Risiken aus dem Verlust der Gemeinnützigkeit für steuerbegünstigte Körperschaften

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veröffentlicht am 20. November 2017

 

Steuerbegünstigte Körperschaften genießen durch ihren Status als solche eine Vielzahl an steuer­lichen Vorteilen. Ein Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts nach den §§ 51 ff. AO kann zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit oder allgemeiner ausgedrückt der Steuerbegünstigung führen.
 

    

 

Vor- und Nachteile der Gemeinnützigkeit

Körperschaften wie etwa Vereine, Stiftungen, Kapitalgesellschaften und juristische Personen des öffen­tlichen Rechts können steuerbegünstigte Zwecke verfolgen. Nach der Abgabenordung gehören hierzu gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. Gemeinnützigkeit ist aus Sicht der Körperschaften eine Medaille mit zwei Seiten.

Auf der einen Seite stehen die vielfältigen Privilegien für steuerbegünstigte Körperschaften. Dazu gehören hauptsächlich Steuerbefreiungen in der Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Umsatzsteuerermäß­igungen bei Leistungen von Zweckbetrieben und des Bereiches der Vermögensverwaltung. Außerdem dürfen Spender ihre Zuwendungen bei der Einkommensteuer oder Körperschaft- und Gewerbesteuer geltend machen, wenn sie nachweisen können, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft die Spende erhalten hat. Insbesondere die Ertragsteuerfreiheit ist für gemeinnützige Körperschaften, die sich zu einem großen Teil aus einem gestifteten oder auf andere Weise angesammelten Vermögensstock finanzieren, von großer Bedeutung.

 

Zur Erlangung des Status als steuerbegünstigte Körperschaft müssen Satzung oder Gesellschaftsvertrag gesetzlich normierte Inhalte zur selbstlosen, ausschließlichen und unmittelbaren Zweckverwirklichung sowie zur Mittelverwendung und Vermögensbindung enthalten. Neben der Einhaltung dieser satzungsmäßigen Voraussetzungen muss die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen der Satzung entsprechen.

 

Die andere Seite der Medaille enthält einige Einschränkungen, denen steuerbegünstigte Körperschaften unterliegen. Hierzu gehören die ausschließliche Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke, die fortwährende Kontrolle der zweckentsprechenden Verwendung sämtlicher verfügbarer Mittel durch die Finanzverwaltung und die Bindung des selbstgeschaffenen Vermögens an die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke.

 

Auch wenn diese Einschränkungen durch das Gemeinnützigkeitsrecht das Verhalten der steuerbegünstigten Körperschaften prägen, nimmt man diese in Kauf, da die Aberkennung der Gemeinnützigkeit neben dem Verlust der Steuerprivilegien oft auch einen Schaden für das Selbstverständnis und die Reputation der Körperschaft bedeuten würde.

 

Exemplarische Gründe für den Verlust der Steuerbegünstigung

Zuwiderhandlungen gegen die Anforderungen an steuerbegünstigte Körperschaften nach §§ 51 AO können zu Verstößen gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen oder die Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung und damit zum Verlust der Steuerbegünstigung führen.

 

Die verfolgten Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung müssen genau bestimmt sein und die Satzung muss die in der Anlage zu § 60 AO enthaltenen Festlegungen der sogenannten Mustersatzung enthalten. Ändert eine steuerbegünstigte Körperschaft ihre Satzung oder den Gesellschaftsvertrag und beachtet hierbei nicht diese Vorgaben, kann daraus der Verlust der Gemeinnützigkeit resultieren. Dies gilt beispielsweise, wenn die Satzung keine Aussage zur Vermögensbindung bei Wegfall des Satzungszwecks enthält, weil dann die sogenannte formelle Satzungsmäßigkeit nicht gegeben ist.

 

Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und vermögensverwaltende Tätigkeiten dienen der Beschaffung von Mitteln, aber nicht unmittelbar der Verwirklichung von steuerbegünstigten Zwecken. Verluste in diesen Sphären müssen durch Mittel der ideellen Sphäre oder Zweckbetriebe ausgeglichen werden, die damit nicht mehr für die unmittelbare Zweckverfolgung zur Verfügung stehen. Die Mittel­fehlverwendung durch den Ausgleich von Verlusten eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäfts­betriebes oder der Vermögensverwaltung, insbesondere dann, wenn diese dauerdefizitär sind, kann zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen.

 

Ein weiterer Grund für den Verlust der Gemeinnützigkeit kann ein Verstoß gegen das sogenannte Drittbegün­stigungsverbot sein, denn eine steuerbegünstigte Körperschaft darf keine andere Person durch zweckfremde oder unverhältnismäßig hohe Ausgaben begünstigen. Dies betrifft auch verdeckte Gewinnausschüttungen an nahestehende Personen wie Gesellschafter, Vereinsvorstände, Schwestergesellschaften und dergleichen.

 

Eine Differenzierung nach der Art oder Schwere des Verstoßes ist im Gesetz zwar nicht enthalten, allerdings besteht weitgehende Einigkeit im Schrifttum, dass bei kleineren, einmaligen Verstößen gegen Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts eine Versagung der Steuerbegünstigung ausscheidet. Verhältnismäßig geringe Verstöße sollen demzufolge nicht zur Entziehung der Gemeinnützigkeit führen. Jedoch führt eine solche Argumentation zu einer gewissen Rechtsunsicherheit, da die Beurteilung, welche Verstöße als noch verhältnismäßig geringfügig anzusehen sind, immer nur im Einzelfall getroffen werden kann.

 

Risiken aus dem Verlust der Gemeinnützigkeit – steuerrechtliche Folgen

Sollte ein wesentlicher Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts vorliegen, der im obigen Sinne nicht mehr als verhältnismäßig geringfügig eingeordnet werden kann, ist die Steuerbegün­stigung für den Zeitraum des Verstoßes nicht mehr zu gewähren.

 

Bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer bewirkt auch der einmalige, wesentliche Verstoß den Verlust der Steuerbegünstigung für den gesamten Veranlagungs- und Erhebungszeitraum, sodass die Körperschaft für den betroffenen Zeitraum insgesamt als steuerpflichtig zu behandeln ist. Damit unterliegen auch Gewinne aus Zweckbetrieben und Überschüsse aus der Vermögensverwaltung der Besteuerung. Außerdem entfällt für Umsätze im Bereich der Vermögensverwaltung und der Zweckbetriebe die Umsatzsteuerermäßigung. Spenden und Zustiftungen, die zunächst nicht der Schenkungs- bzw. Erbschaftsteuer unterlegen haben, werden nun nachträglich mit diesen Steuerarten belastet. Ferner besteht keine Berechtigung mehr, steuerlich abzugsfähige Spenden zu empfangen und die Verpflichtung zur Haftung wegen fehlverwendeter Spenden entsteht. Des Weiteren hat eine bilanzierende Körperschaft zum Zeitpunkt, in dem die Steuerpflicht beginnt, eine Anfangsbilanz aufzustellen. Wirtschaftsgüter der ideellen Sphäre und der Zweckbetriebe sind mit den Teilwerten anzusetzen.

 

Sollten die Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung nachträglich in einer Weise geändert werden, dass sie nicht mehr den Anforderungen von § 55 Abs. 1 Nr. 4 und § 61 AO genügen oder wenn die tatsächliche Geschäftsführung gegen den Grundsatz der Vermögensbindung verstößt, gilt diese von Anfang an als nicht ausreichend. Damit kommt es zur rückwirkenden Besteuerung innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Verletzung der Bestimmungen über die Vermögensbindung. Die Körperschaft ist so zu behandeln, als wäre sie von Anfang an steuerpflichtig gewesen.

 

Schwerwiegende Verstöße gegen das Gebot der ausschließlichen Mittelverwendung für satzungsmäßige Zwecke (§ 55 Abs. 1 Nr. 1), die Beschränkung der Rückgewähr eingezahlter Kapitalanteile und den gemeinen Wert geleisteter Sacheinlagen (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 AO) sowie das Drittbegünstigungsverbot (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO) können ebenfalls zur rückwirkenden Besteuerung führen.

 

Insolvenzrechtliche Folgen

Vor allem, wenn der Verlust der Gemeinnützigkeit bis zu zehn Jahre rückwirkend zur Besteuerung mit Körperschaft-, Gewerbe-, Umsatz- und Grundsteuer sowie ggf. auch Erbschaft- und Schenkungsteuer führt, außerdem ggf. zu einer Verzinsung der dadurch entstehenden Steuernachforderungen, kann dies gravierende wirtschaftliche Auswirkungen für die davon betroffene Körperschaft mit sich bringen, was nicht selten zu deren Insolvenz führt.

 

Haftung der gesetzlichen Vertreter

Nach § 69 AO haften die gesetzlichen Vertreter persönlich mit ihrem gesamten eigenen Vermögen für steuerliche Ansprüche ihrer Körperschaft, wenn diese Ansprüche infolge vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verletzung der steuerlichen Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Eine Inanspruchnahme des gesetzlichen Vertreters wird von den Finanzbehörden bei Vorliegen von entsprechenden Anhaltspunkten dabei häufig dann erwogen, wenn bei der Körperschaft eine Beitreibung von Rückständen nicht mehr erfolgsver- sprechend erscheint. Bei Steuernachforderungen im Zusammenhang mit einem eingetretenen Verlust der Gemeinnützigkeit ist mit Haftungsansprüchen jedenfalls dann zu rechnen, wenn der Verlust auf Fehlverhalten der jeweils Handelnden beruht.

 

Gemäß § 10b Absatz 4 Sätze 2 bis 5 EStG haftet für entgangene Steuer, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Spendenbescheinigung ausstellt (sog. Ausstellerhaftung) oder veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu den in der Spendenbescheinigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden (sog. Veranlasserhaftung). Die entgangene Steuer ist mit 30 Prozent des zugewen­deten Betrages anzusetzen. Während die sogenannte Ausstellerhaftung allein die Körperschaft und nicht die für sie handelnden Personen trifft, kann die Veranlasserhaftung, jedenfalls bei konkret fehlverwendeten Beträgen, die zum Verlust der Gemeinnützigkeit geführt haben, auch gegenüber den jeweiligen gesetz­lichen Vertretern persönlich zur Anwendung kommen.

 

Führen die auf einem Verlust der Gemeinnützigkeit beruhenden Steuernachzahlungen zu einer Überschul­dung oder zur Zahlungsunfähigkeit, sind die gesetzlichen Vertreter verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzver- fahrens rechtzeitig zu beantragen (siehe oben). Erfolgt die Antragstellung schuldhaft nicht oder verspätet, kann auch insoweit eine persönliche Inanspruchnahme (vgl. z. B. § 42 Absatz 2 Satz 2 BGB) für den daraus entstandenen Schaden drohen.

 

Tax Compliance Management zur Risikominimierung

Auch für steuerbegünstigte Körperschaften ist die Einrichtung eines Tax Compliance Management Systems (Tax CMS) – unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände – sinnvoll. Vor allem, wenn sie in besonderem Maße wirtschaftlich tätig und in Unternehmensverbünden strukturiert sind sowie grenzüber­schreitende Aktivitäten unterhalten.

 

Alle steuerbegünstigten Körperschaften stehen vor dem gleichen Problem: Das auf sie anzuwendende Steuerrecht ist häufig komplexer als das normale Unternehmenssteuerrecht. Zwar sind die steuerpflich­tigen Bereiche oft eher klein, jedoch schwer abzugrenzen.

 

Neben dem materiellen Unternehmenssteuerrecht müssen zudem die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts beachtet werden, um letztlich die Vorteile der Steuerbegünstigung zu erhalten und deren Wegfall zu verhindern.

 

Vor diesem Hintergrund kann den steuerbegünstigten Körperschaften nur empfohlen werden, ein Tax Compliance Management System zu implementieren, das der Sicherstellung regelkonformen Verhaltens der gesetzlichen Vertreter und der Mitarbeiter sowie der Einhaltung steuerlicher Regeln und der Verhinderung von wesentlichen Verstößen dient und damit auch das Risiko des Verlustes der Gemeinnützigkeit deutlich reduziert.

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Dr. Mathias Lorenz

Diplom-Kaufmann, Steuerberater, Zertifizierter Berater für Gemeinnützigkeit

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Dr. Christian Ortloff

Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsmediator (IHK), Fachberater für das Gesundheitswesen (DStV e.V.)

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