Balkonkraftwerke im Miet- und Wohnungseigentumsrecht – Neue Entwicklungen und rechtliche Rahmenbedingungen

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​veröffentlicht am 4. November 2024




Die zunehmende Bedeutung Erneuerbarer Energien und das wachsende Umweltbewusstsein in der Gesellschaft haben in den letzten Jahren zu einem verstärkten Interesse an Balkonkraftwerken geführt. Diese kompakten Photovoltaikanlagen, auch als Steckersolargeräte bekannt, ermöglichen es Mietern und Wohnungseigentümern, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten und gleichzeitig ihre Stromkosten zu reduzieren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Installation solcher Anlagen waren bislang jedoch oft unklar und führten nicht selten zu Konflikten zwischen Mietern, Vermietern und Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG). Der Gesetzgeber hat nun reagiert und wichtige Änderungen im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beschlossen, die die Installation von Balkonkraftwerken erleichtern sollen.


Gesetzliche Neuerungen 

Am 4.7.2024 verabschiedete der Bundestag in zweiter und dritter Lesung signifikante Änderungen im Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Diese Modifikationen zielen darauf ab, die Installation von Balkonkraftwerken zu erleichtern. Der Bundesrat stimmte diesen Änderungen am 27.9.2024 zu. Das Gesetz tritt nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Die zentrale Neuerung besteht in der Aufnahme von Steckersolargeräten in den Katalog der privilegierten Maßnahmen. Dies bedeutet, dass Mieter und Wohnungseigentümer nun einen rechtlichen Anspruch auf die Genehmigung solcher baulichen Veränderungen haben. Diese Privilegierung findet sich sowohl in § 20 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) für Wohnungseigentümer als auch in § 554 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für Mieter.

Auswirkungen auf das Mietrecht 

Im Mietrecht führt diese Gesetzesänderung zu einer signifikanten Stärkung der Position der Mieter. Während bislang die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters für die Installation eines Balkonkraftwerks erforderlich war, kann diese Zustimmung nun nicht mehr ohne triftigen Grund verweigert werden. Dies impliziert jedoch nicht, dass Mieter völlig frei in der Installation sind. Vielmehr behalten Vermieter ein Mitspracherecht bezüglich der konkreten Anbringung der Steckersolargeräte.

Konsequenzen für das Wohnungseigentumsrecht

Analog zur Situation im Mietrecht erfahren auch Wohnungseigentümer eine Stärkung ihrer Position. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann die Installation eines Balkonkraftwerks nicht mehr grundsätzlich ablehnen. Gleichwohl behält die WEG ein Mitspracherecht hinsichtlich der spezifischen Ausführung der Installation.

Trotz der Privilegierung von Steckersolargeräten ist das Mitspracherecht von Vermietern und WEG nicht vollständig aufgehoben. Sie können weiterhin Vorgaben zur konkreten Anbringung der Anlagen machen, solange diese Vorgaben den grundsätzlichen Anspruch auf Installation nicht aushöhlen. Dies ermöglicht es, potenzielle Risiken zu minimieren und ästhetische Aspekte zu berücksichtigen.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer behält somit die Entscheidungsgewalt über das „Wie” der Installation.

Rechtliche Herausforderungen und offene Fragen

Die Gesetzesänderung wirft auch einige rechtliche Fragen auf, die in der Praxis noch geklärt werden müssen:

  1. Haftungsfragen: Es bleibt zu klären, wie die Haftung im Schadensfall geregelt ist, insbesondere wenn das Balkonkraftwerk Schäden am Gebäude oder an Dritten verursacht.
  2. Rückbauverpflichtungen: Die Frage, ob und in welchem Umfang Mieter bei Auszug zum Rückbau verpflichtet sind, könnte zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen.
  3. Abgrenzung zu größeren Solaranlagen: Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Grenze zwischen privilegierten Balkonkraftwerken und größeren, möglicherweise nicht privilegierten Solaranlagen ziehen wird.
  4. Konflikt mit Denkmalschutz: In denkmalgeschützten Gebäuden oder Altstadtbereichen könnte es zu Konflikten zwischen dem Recht auf Installation und dem Denkmalschutz kommen.

Ausblick​

Die beschlossenen Gesetzesänderungen markieren einen wichtigen Schritt zur Förderung Erneuerbarer Energien im urbanen Raum. Sie bieten Mietern und Wohnungseigentümern mehr Rechtssicherheit und Gestaltungsspielraum bei der Nutzung von Balkonkraftwerken. Gleichzeitig stellen sie Vermieter und WEG vor neue Herausforderungen in Bezug auf die Verwaltung und Regulierung solcher Anlagen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die praktische Umsetzung der neuen Regelungen gestalten wird und welche Präzedenzfälle die Rechtsprechung in den kommenden Jahren schaffen wird. Fest steht, dass die Integration von Balkonkraftwerken in bestehende Miet- und Eigentumsverhältnisse ein dynamisches Feld bleibt, das sowohl rechtliche als auch technische Expertise erfordert.

Für alle Beteiligten empfiehlt es sich, die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam zu verfolgen und rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die eigenen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Balkonkraftwerken vollumfänglich zu verstehen und wahrzunehmen.



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Hilâl Özdemir

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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