Aktuelles zum Arbeitsrecht in Großbritannien

PrintMailRate-it
von Beatrix Tröger, Rödl & Partner Birmingham
 

Suspendierung

Crawford v Suffolk Mental Health Partnership NHS Trust

In diesem Fallurteil verweist der Court of Appeal Arbeitgeber darauf, dass während einer Ermittlung / einem Disziplinarverfahren keine absolute Regelung existiert, die vorschreibt, dass Arbeitnehmer zwingend zu suspendieren sind. Suspendierungen sollten keinesfalls eine automatische Antwort auf angebliches Missverhalten darstellen. Ferner sollten sie nie reflexartig erfolgen. Der Fall bezieht sich auf einen vorangegangenen Fall Gogay, in dem festgestellt wurde, dass eine ungerechtfertigte Suspendierung einen Arbeitnehmer dazu berechtigen kann, zu kündigen und den Arbeitgeber anschließend wegen einer nicht rechtswidrigen außerordentlichen Kündigung zu verklagen. Das Urteil lautet auszugsweise wie folgt: „Ich weiß es zu schätzen, dass oft angenommen wird, dass Suspendierungen im besten Interesse des Arbeitnehmers liegen; aber viele Arbeitnehmer werden dies hinterfragen und meiner Meinung nach tun sie dies auch zu Recht. Sie werden sich durch den vollständigen Ausschluss von der Arbeit und die erzwungene Fernhaltung von den Kollegen, von denen zahlreiche Freunde sein werden, häufig diffamiert und demoralisiert fühlen. 
 
Dies kann schwerwiegende psychische Folgen haben. Auch wenn die Anschuldigungen nachträglich aufgehoben wurden, werden diese wahrscheinlich nachklingen, nicht zuletzt vermute ich, dass dies dadurch der Fall sein wird, weil die Suspendierung dem Ganzen einen gewissen Wahrheitsgehalt zukommen lässt”.
 

Rat für Arbeitgeber

Hilfreich für Arbeitgeber ist es zu wissen, dass bezüglich der Frage, ob nun zu suspendieren ist oder nicht, keine richtige oder falsche Antwort existiert. Vielmehr ist die Position des Arbeitgebers, vorausgesetzt dass die Entscheidung zur Suspendierung nicht völlig falsch und unverhältnismäßig war, sicher. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber zeigen kann, dass er sich mit dem Thema der Suspendierung wirklich aktiv beschäftigt hat und diese nicht automatisch vollzog. 
 
Allgemein sind die zwei wesentlichen Begründungen für eine Suspendierung, dass der Arbeitgeber einerseits einen weiteren Zwischenfall befürchtet und andererseits, dass der Arbeitgeber befürchtet, dass die Ermittlung durch die weitere Präsenz des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz behindert werden könnte. Sollte der Arbeitgeber daher vor der Suspendierung diese Rechtfertigungen bedacht haben und weiterhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer solchen Rechtfertigung gegeben sein, ist es für den Arbeitnehmer schwierig, diese Entscheidung noch anzugreifen.
 

Kündigung

Capital Hartshead Limited v Byard
 
Arbeitgeber werden mit der Idee eines „Kündigungspools” vertraut sein. Das bedeutet, dass Arbeitgeber, die die Absicht haben, Kündigungen auszusprechen, alle potentiell davon betroffenen Kandidaten in einer Gruppe sammeln. Probleme können bei der Frage auftreten, welchen Umfang dieser Pool haben soll. Als Beispiel kann ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen herangezogen werden, das die Angestelltenzahl seiner Sekretärinnen in der Steuerabteilung halbieren möchte. Sollten in den Pool nun nur die fünf Steuersekretärinnen einbezogen werden oder sollte der Pool ebenfalls die fünf Sekretärinnen aus der Wirtschaftsprüfungs- und Complianceabteilung beinhalten? Vieles wird von den Unterschieden in der Ausführung der Tätigkeiten und der Übertragbarkeit der jeweiligen Befähigungen abhängen. Sollte die durchgeführte Arbeit der verschiedenen Sekretärinnen größtenteils vergleichbar sein und eine Steuersekretärin ebenfalls die Arbeit einer Compliancesekretärin ohne weitere Schwierigkeiten übernehmen können, dann wird es für die Argumentation schwierig sein, zu begründen, warum sich nur die Steuersekretärinnen in dem Pool befinden.
 
Im oben genannten Fall bildete das Unternehmen einen Pool mit nur einer Aktuarin. Obwohl das Unternehmen weitere Aktuare beschäftigte, rechtfertigte der Arbeitgeber seine Entscheidung damit, dass die Aktuare mit den Mandanten persönlich vertraut waren, dass die Mandantenliste dieser Aktuarin sich verringert hatte und die Gefahr bestand, weitere Mandanten in dem Falle zu verlieren, wenn man einen anderen Aktuar mit einer längeren Mandantenliste kündigen würde und diese Stelle dann mit dieser Aktuarin besetzt. 
 
In diesem Fall entschied das Tribunal, dass die Poolbildung ungerechtfertigt war und dass die anderen  Aktuare hätten miteinbezogen werden müssen. Es lag keine Beanstandung der Arbeit von Frau Byard vor und das Risiko, Mandanten zu verlieren, wenn diesen Mandanten ein neuer Aktuar gegeben würde, war gering. 
 
Der Arbeitgeber legte dagegen Berufung ein. Diese wurde abgelehnt. Das Employment Appeal Tribunal (EAT) hielt fest, dass das Tribunal nicht den klassischen Fehler gemacht hat, seine eigene Sicht der Dinge, was hätte passieren sollen, durchzusetzen, sondern die Fakten des Falls nahm und nicht nur meinte, dass der Arbeitgeber nicht völlig unverhältnismäßig gehandelt hat. Einfach ausgedrückt: Der EAT bestätigte, dass der Arbeitgeber völlig unverhältnismäßig gehandelt hat und die Kündigung daher nicht gerechtfertigt war. 
 
Ungeachtet dieser Tatsachenfeststellung fuhr das EAT bestätigend fort, dass das Gesetz im Allgemeinen sehr arbeitgeberfreundlich ist.
 

Das Gesetz sagt zu diesem Bereich

  1. Das Tribunal darf nicht feststellen, dass der Arbeitgeber unverhältnismäßig gehandelt hat, nur weil es selbst eine andere Vorgehensweise gewählt hätte. Vielmehr kann das Tribunal den Arbeitgeber nur dann rügen, wenn dessen Verhalten außerhalb einer angemessenen Reaktion lag.
     
  2. Die Frage, wie ein solcher Pool zu gestalten ist, liegt beim Arbeitgeber selbst. Es ist schwer, die Entscheidung des Arbeitgebers anzugreifen, wenn dieser ernsthaft über die Sache nachgedacht hat.
     
  3. Die Aufgabe des Tribunals ist es, unter gründlicher Heranziehung der Beweise sicher zu stellen, dass der Arbeitgeber tatsächlich über die Ausgestaltung des Pools nachgedacht hat.
     
  4. Und wenn der Arbeitgeber sich sorgfältig damit beschäftigt hat, ist es für einen Arbeitnehmer schwer, aber nicht unmöglich, die Ausgestaltung des Pools anzufechten. 
     

TUPE

Enterprise Management Services Limited v Connect-up Limited. Mit der Änderung der TUPE Regulations 2006 wurde das Konzept des Betriebsübergangs („Service provision change”) reformiert. Der allgemeine Konsens ist, dass nun in beinahe jedem Fall einer Ausgliederung ein TUPE Transfer vorliegt. Dies kann aber nicht als allgemeine Aussage gelten. Im vorliegenden Fall hat Enterprise Management IT-Unterstützung für Schulen angeboten. Als der Vertrag neu ausgeschrieben wurde, entschied sich Enterprise Management, nicht zu bieten. Seinerzeit gewann Connect-up den Vertrag. Sie waren aber nicht die einzigen Gewinner. Auch fünf andere Gesellschaften gewannen einen Teil der Arbeit.
  
Jedoch war Connect-up mit einem Marktanteil von 62% der größte Gewinner. Von diesen 62% waren 15% von der Art der Arbeit im Hinblick auf den vorherigen Vertrag verschieden. Das Tribunal befand, dass kein Betriebsübergang stattgefunden hat, sodass TUPE nicht anwendbar ist und Connectup damit nicht verpflichtet war, das Personal von Enterprise Management zu übernehmen. Dagegen legte Enterprise Management Berufung ein, die jedoch abgewiesen wurde. Der Grund dafür war, dass die jeweilige „Tätigkeit”grundlegend unverändert in der Hand der neuen Gesellschaft, wie sie dies vorher war, bleiben muss. Nach den Tatsachen dieses Falles wurde festgestellt, dass bei einer Veränderung der Tätigkeit von 15% diese so hinreichend unterschiedlich ist, dass TUPE keine Anwendung findet. Zusätzlich wurde festgestellt, dass Connect-up nur 62% des alten Vertrags innehielt und dies den neuen Vertrag ebenfalls hinreichend verschieden von dem alten darstellte. Der Vertrag wurde unter sechs Vetragspartnern aufgeteilt und diese Fragmentierung war Grund genug, TUPE nicht anzuwenden.
 

Rat an Arbeitgeber

Jeder Fall ist unterschiedlich. Es scheint, dass wir weit davon entfernt sind, zu sagen, dass TUPE automatische Anwendung findet. Sollten Sie einen Vertrag von einem scheidenden Vertragspartner „erben” und die Natur des Vertrags sich verändern (ob nun die Natur der Tätigkeit selbst wechselt oder der Wettbewerber nur einen Teil des Kuchens bekommt), ist es lohnenswert, sich fachkundigen Rat einzuholen, ob die TUPE Regulation unbeachtet bleiben können.
 

Aktueller Fall vor dem Court of Appeal betreffend den Status „worker” oder „employee”

Kürzlich wurde vor dem Court of Appeal entschieden, dass ein Transplantationschirurg, der „fraglos auf eigene Rechnung tätig wurde”, immer noch einen Arbeiter darstellt und sicherte diesem daher die Einforderung von Urlaubsgeld für die letzten sechs Jahre und den rechtswidrigen Abzug vom Lohn zu.
 

Fakten zu diesem Fall

Der Kläger (K) war Seniorpartner in einer Hausarztpraxis, die im Auftrag für ein Krankenhaus Haartransplantationen und für eine andere, separate Klinik Geschlechtsumwandlungen durchführte. In dem Vertrag mit dem Krankenhaus wurde K ausdrücklich als „selbständiger, unabhängiger Vertragspartner” bezeichnet. Das Krankenhaus vermittelte ihn an Patienten und bezahlte nach einem Prozentsatz, der nach den vorgenommenen Behandlungen des jeweiligen Monates berechnet wurde und auf die K selbst Steuern und Sozialversicherungsbeiträge leisten musste. K war nicht vorgeschrieben, zu bestimmten Zeiten zu arbeiten oder eine bestimmte Anzahl von Stunden zu absolvieren und hatte darüber hinaus die Option, der Arbeit gänzlich fernzubleiben, um Behandlungen vorzunehmen.
 
Für seine Arbeit auf dem Krankenhausgelände stellte er zudem einen Vertreter ein, um seinen hausärztlichen Verpflichtungen nachzukommen. Er verfügte über eine Visitenkarte, auf der er als Haarerneuerungschirurg bezeichnet wurde und die auf der Rückseite Kontaktdaten seiner Hausarztpraxis enthielt. Er war für seine eigenen Ausgaben und seine Berufshaftpflichtversicherung selbst verantwortlich. Wenn K Urlaub nahm, wurde ihm kein Urlaubsgeld gezahlt, welches dieser in Folge auch nie eingefordert hatte. Sein Vertrag mit dem Krankenhaus sah restriktive Bestimmungen vor, durch die ihm untersagt wurde, seine Dienste für die Dauer des Vertrages, sowie für einen Zeitraum von 12 Monaten nach dessen Beendigung, einem Wettbewerber des Krankenhauses anzubieten. Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Krankenhaus wurde seitens des letztgenannten aufgrund von Bedenken bezüglich der fachgerechten Dienstleistung des K fristlos beendet. Anschließend klagte K wegen einer rechtswidrigen Kündigung, nicht bezahltem Urlaub und rechtswidrigem Lohnabzug.
 

Ergebnis

Es wurde festgestellt, dass K kein Arbeitnehmer des Krankenhauses gewesen ist, weshalb die Klage gegen die rechtswidrige Kündigung erfolglos  blieb. Jedoch wurde K der Status eines Arbeiters („workers”) zugesprochen und daher war die Klage betreffend die Bezahlung des Urlaubsgelds erfolgreich. Der Court of Appeal entschied, dass, auch wenn K den Status eines selbständigen und unabhängigen Vertragspartners innehatte, er dennoch als Arbeiter zu qualifizieren war. Es muss daher zwischen selbständigen Geschäftspersonen, die „aktiv hre Dienstleistungen als unabhängige Person vermarkten” und denen, die „vom Auftraggeber ausgewählt werden, um für diesen ihre Arbeit als integralen Bestandteil seines Gewerbes zu verrichten” unterschieden werden.
 
Damit soll eine nachhaltigere, Generationen gerechte sowie sichere Altersvorsorge unabhängig vom Staat erreicht werden.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Jan Eberhardt

Rechtsanwalt, Solicitor (England und Wales)

Partner

+44 121 2278 963

Anfrage senden

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu