Erhebung von Kita-Beiträgen trotz Schließung der Einrichtung

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​veröffentlicht am 23. Juni 2020; Autoren: Sebastian Heinke, Norman Lenger-Bauchowitz

 

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Zwischen Eltern und Betreuungseinrichtung gibt es vermehrt Streit um bereits entrichtete oder noch zu zahlende Betreuungsentgelte, die trotz Schließzeiten aufgrund der Covid-19-Pandemie geleistet werden sollen. Die Verhandlungen von gemeinnützigen Betreibern und Gemeinden über Kostenerstattungen zur Entlastung der Eltern gestalten sich vielerorts schwierig.

 

Ab Anfang Juni sollen die Kitas in Hessen und anderen Ländern mit einem eingeschränkten Regelbetrieb wieder öffnen. Die Kindernotbetreuung wird fortgesetzt und auf weitere Bedarfsgruppen ausgeweitet. Nach Mitteilung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration müssen die Betreuungsgruppen aus Gründen des Infektionsschutzes jedoch möglichst klein sein, sonst verliert die Maßnahme ihre wichtige Wirkung. Auch in anderen Bundesländern wird die Notbetreuung nunmehr deutlich ausgeweitet oder der Regelbetrieb stufenweise wieder hochgefahren.

 

Von gemeinnützigen Einrichtungen betriebene Einrichtungen werden von den Eltern und Kommunen in vielen Fällen zum Erlass von Beiträgen gedrängt, dies ohne dass die kommunalen Träger ihrerseits die Erstattung von Beiträgen aktuell verbindlich zusichern wollen. Anders als städtische oder kirchliche Einrichtungen haben gemeinnützige Träger aus steuerlichen Gründen jedoch nur in sehr begrenztem Umfang Rücklagen und tragen oft zusätzlich hohe Kosten für Gewerberaummiete. Die Betriebskosten laufen regelmäßig trotz Schließung in ganz erheblichem Umfang – nahezu vollständig – weiter und können nicht kurzfristig reduziert werden.

 

Vor diesem Hintergrund stellt sich die rechtliche Frage, ob die Kindertageseinrichtungen trotz vorrübergehender Covid-19 bedingter Schließung weiter Elternbeiträge in vollem Umfang erheben können. Schließlich machen diese Beiträge regelmäßig bis zu einem Drittel des zur Verfügung stehenden Haushalts der Einrichtungen aus. Bei privaten Einrichtungen ist dieser Anteil noch höher. Eine bundeseinheitliche Regelung zum Erlass oder zur Erstattung der Beiträge gibt es derzeit nicht. Die Länder haben in ihren Kompetenzbereichen unterschiedliche Regelungen getroffen. In der Praxis wird es regelmäßig auf die Vereinbarung mit dem jeweiligen kommunalen Träger ankommen. Deshalb soll dieser Beitrag die Frage klären, ob unabhängig von einer landesrechtlichen Kostenübernahme ein Anspruch auf Geltendmachung der Beiträge trotz Schließung besteht.


BETREUUNGSVERTRÄGE MASSGEBLICH

Die Entscheidung über eine Fortzahlungspflicht bei einer Betreuung durch einen gemeinnützigen Träger ist maßgeblich von den mit den Eltern geschlossenen Betreuungsverträgen abhängig. In vielen von uns geprüften Verträgen sind Klauseln enthalten, wonach auch „bei Schließzeiten oder vorrübergehender Schließung der Einrichtung” die Beitragspflicht weiter besteht. Die Covid-19 bedingten Schließungen sind nach unserer  Überzeugung unter diese Fallgruppen zu subsumieren.


GERICHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN BEREITS BEI STREIKBEDINGTEN BETREUUNGSAUSFÄLLEN

Zudem wurde für die Fälle von streikbedingten Betreuungsausfällen die Frage der Fortzahlungspflicht für Elternbeiträge bereits gerichtlich entschieden. Auch diese Entscheidungen haben Aussagekraft für die aktuelle Fragestellung.

 

Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied bezüglich eines Streiks, dass Elternbeiträge auf § 90 SGB VIII beruhende sozialrechtliche Abgaben eigener Art sind und nur begrenzt dem Äquivalenzprinzip unterworfen
sind.

 

Im Rahmen der landesgesetzlichen Mischfinanzierung von Kindertagesstätten durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die Beitragspflichtigen zielen die Elternbeiträge von vornherein nicht auf eine vollständige oder auch nur gegenüber den anderen Finanzierungsträgern gleichrangige Kostendeckung ab. Sie sind – auch unter Berücksichtigung der in der höchsten Einkommensstufe zu entrichtenden Beiträge – gerade bei der hier zu beurteilenden, in besonderer Weise sozialstaatlich geprägten Kategorie von öffentlichen Einrichtungen, auf die Erreichung eines lediglich geringfügigen Deckungsgrades der Jahresbetriebskosten in der jeweiligen Einrichtungsart ausgerichtet (OVG NRW, Beschluss vom 5.9.2012, Az. 12 A 1426/12).


In der Konsequenz ist auf die Bereitstellung eines Betreuungsplatzes und nicht auf die tatsächliche Betreuung und Inanspruchnahme der Leistung abzustellen. 


Im Rahmen der landesrechtlichen Mischfinanzierung der Personalkosten der Kindertagestätten werden diese Kosten durch Elternbeiträge nur zu einem geringen Anteil gedeckt. Der ganz überwiegende Teil der Personalkosten und die Sachkosten für Kitas werden dagegen von der öffentlichen Hand aufgebracht.


Mithin ist der Kostenbeitrag von vornherein nicht einmal annähernd auf eine vollständige Kostendeckung ausgerichtet, sondern als eine nach sozialen Kriterien, insbesondere anhand der Leistungskraft der Beitragsschuldner gestaffelten, Beteiligung an den Kosten der öffentlichen Hand für das wahrgenommene Leistungsangebot bis zu dem gesetzlich bestimmten Deckungsgrad der jährlichen Betriebskosten ausgestaltet (VG Köln, Urteil vom 8.12.2016 Az. 19 K 4628/15).

 

 

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GRUNDSATZ: BEITRAGSPFLICHT BESTEHT WEITERHIN

Damit besteht die Beitragspflicht der Eltern grundsätzlich auch während einer vorübergehenden Schließung fort. Allerdings dürften die Beiträge der Eltern dennoch nicht im groben Missverhältnis zur erbrachten Leistung stehen. Ein derartiges Missverhältnis kann nur in extremen Ausnahmefällen angenommen werden.


BEGRENZUNG DES KOSTENDECKUNGSBEITRAGS?

Durch die Rechtsprechung wurde versucht, in der Vergangenheit die Grenze anhand des  Kostendeckungsbeitrags zu bestimmen, den die Elternbeiträge leisten (VG Neustadt, Urteil vom 14.7.2016 Az. 4 K 123/16). Bei einem Kostenbeitrag von 25 Prozent bestünde damit ein Anspruch auf Betreuung im selben Umfang. Für den Monat März 2020 dürfte deshalb wegen der teilweisen Öffnung der Einrichtungen ein Anspruch der Eltern auf Rückzahlung nicht in Betracht kommen. Mit dem Hochfahren der Regelbetreuung im Mai und Juni werden die Folgen weiter abgemildert, dies gilt auch für ein erweitertes Notfallangebot.  


Aus unserer Sicht ist diese Argumentation des VG Neustadt jedoch nicht überzeugend, denn bei  Einkommensabhängigen Beträgen wäre die Bestimmung des jeweiligen Missverhältnisses von Kind zu Kind unterschiedlich. Aus Typisierungs- und Vereinfachungsgründen im Rahmen der Massenverwaltung wäre eine derartige Betrachtung praktisch zudem schwer umzusetzen.


Für die Monate, in denen die Betreuung prozentual tatsächlich unter dem Kostenbeitrag lag, stellt sich dann immer noch die Frage, welcher Zeitraum der Betrachtung zugrunde zu legen ist. Nur wenn auf den Monatszeitraum und nicht auf einen Jahreszeitraum oder die Dauer des gesamten Betreuungsverhältnisses abgestellt wird, käme es zu einem groben Missverhältnis. Einiges könnte für die Zugrundelegung des Jahreszeitraums sprechen. Schließlich erfolgt die Abrechnung der Einrichtungen mit den Trägern in der Regel auf jährlicher Basis. Dementsprechend planen die Betreiber ihre Betriebskosten auch im Jahresrhythmus.


HANDLUNGSEMPFEHLUNG

Aus Sicht der betroffenen Kindertageseinrichtungen sollten deshalb unseres Erachtens nach auch weiterhin Elternbeiträge abzüglich der Verpflegungskosten erhoben werden. Dies gilt auch soweit mit den Gemeinden im Rahmen der Betreiberverträge Verlustausgleichsklauseln für Betriebskosten vereinbart wurden, denn die Betreiber sind im Rahmen der Schadensminderungspflicht gehalten, vertragliche Ansprüche auch durchzusetzen. Ansonsten droht möglicherweise eine Abrechnung zum Jahresende, im schlimmsten Fall sogar die Kündigung des Betreibervertrages.


Wenn die kommunalen Träger ihrerseits die Beiträge übernehmen und den Trägern die Elternbeiträge erstatten wollen, ist dies aus Sicht der Eltern und Betreiber zu begrüßen. Es ist unserer Auffassung nach jedoch eine verwaltungsverfahrensrechtliche Zusicherung der Kommunen zwingend erforderlich, um etwaige Rückforderungen oder Anrechnungen nach Erstellung der Jahresabschlussrechnung zu vermeiden. Dazu kann auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden, der den Betreibervertrag modifiziert.


Vorsicht ist geboten, soweit die Gemeinde ihre Zahlungen nur unter Vorbehalt einer Rückforderung und nicht den Anforderungen an das Schriftformerfordernis entsprechend leisten will. Auch bei Kommunen, die sich wegen einer schlechten Finanzlage in einer Haushaltssicherung befinden, dürfen Elternbeiträge grundsätzlich nicht erstattet werden.

 

Die vorstehende Problematik stellt sich spiegelbildlich auch für die Bereiche der schulischen Betreuung. Auch diesbezüglich stehen wir Ihnen gerne jederzeit für eine persönliche Beratung zur Verfügung.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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