Umsatzsteuerbefreiung bei Laborleistungen auch ohne „Vertrauensbeziehung”

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​​​​​veröffentlicht am 8. Dezember 2020; Autoren: Sebastian Heinke, Simone Müller


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Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie werden in Deutschland derzeit Corona-Tests in großem Umfang durchgeführt. In der 44. Kalenderwoche bestand eine Testkapazität von 1,6 Millionen Tests pro Woche.


Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Auswertung und Durchführung der Corona-Tests durch ein von dem anordnenden Arzt unabhängiges Drittlabor umsatzsteuerrechtlich zu bewerten ist.


Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG sind „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden”, von der Umsatzsteuer (i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) befreit.


Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 22.1.2020 entschieden (XI R 24/19), dass die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG auch bei einer entsprechenden beruflichen Qualifikation eines Gesellschafters einer GbR für Laborleistungen und bei der Erbringung der Leistungen für externe Ärzte und Kliniken zu gewähren ist. Ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient muss folglich für die Steuerbefreiung im Rahmen einer Heilbehandlung i. S. v. § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG nicht bestehen. Entsprechendes muss auch bei der Auswertung von Corona-Tests durch ein Drittlabor gelten.


Sachverhalt des BFH-Urteils

Die Klägerin, eine ärztliche Gemeinschaftspraxis (GbR), die vorwiegend im Bereich Dermatologie tätig ist, betreibt ein eigenes Labor zur Analyse und Befundung von Gewebeproben, verfügt aber über keine eigene vertragsärztliche Zulassung. Die Laboruntersuchungen werden aufgrund ärztlicher Anordnung durchgeführt und dienen der Erkennung von Krankheiten.


Die Beauftragung erfolgt durch eigene (Privat-)Patienten, aber auch durch externe niedergelassene oder privatärztlich tätige Ärzte sowie Kliniken. Die Durchführung der Analysen und der Befundung erfolgt durch die Gesellschafter persönlich. Alle Gesellschafter verfügen über eine fachärztliche Ausbildung mit entsprechender Zusatzausbildung.


Hinsichtlich der Leistungserbringung für die eigenen Patienten bestand Einvernehmen zwischen Klägerin und Finanzamt dahingehend, dass die Laborleistung als unselbstständige Nebenleistung zu der eigentlichen Behandlung (Heilbehandlung) diene und diese der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG unterliege.


Die Klägerin war der Annahme, dass diese Befreiung ebenfalls für die extern erbrachten Laborleistungen gelte und erklärte die Umsätze entsprechend gegenüber ihrem Finanzamt. Das Finanzamt erkannte die Befreiung für die extern erbrachten Laborleistungen nicht an und begründete dies mit der Auffassung, dass die erbrachten Laborleistungen wegen fehlendem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen den Ärzten (Klägerin) und den Patienten nicht als Nebenleistung unter die Befreiung gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG fallen würde.


Gegen den letztendlich ergangenen Einspruchsbescheid seitens des Finanzamts erhob die Klägerin Klage beim Finanzgericht (FG) Hamburg, und hatte Erfolg (Urteil vom 29.8.2017; 2 K 221/15). Der BFH als Revisionsgericht hat das Verfahren nach dessen Aussetzung bis zum Ergehen einer Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof (Peters-Urteil vom 18.9.2019; C-700/17) wieder aufgenommen und entschieden.


Entscheidungsgründe des BFHs

In diesem Zusammenhang hat das BFH geurteilt, dass die Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG auch ohne das direkte „Vertrauensverhältnis” zum Patienten erfüllt seien. § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG beruhe auf Art. 132 Abs. 1 lit. c) MwStSystRL. Der EuGH hatte in seinem Urteil in der Rechtssache Peters bereits entschieden, dass die Steuerbefreiung der Heilbehandlungen gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL nicht vom Vorliegen eines Vertrauensverhältnisses zwischen der behandelnden und der behandelten Person abhängen würde.


Es würde gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen, wenn abhängig vom Ort der Leistung eine andere Mehrwertsteuerregelung gelten würde, obwohl ihre Qualität angesichts der Ausbildung der betreffenden Dienstleistungserbringer gleichwertig ist. Der EuGH hatte in einem seiner Leitsätze (Peters-Urteil vom 18.9.2019; C-700/17) ausdrücklich erklärt, dass die „Befreiung von der Mehrwertsteuer nicht von der Voraussetzung abhängt, dass die betreffende Heilbehandlungsleistung im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Patienten und dem Behandelnden erbracht wird”.


Die weiteren Tatbestandvoraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG seien ebenfalls erfüllt. So wurden die Laborleistungen im Zuge der Heilbehandlung im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt vorgenommen. Dabei sei auch unerheblich, dass die Gewebeproben vom nichtärztlichen Laborpersonal präpariert wurden. Es sei nicht erforderlich, dass jeder Schritt einer therapeutischen Behandlung von ärztlichem Personal durchgeführt wird. Die entscheidenden Arbeitsschritte der Untersuchung und der Befundung wurden bei der Klägerin von den Fachärzten vorgenommen, sodass insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen ohne weitere Zweifel erfüllt waren.


Übertragbarkeit auf die Durchführung von Corona-tests

Die vorstehende Entscheidung ist unserer Auflassung nach auf die externe Durchführung und Auswertung von Corona-Tests (Laborleistungen) übertragbar. Auch in dieser Konstellation dürfte es regelmäßig am Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Labor fehlen. Dies ist nach der Rechtsprechung des EuGHs und BFHs jedoch unerheblich, weshalb die Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG zur Anwendung kommen muss.


Aufgrund der stark steigenden Zahl der Covid-19-Erkrankten ist es in der Praxis schon nicht möglich, dass Arztpraxen und Kliniken die Corona-Tests innerhalb ihrer eigenen Labore durchführen. Die Laborleistung muss zur effektiven Testung der Infizierten zwangläufig auch in Drittlaboren erfolgen.


Praxishinweise

Entgegen der Entscheidung des BFHs vertritt die Finanzverwaltung weiterhin eine abweichende Auffassung. Im Abschnitt 4.14.1. Abs. 1 S. 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE; Stand 1.10.2020) verlangt diese für die Steuerbefreiung weiterhin ein Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Behandelndem. In Abgrenzung zu § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG sei § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG auf Leistungen anzuwenden, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem, z. B. in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden. Dabei beruft sich die Finanzverwaltung auf das EuGH-Urteil vom 6.11.2003, C-45/01, Dornier.


Es sind in dieser Hinsicht also weitere Konflikte mit den Finanzämtern zu erwarten. Bei Fragen zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Laborleistungen beraten wir Sie gern.

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Ronny Oechsner

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