Implementierung der DAC6-Richtlinie in Italien

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veröffentlicht am 15. Dezember 2020 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Das Gesetzesdekret Nr. 100/2020 hat die Richtlinie Nr. 2018/822/EU vom 25. Mai 2018 (sog. "DAC6-Richtlinie") umgesetzt. Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2020 wurde dadurch die Verpflichtung für Intermediäre und Steuerpflichtige eingeführt, die entsprechenden Finanzämter der EU-Mitgliedstaaten über potenziell aggressive cross-border arrangements zu informieren. 


1. Entstehung 

Die Richtlinie Nr. 2018/822/EU vom 25. Mai 2018 ("DAC6"-Richtlinie) ist die neuste Maßnahme, welche auf eine Erhöhung des Niveaus der steuerlichen Transparenz in der EU abzielt. Sie ist Teil der Vorschläge des Final Reports aus Action 12 des OECD-Projekts Base Erosion and Profit Shifting ("BEPS"), mit dem die OECD, welche das Ziel verfolgt die fiskalische Transparenz auf europäischer Ebene zu stärken, die Mitgliedstaaten dazu drängen will, einen internationalen Standard für die obligatorische Berichterstattung (sog. "Mandatory Disclosure Rules" ("MDR")) zu erreichen. Das letztendliche Ziel besteht somit in der Identifizierung sowie in der Überwachung von Situationen, welche von einem hohen Steuerrisiko gekennzeichnet sind. Dies soll geschehen, indem Intermediäre und Steuerzahler verpflichtet werden den Steuerbehörden aktuelle Informationen über die internationale Steuerplanung zu liefern, um dadurch potenzielle Missbrauchs- oder Umgehungsprofile zu identifizieren.

Obwohl die DAC6-Richtlinie den 31. Dezember 2019 als Frist für die Umsetzung vorsah, dauerte der Umsetzungsprozess in Italien bis zum 31. Januar 2020 an. Aufgrund der Ausnahmesituation, welche auf den epidemiologischen Notstand durch Covid 19 zurückzuführen ist, wurden die Fristen aus dem Umsetzungsdekret für die Annahme und Anwendung der Richtlinie aufgschoben, weshalb das Gesetzesdekret Nr. 100 vom 30. Juli 2020 (im Folgenden "Dekret") erst am 11. August dieses Jahres im nationalen Amtsblatt veröffentlicht wurde. Dem Dekret wird ein Ministerialdekret folgen, welches einige Aspekte wie die sog. hallmarks und den main benefit test näher erläutern wird. Ebenso ist noch ein Erlass des Finanzamtes ausständig, welcher wichtige Präzisierungen hinsichtlich der Anforderungen und der Merkmale der Mitteilungspflicht enthalten wird.

2. Mitteilungspflicht

2.1 Objektive Bedingung

Im Sinne der DAC6-Richtlinie, sowie auf Basis der Bestimmungen des Gesetzesdekrets Nr. 100/2020, betrifft die Mitteilungspflicht nur die sog. "grenzüberschreitenden Regelungen" (cross-border arrangements), welche laut Artikel 2, Abs.1, Buchstabe a) als Entwürfe, Vereinbarungen oder Projekte definiert werden, die sowohl Italien als auch eines oder mehrere andere Länder betreffen. Diesbezüglich gilt jedoch anzumerken, dass mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt sein muss: 
  • nicht alle an der Vereinbarung beteiligten Parteien (Vermittler und/oder Steuerpflichtiger) sind aus steuerlicher Sicht in Italien ansässig;
  • einer oder mehrere Teilnehmer des Abkommens sind aus steuerlicher Sicht, sowohl in Italien als auch in einem oder mehreren ausländischen Hoheitsgebieten gleichzeitig ansässig;
  • einer oder mehrere Teilnehmer des Abkommens üben eine Tätigkeit in einem ausländischen Hoheitsgebiet aus, ohne dort für Steuerzwecke ansässig zu sein oder eine Betriebsstätte zu gründen;
  • das Abkommen wirkt sich möglicherweise auf die korrekte Anwendung der Verfahren, die den automatischen Informationsaustausch oder die Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers regeln aus. 


Es wird deshalb darauf hingewiesen, dass Abkommen, die nur das italienische Hoheitsgebiet betreffen, von der Anwendung der DAC6-Richtlinie ausgeschlossen sind.


Damit jedoch eine Mitteilungspflicht des grenzüberschreitenden Abkommens besteht, müssen einzelne oder mehrere charakteristische Elemente, die sogenannten „hallmarks“, die im Dekret als Risikoindex der Steuerumgehung bzw. -hinterziehung definiert werden, enthalten sein. Die in Anhang I des Abkommens angeführten hallmarks stimmen mit jenen in Anhang IV der Richtlinie überein und sind in fünf Kategorien unterteilt: die erste enthält die sogenannten "allgemeinen" hallmarks, während hingegen die übrigen vier die sogenannten spezifischen hallmarks enthalten.

Nicht alle hallmarks bringen eine Mitteilungspflicht des cross-border arrangements mit sich. Tatsächlich sieht die Richtlinie selbst vor, dass das Vorhandensein einiger Elemente nur dann zu einer Mitteilungspflicht führt, wenn das Kriterium des Hauptvorteils erfüllt wird (sog. main benefit test). Laut der DAC6-Richitlinie besteht der Hauptvorteil immer dann, wenn festgestellt wird, dass der Steuervorteil das Hauptziel ist, das eine Person, unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Umstände, von dem cross-border arrangement erwarten kann. Um in solchen Fällen zu bestimmen, ob das cross-border arrangement eine Mitteilungspflicht mit sich bringt, wird es daher notwendig sein, (i) den möglichen Steuervorteil zu ermitteln; (ii) das Bestehen anderer möglicher Vorteile zu beurteilen; (iii) herauszufinden, welcher von allen verfolgbaren Vorteilen als main benefit identifiziert werden kann. Sofern zu den so ermittelten wesentlichen Vorteilen auch ein möglicher Steuervorteil gezählt werden kann, muss die Voraussetzung des main benefits als erfüllt angesehen werden.
 

2.2 Subjektive Bedingung

Das Dekret, welches die DAC6-Richtlinien übernimmt, sieht vor, dass sowohl für Intermediäre als auch für Steuerzahler eine Meldepflicht gegenüber dem Finanzamt besteht. Vor allem im Hinblick auf die Intermediäre unterscheidet das Dekret zwischen:
  • promoter, d.h. derjenige, der plant, vermarktet, organisiert oder ein grenzüberschreitendes Abkommen verwaltet bzw. es für die Umsetzung einem Dritten zur Verfügung stellt; 
  • service provider, d.h. derjenige, der eine materielle Hilfe, eine Unterstützung oder eine Beratung zum Thema Entwicklung, Organisation, Verwaltung und Umsetzung des cross-border arrangements beisteuert.

 

Letzterer ist (im Gegensatz zum promoter), unter Berücksichtigung der verfügbaren Informationen und den notwendigen Kenntnissen, von den Mitteilungspflichten nur dann ausgeschlossen, wenn er auf Basis von nachvollziehbaren Gründen zum Entschluss kommt, dass das cross-border arrangement für die Offenlegungspflicht nicht relevant ist.


Das Dekret sieht auch in weiteren Fällen die Befreiung von der Mitteilungspflicht vor: 

  • zugunsten von Vermittlern und Steuerpflichtigen, sofern die Erfüllung der Mitteilungspflicht ihrerseits eine strafrechtliche Haftung mit sich bringen könnte, nach dem Grundsatz des Verbots der Selbstbelastung; 
  • zugunsten von Vermittlern, bezüglich erhaltenen Mandanteninformationen im Zusammenhang mit der Prüfung seiner Rechtslage, sowie bei der Erfüllung von Verteidigungs- und/oder Vertretungsaufgaben in einem Gerichtsverfahren; 
  • falls der Vermittler den Beweis dafür hat, dass die selben Informationen bezüglich des grenzüberschreitenden Abkommens von einem anderen Vermittler gemeldet wurden.

Der Begriff Vermittler schließt sowohl Finanzinstitutionen als auch Freiberufler ein, die den Anti-Geldwäschebestimmungen unterliegen, wie z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare.

Auf jeden Fall ist die Mitteilungspflicht des cross-border arrangements Aufgabe des Steuerpflichtigen, sofern kein Intermediär beauftragt wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtigen vom Intermediär keinerlei Bestätigung erhalten hat, dass die fraglichen Informationen bereits an das Finanzamt bzw. den zuständigen Behörden des entsprechenden Mitgliedstaates/ausländischen Hoheitsgebiet, mit denen ein spezielles Informationsaustauschabkommen in Kraft ist, mitgeteilt wurden. 

3. Mitteilungsfrist

Der Vermittler ist zur Erfüllung seiner Mitteilungspflicht innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag nach dem: 
  • das grenzüberschreitende Abkommen umgesetzt wird oder für die Umsetzung zur Verfügung gestellt wird, wenn der Vermittler als promoter klassifiziert ist; 
  • der Vermittler direkt durch andere Personen unterstützende oder beratende Leistungen in Bezug auf die Durchführung des angemeldeten Abkommens erbracht hat, wenn der Vermittler als service promoter klassifiziert ist.

Falls der Intermediär von der Mitteilungspflicht befreit ist, muss der Steuerpflichtige die Informationen bezüglich des Abkommens innerhalb von 30 Tagen nach Empfang der Benachrichtigung von einem Vermittler offenlegen. 

Sowohl der Intermediär als auch der Steuerpflichtige sind dazu verpflichtet: 
  • grenzüberschreitende Abkommen, deren "erste Phase" zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 30. Juni 2020 umgesetzt wurde, innerhalb des 28. Februar 2021 zu melden;
  • grenzüberschreitende Abkommen, für die der Hinweis zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 eingeht bzw. eingegangen ist, innerhalb von 30 Tagen ab dem 1. Januar 2021 zu melden. 

4. Sanktionsregelung 

Gemäß Artikel 12 des Dekrets variieren die Verwaltungsstrafen für die Nichterfüllung der Mitteilungspflicht je nach Art der Nichterfüllung, wobei sich die Schwankungsbreite von einem Minimum von 2.000 Euro bis zu einem Maximum von 21.000 Euro erstreckt (gemäß dem Gesetzesdekret Nr. 471/1997). Insbesondere sind folgende Strafen vorgesehen: 
  • bei unterlassener Mitteilung werden die Strafen gemäß des Gesetzesdekrets Nr. 471/1997 um die Hälfte erhöht und somit im Ausmaß von 3.000 Euro bis 31.500 Euro angewandt,
  • bei falschen oder unvollständigen Informationen werden die im Gesetzesdekret Nr. 471/1997 vorgesehenen Strafen halbiert und somit im Ausmaß von 1.000 Euro bis 10.500 Euro angewandt.

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