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veröffentlicht am 19. Juni 2018
Das Thema „Tax Compliance” ist seit einiger Zeit in aller Munde. Unabhängig von allen theoretischen Hintergründen, offiziellen Grundelementen und Erläuterungen oder auch der Bezeichnung „Tax-CMS” muss am Ende eines gewährleistet sein: Ein funktionierendes Tax-Compliance-System muss sicherstellen, dass ein Steuerpflichtiger seine Steuererklärungen grundsätzlich mit zutreffendem Inhalt abgibt. Für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege ergibt sich aufgrund der Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung hier dringender Handlungsbedarf. Es reicht nicht mehr aus, die erbrachten Leistungen nur „pauschal” dem Zweckbetrieb zuzuordnen. Entscheidend ist, auf welche Zweckbetriebsvorschrift sich ein Steuerpflichtiger beruft und ob hieraus dauerhaft Gewinne angestrebt werden.
Bei gemeinnützigen Einrichtungen gehört es dazu, die erzielten Einnahmen den richtigen steuerlichen Sphären zuzuordnen, nämlich dem ideellen Bereich, dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb, dem voll steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und der Vermögensverwaltung. Nur so können die für die Steuererklärung relevanten Werte richtig ermittelt werden.
Ein funktionierendes Tax-CMS bedeutet auch, dass der Steuerpflichtige Rechtsänderungen bzw. -entwicklungen korrekt berücksichtigt.
Solche Rechtsentwicklungen liegen auch vor, wenn sich die Finanzverwaltung zu bestimmten Rechtsthemen äußert bzw. wenn sie hierzu Verwaltungsanweisungen erlässt.
Für Wohlfahrtseinrichtungen ist die Änderung des Anwendungserlasses zu § 66 AO zu Beginn des Jahres 2016 (Änderung des AEAO zu § 66 AO, koordinierter Ländererlass vom 26. Januar 2016) eine sehr wichtige Entwicklung in diesem Zusammenhang, die unbedingt zu beachten ist. Zwar hat die Auffassung der Finanzverwaltung keinen Rechtscharakter, weshalb man nicht von einer Rechtsänderung sprechen kann. Das Gesetz in Bezug auf die Steuerbefreiung gemeinnütziger Einrichtungen, die Wohlfahrtspflege betreiben, ist seit Jahren nahezu unverändert. Allerdings führt die Änderung des Anwendungserlasses zu einer völlig neuen Auslegung der Gesetzesvorschrift und hat deshalb eine wesentliche Bedeutung.
Es ist gesetzlich geregelt, dass Wohlfahrtseinrichtungen von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit sind, soweit sie ihre Leistungen im Rahmen ihres Zweckbetriebs Wohlfahrtspflege (§ 66 AO) erbringen und diese Leistungen bedürftigen Personen zugutekommen. In der Vergangenheit wurde die Vorschrift des § 66 AO in der Regel so ausgelegt, dass erzielte Gewinne der Zweckbetriebe nicht zu versteuern waren.
Der neue Anwendungserlass zu § 66 Abs. 2 AO legt aber fest, dass die Steuerbefreiung nur dann greift, wenn die Wohlfahrtspflege „nicht des Erwerbs wegen” ausgeführt wird. Eine Ausführung „des Erwerbs wegen” wird durch die Finanzverwaltung allerdings nach dem neuen AEAO schon dann unterstellt, wenn „damit Gewinne angestrebt werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen”. Ein Handeln des Erwerbs wegen liegt laut Finanzverwaltung schon dann vor, wenn durch die Gewinne einer Einrichtung andere Zweckbetriebe nach §§ 65, 67, 67a und 68 AO bzw. die übrigen ideellen Tätigkeiten finanziert werden. Die Mitfinanzierung eines anderen Zweckbetriebes nach § 66 AO ist unschädlich.
Sofern eine gemeinnützige Körperschaft wie z.B. ein medizinisches Versorgungszentrum oder ein ambulanter Pflegedienst ausschließlich Leistungen erbringt und hieraus Einnahmen erzielt, die dem Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege zuzurechnen sind, darf diese hiermit keine Gewinne anstreben – andernfalls kann die Steuerbefreiung nach § 66 AO verloren gehen.
Komplizierter wird die Situation noch für gemeinnützige Körperschaften, die neben Leistungen, die dem Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege zuzurechnen sind, weitere Leistungen erbringen, die anderen Zweckbetriebsvorschriften zugerechnet werden können. Dies betrifft vor allem die Wohlfahrtsverbände, die in der Regel auch Leistungen erbringen, die den Zweckbetrieben nach § 68 AO zugerechnet werden können (z.B. Essen auf Rädern, Betrieb von Kindergärten und Kindertageseinrichtungen, Betrieb von Alten- und Pflegeheimen). Für solche Körperschaften gibt die Finanzverwaltung im AEAO zu § 66 vor, dass Gewinne im Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege nicht verwendet werden dürfen, um diese nach § 68 AO befreiten Tätigkeiten mitzufinanzieren.
Wohl kaum eine Wohlfahrtseinrichtung hat in der Vergangenheit ihre Zweckbetriebseinnahmen dahingehend getrennt bzw. buchhalterisch erfasst, dass eine Zuordnung zu den verschiedenen in der AO definierten Zweckbetrieben (§§ 65, 66, 67, 67a, 68 AO) möglich wäre, geschweige denn erfolgte eine Trennung in verschiedene Zweckbetriebe nach § 66 AO. Ein Nachweis, dass ein Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege keine Gewinne erzielt hat (die in anderen Zweckbetrieben oder dem ideellen Bereich eingesetzt wurden) ist daher nicht (ohne Weiteres) möglich. Der fehlende Nachweis durch ein solches Rechenwerk könnte jedoch in einer Betriebsprüfung rückwirkend zur Steuerpflicht führen.
Im Gesetz stehen die Vorschriften für die verschiedenen Arten der Zweckbetriebe „nebeneinander”. Da die Finanzverwaltung nun die genaue Zuordnung der erzielten Einnahmen zu den einzelnen Gesetzesvorschriften fordert, stellt sich die Frage, welche Vorschrift vorrangig anzuwenden ist. Gerade für Wohlfahrtseinrichtungen mit „mehreren Sparten” ist die Frage von Bedeutung, da diese in der Regel Tätigkeiten ausführen, die bereits nach § 68 AO einem Zweckbetrieb zuzuordnen wären (Altenheime, Kindergärten, Mahlzeitendienste), aber auch solche, die nur nach § 66 AO befreit sind (Krankentransport, ambulante Pflegedienste, Sanitätsdienst, Schulbetreuung etc.) Zwar geht die Literatur davon aus, dass die Sonderregelung für einzelne Zweckbetriebe (§ 68 AO) der allgemeineren Vorschrift des § 66 AO vorgeht. Diese Aussage muss allerdings vor dem Hintergrund gesehen werden, dass in der Vergangenheit ein Vorrang des § 68 AO sich nur zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken konnte, da diese Vorschrift zum Teil geringe Anforderungen an die Steuerbegünstigung stellt. So muss für die Steuerbegünstigung des § 66 AO immer geprüft werden, in welchem Umfang tatsächlich hilfsbedürftige Personen eine Leistung empfangen, bei der Steuerbefreiung nach § 68 AO kann hierauf zum Teil verzichtet werden. Durch die Vorgabe der Finanzverwaltung, Gewinne eines Zweckbetriebs nach § 66 AO nicht für Zweckbetriebe des § 68 AO verwenden zu dürfen, würde sich der Vorrang des § 68 AO aber zum Teil negativ für die Steuerpflichtigen auswirken. Nach der bisherigen Ansicht dürften etwaige Gewinne aus stationären Einrichtungen zwar in der ambulanten Pflege eingesetzt werden. Gewinne aus der ambulanten Pflege dürften aber nicht im stationären Bereich eingesetzt werden. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung und insbesondere die Gerichte dazu äußern werden.
Auch wenn viele Punkte in Bezug auf die praktische Umsetzung der Vorschrift der Finanzverwaltung noch ungeklärt sind, müssen die Wohlfahrtseinrichtungen schnellstmöglich reagieren und ihr innerbetriebliches Rechnungswesen auf die Trennung der Ergebnisse der verschiedenen Zweckbetriebe ausrichten. Die erbrachten Leistungen müssen zumindest den einzelnen Zweckbetriebsvorschriften der AO zugeordnet werden. Zudem müssen zwingend Planungen aufgestellt werden, welche Gewinne (bzw. Ergebnisse) in welchen Bereichen angestrebt werden und wie die Gewinne verwendet werden sollen. Dabei ist zu beachten, dass geplante Gewinne im Bereich des § 66 AO nur im jeweiligen Zweckbetrieb selbst eingesetzt werden dürfen. Lediglich nicht geplante, also mehr oder weniger „zufällig” im Zweckbetrieb entstandene Gewinne dürfen auch in einem anderen Zweckbetrieb zugunsten der Wohlfahrtspflege verwendet werden.
Einrichtungen der Wohlfahrtspflege nehmen bisher mehr oder weniger ungeprüft die gesetzliche Steuerbefreiung in Anspruch. Die Geschäftsführer der Körperschaften sind jedoch verpflichtet, den „Anspruch” auf die Steuerbefreiung auch zu prüfen und nachzuweisen, da andernfalls eine Steuerverkürzung oder sogar Steuerhinterziehung im Raum stehen könnte.
Insbesondere die mögliche „Querfinanzierung” der stationären Pflege durch die ambulante Pflege könnte sich für viele Körperschaften als Problem erweisen, sofern nicht der Nachweis erbracht werden kann, dass eine solche gar nicht vorliegt. Auch für rein ambulante Pflegedienste müssen Nachweise vorgehalten werden, wie erzielte Gewinne kurzfristig im Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege eingesetzt werden sollen.
Autoren: Dr. Mathias Lorenz und Anka Neudert
Dr. Mathias Lorenz, M.I.Tax
Diplom-Kaufmann, Steuerberater, Zertifizierter Berater für Gemeinnützigkeit
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