Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO im Beschäftigtenkontext unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung

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veröffentlicht am 11. Juli 2022; Autor: Maximilian S. Dachlauer

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Endet ein Arbeitsverhältnis streitig – meist dann durch eine verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber – ist es vielfach zu beobachten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Kündigungsschutzklage sich nicht nur gegen die Kündigung wehren, sondern auch ihren datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend machen. Das Recht auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO, das auch ein Recht auf Kopie gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO beinhaltet, ist zweifelslos in der heutigen Informationsgesellschaft wichtig und richtig. Dennoch erschleicht einen in nicht wenigen Fällen das Gefühl, die die Auskunft geltend machenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind weniger an der Information über die sie betreffenden verarbeiteten Daten interessiert, als vielmehr an der Möglichkeit, den Arbeitgeber vermeintlich durch das Auskunftsverlangen und den damit verbundenen (Kosten-)Aufwand zu ärgern.


Auch außergerichtlich ist das Auskunftsverlangen ein recht beliebtes Mittel von gekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geworden, den Abfindungsbetrag in einer Aufhebungsvereinbarung noch ein wenig in die Höhe zu treiben.

 

Einen Kurzüberblick über die Problematik und den aktuellen Meinungs- und Rechtsprechungsstand zu geben, ist Gegenstand dieses Beitrages.

 

Anspruchsgegenstände in Art. 15 DSGVO

Zunächst stellt sich die Frage, welche Ansprüche die betroffene Person, also der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gegenüber dem Verantwortlichen (Arbeitgeber) aus Art. 15 DSGVO geltend machen kann.

Hierfür sollte zuerst die gesetzgeberische Idee hinter Art. 15 DSGVO betrachtet werden, um anschließend die 3 Ansprüche aus Art. 15 DSGVO herauszuarbeiten.

 

Gesetzgeberische Idee hinter Art. 15 DSGVO

In Art. 15 DSGVO ist der Auskunftsanspruch des Betroffenen, im Beschäftigtenkontext der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers, gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen, d. h. dem Arbeitgeber, geregelt.

 

Zur Bestimmung des Inhalts, des Umfangs und der Reichweite des Auskunftsanspruchs hilft es zunächst, sich die dahinterstehende gesetzgeberische Idee zu vergegenwärtigen.

 

Nach Erwägungsgrund 63 S. 1 zur DSGVO soll die betroffene Person „ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können”.

 

Art. 15 DSGVO soll demnach dazu dienen, den Betroffenen zu ermöglichen, ihre Betroffenenrechte (Recht auf Löschung, Berichtigung und Einschränkung der Verarbeitung und Datenübertragbarkeit, Art. 16 ff. DSGVO) sowie Schadensersatzansprüche (Art. 82 DSGVO) geltend zu machen.

 

Anspruchsgegenstände in Art. 15 DSGVO

Art. 15 DSGVO normiert 3 Anspruchsgegenstände:

 

Erster Anspruchsgegenstand: das „ob“ der Datenverarbeitung

Erster Anspruchsgegenstand ist ein Anspruch auf Auskunft bzw. eine Bestätigung, ob der Verantwortliche personenbezogene Daten der betroffenen Person verarbeitet (Art. 15 Abs. 1 Hs. 1 DSGVO);

 

Zweiter Anspruchsgegenstand: Welche Daten werden verarbeitet?

Zweiter Anspruchsgegenstand ist ein Anspruch auf Auskunft über die personenbezogenen Daten, die in Bezug auf die betroffene Person vom Verantwortlichen verarbeitet werden und auf weitere Informationen wie zum Beispiel die Verarbeitungszwecke, die Datenkategorien, die Empfänger, die Speicherdauer und die Herkunft der Daten etc. sowie auf Unterrichtung über geeignete Garantien gem. Art. 46 DSGVO bei Übermittlung in ein Drittland (Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 und Abs. 2 DSGVO).

 

Dritter Anspruchsgegenstand: Anspruch auf Datenkopie

Dritter Anspruchsgegenstand ist ein Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (Art. 15 Abs. 3 DSGVO).

 

Gerade letzterer Anspruchsgegenstand, der Anspruch auf Kopie, bereitet in der Praxis Probleme, da in einem Arbeitsverhältnis, das ein Dauerschuldverhältnis ist und typischerweise mehrere Jahre besteht, in der Regel in sehr großem Umfang personenbezogene Arbeitnehmerdaten durch den Arbeitgeber verarbeitet werden.

 

Frage nach Umfang und Reichweite des Auskunftsanspruchs

Welchen Umfang und welche Reichweite haben also die Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO?

 

Unterinstanzliche Rechtsprechung zum Auskunfts- und Kopieanspruch nach Art. 15 DSGVO

Hier haben sich sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Art. 15 DSGVO herauskristallisiert.


Eine enge Auslegung, so beispielsweise das LAG Niedersachsen (Urt. v. 9.6.2020 – 9 Sa 608/19) oder das OLG Stuttgart (Urt.v. 17.6.2021 – 7 U 325/20), kommt am Ende zum Ergebnis, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO durch die Angabe der Daten erfüllt werden kann, die der Arbeitgeber über den Beschäftigten verarbeitet. Dies sind in aller Regel die Stammdaten in unterschiedlichsten Verarbeitungssituationen. Da nach dieser Auffassung der Anspruch auf die Erteilung einer Kopie über die personenbezogenen Daten nicht weitergehen könne als die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO geregelten Pflichtangaben, liegt der Schluss nahe, dass der Anspruch auf Kopie durch die Überreichung einer Auflistung der Stammdaten (z. B. in Tabellenform) erfüllt werden kann.

 

Nach einer weiten Auslegung (OVG Münster, Urt. v. 8.6.2021 – 16 A 1582/20; OLG München 4.10.2021 – 3 U 2906/20) bezieht sich der Auskunfts- und Kopieanspruch auf alle vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten der betroffenen Person. Der Gegenstand des Kopieanspruchs richte sich nicht lediglich auf eine abstrakte Aufzählung der vorhandenen Informationen, da dieser bereits in dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO enthalten ist. Vielmehr habe die oder der Betroffene einen Anspruch auf Überlassung der Informationen in der Form, wie sie dem Verantwortlichen vorliegen.

 

Bislang ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zum Auskunfts- und Kopieanspruch nach Art. 15 DSGVO 3 höchstrichterliche Entscheidungen sind an dieser Stelle erwähnenswert:

 

BAG, Urt. v. 27.4.2021 – 2 AZR 342/20

Das Bundesarbeitsgericht hat hier geurteilt, dass ein Klageantrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht.

 

Da das BAG bereits die Zulässigkeit des Klageantrags auf Überlassung von (nicht näher bezeichneten) E-Mails verneinte, musste es sich auch nicht abschließend zum weiteren Umfang und der Reichweite des Kopieanspruchs äußern. Aus diesem Urteil lässt sich daher keine weitere Klärung ableiten.

 

BAG, Urt. v. 16.12.2021 – 2 AZR 235/21

Ähnlich verhält es sich mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.12.2021. Das Gericht urteilte hier, dass ein Klageantrag, der ergänzend zum Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DSGVO auslegungsbedürftige Begriffe enthält, über deren Inhalt nicht behebbare Zweifel bestehen, nicht hinreichend bestimmt sei. Wieder sah das Gericht bereits die Unzulässigkeit des Klageantrags gegeben und musste sich zum weiteren Umfang und der Reichweite des Anspruchs auf Kopie nicht abschließend äußern.

 

BGH, Urt. v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19

Der Bundesgerichtshof hingegen hielt einen Klageantrag („Datenauskunft durch Überlassen in Kopie […] zu erteilen“) für prozessual zulässig. Zu beachten ist aber, dass der Kläger in der Klagebegründung zumindest konkretisierte, welche Auskünfte er (noch) begehrt.

 

Der Bundesgerichtshof hielt aber auch vom Anspruch auf Kopie interne Vermerke und die Kommunikation der Parteien dem Grunde nach umfasst. Das Gericht schloss sich damit der weiten (unterinstanzlichen) Auffassung des Auskunfts- und Kopieanspruchs nach Art. 15 DSGVO an.

 

EuGH-Vorlage des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts

Das österreichische Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Vorlagebeschluss vom 9.8.2021 (AZ: W211 2222613-2/12, 9.8.2021) die Frage eines engen oder weiten Verständnisses von Art. 15 DSGVO dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern durch das EUGH-Urteil eine Klärung herbeigeführt wird.

 

Schranken des Umfangs und der Reichweite des Auskunfts- und Kopieanspruchs

Insgesamt ist wohl eher damit zu rechnen, dass sich ein weites Verständnis von Art. 15 DSGVO auch höchstrichterlich durchsetzen wird und der Anspruch auf Kopie mehr umfasst als eine tabellarische Aufstellung der verarbeiteten Daten.

 

Wie dennoch die Erfüllung des Auskunfts- und Kopieanspruchs gem. Art. 15 DSGVO praktisch umzusetzen ist, dem kommt eine große Bedeutung zu.

 

Schon von Gesetzes wegen ist das Recht auf Kopie gem. Art. 15 Abs. 4 DSGVO begrenzt, wenn dadurch die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt werden. Dies sind vor allem Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers oder Persönlichkeitsrechte von anderen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern beziehungsweise Dritten. Hier wird also der Auskunftsanspruch eingeschränkt.

 

Die allgemeine Grenze des Rechtsmissbrauchs (offensichtlich unbegründete oder exzessive Anspruchsgeltendmachung) wird wohl eher ein stumpfes Schwert bleiben und nur in extremen Ausnahmefällen angenommen werden können.

 

Eine für Arbeitsverhältnisse bedeutsame Einschränkung von Auskunfts- und Kopieanspruch lässt sich durch einen weiteren Blick in die Erwägungsgründe zur DSGVO begründen.

 

In Erwägungsgrund 63 steht, dass der Verantwortliche verlangen kann, wenn er eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.

 

So urteilte auch das LAG Hessen (Urt. v. 10.6.2021 – 9 Sa 861/20), dass der Detaillierungsgrad der mitzuteilenden Informationen sich am Erwägungsgrund 63 zur DSGVO zu orientieren habe.

 

Der Auskunftsanspruch beziehe sich auf die sogenannten „Stammdaten“ der auskunftsberechtigten Person. Bei einem allgemein gehaltenen Auskunftsanspruch seien auch nur die „folgenden Informationen“ gem. Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DSGVO zu erteilen. Dadurch werde die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer in die Lage versetzt zu erkennen, zu welchem Zweck, mit welchen Mitteln und mit welcher Zielrichtung der Arbeitgeber persönliche Daten erhoben, gespeichert und gegebenenfalls weitergegeben hat.

 

Möchte der Betroffene dann detaillierte Informationen, hat er zu konkretisieren, auf welche Informationen es ihm ankommt.

 

Fazit

Umfang und Reichweite des Auskunftsanspruchs sind trotz mittlerweile vereinzelt ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung insbesondere im Beschäftigtenkontext weiter unklar. Hoffnung ruht diesbezüglich auf der österreichischen EuGH-Vorlage.

 

Derzeit ungeklärt ist, ob vom Anspruch auf Auskunft und Kopie auch umfangreiche Datenmengen umfasst sind, wie z. B. der gesamte oder teilweise E-Mailverkehr eines Betroffenen (freilich nur unter Vornahme von Schwärzungen weitestgehender Teile zur Wahrung der Rechte des Arbeitgebers und Dritter). Nach hier vertretener Auffassung darf ein allgemein gehaltenes Auskunftsersuchen auch allgemein beantwortet werden, sodass erst nach einer etwaigen Konkretisierung durch den Betroffenen überhaupt aufwändige Kopien herausgegeben werden müssen. Es lohnt sich daher stets, das Auskunftsersuchen des Betroffenen genau rechtlich zu analysieren.

 


 

Kontakt

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Carina Richters

Rechtsanwältin, Compliance Officer (TÜV)

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