eigenbedarfs (im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2) berufen. Diese gesetzliche Kündigungsbeschränkung kommt dann nicht zur Anwendung, wenn die Gesellschafter der Personengesellschaft derselben Familie angehören. Diese Voraussetzung war hier jedoch nicht gegeben. Nach Ansicht des BGHs sind Cousins nämlich nicht als Familienangehörige im Sinne des Gesetzes anzusehen. Familienangehörige sind demnach nur diejenigen Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht – unabhängig davon, ob zwischen den Personen tatsächlich eine persönliche Bindung, also ein tatsächliches Näheverhältnis besteht oder nicht. Das bedeutet: Selbst wenn die Cousins eine enge persönliche Verbundenheit zueinander haben, sind sie nicht als Familienangehörige zu betrachten, da ihr Verwandtschaftsverhältnis so weit entfernt ist, dass sie kein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Diese vom BGH festgelegte Definition stellt eine generalisierende Bestimmung des Personenkreises dar, für den der Vermieter einen Eigenbedarf geltend machen kann bzw. für den die Kündigungssperre nicht gilt.

Weitere Voraussetzungen für Eigenbedarfskündigungen

Neben dem privilegierten Personenkreis müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Eigenbedarfskündigung wirksam ist. Wer Eigenbedarf geltend macht, muss die Mieträumlichkeiten auch als Wohnung nutzen und diese Räume auch benötigen. Die Wohnnutzung muss im Vordergrund stehen. Soll beispielsweise nur ein kleiner Teil der Wohnung durch den Vermieter bzw. den privilegierten Personenkreis genutzt werden und der Rest der Räume an Dritte überlassen oder gewerblich genutzt werden, so liegt keine Wohnraumnutzung vor. Der Vermieter muss zudem auch die ernsthafte Absicht haben, die Räume als Wohnung zu nutzen oder diese dem privilegierten Personenkreis zu überlassen. Ein „Benötigen” der Wohnung dagegen ist einschlägig, wenn neben dem Nutzungs- oder Überlassungswillen ein besonderes Nutzungs- und Überlassungsinteresse hinzutritt. Der Wunsch, die Wohnung künftig selbst zu nutzen oder nahen Angehörigen zu Wohnzwecken zur Verfügung zu stellen, muss auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe gestützt werden können. 

Fazit​

Der BGH hat mit seinem Urteil den Begriff der „Familie” im Mietrecht präzisiert und entschieden, dass Cousins im Rahmen von Eigenbedarfskündigungen nicht als Familienangehörige zu werten sind. Mit der Begriffsbestimmung des BGHs geht für Vermieter und Mieter Rechtssicherheit und Planbarkeit einher, da es sich hierbei um eine objektive Betrachtungsweise handelt. Hierdurch werden Streitigkeiten über einzelfallbezogene und wertungsbedürftige Fragen des Bestehens und der Tiefe einer persönlichen engen Bindung der Personen vermieden. Die Grenzen einer Eigenbedarfskündigung sind damit im Ergebnis klarer geworden. Der Kreis der Personen, für die Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, wird eingeschränkt. Gleichzeitig wird aber auch der Mieterschutz gestärkt. 



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