EEG-Umlagebefreiung für stromkostenintensive Industrie steigt auf Rekordhoch

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​Nach zuletzt gesunkenen Industrieentlastungen steigt die von der stromintensiven Industrie zur Teilbefreiung von der EEG-Umlage für das kommende Jahr angemeldete Strommenge nach Angaben des BMWi mit 119 TWh auf ein Rekordhoch. Damit erhält die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bereits im Frühjahr angestoßene Diskussion zur Verkleinerung des Kreises begünstigter Unternehmen oder zur weiteren Begrenzung der begünstigten Strommengen zusätzliche Brisanz. Insofern bedarf es einer schnellen gesetzlichen Lösung, damit die aktuelle Entlastungsantragswelle nicht zu einer entsprechenden Welle von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren führt.
Die auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten der Grünen, Julia Verlinden, durch das Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgelegten Zahlen zur beantragten Strommenge für die teilweise EEG-Umlagebefreiung, sorgen für neuen Diskussionsstoff zur anstehenden Novellierung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG). Für die insgesamt 2.209 antragsstellenden Unternehmen könnte mit über 119 Mrd. kWh die bislang größte Energiemenge in der Geschichte der sog. „Besonderen Ausgleichsregelung” des EEG entlastet werden. Bis zum 30. Juni 2018 konnten entsprechende Anträge für das kommende Jahr beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht werden.
Nach Kritik von Seiten der energiepolitischen Sprecherin der Grünen über die umfangreichen Ausnahmen von der EEG-Umlage wies das BAFA darauf hin, dass die vorgelegten Zahlen ungeprüfte Werte seien, welche sich im Rahmen der kommenden Antragsprüfungen noch verringern könnten. Zudem sei die begünstigte Menge schlussendlich davon abhängig, wie viel Strom die betroffenen Unternehmen tatsächlich verbrauchen. Somit könnte ein voreiliger Vergleich der aktuellen Zahlen mit den Vorjahreswerten zu Trugschlüssen hinsichtlich der Entwicklung von EEG-Teilbefreiungen verleiten.
Die EEG-Förderungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen wird über die EEG-Umlage finanziert, welche grundsätzlich von allen Strom-Letztverbrauchern abhängig von der Strombezugsmenge gezahlt werden muss. Hiervon gibt es wiederum verschiedene Ausnahmeregelungen, die eine teilweise oder sogar komplette Befreiung von der EEG-Umlage vorsehen. Die Besondere Ausgleichsregelung (§§ 63 EEG 2017 ff.) sieht für stromkostenintensive Unternehmen eine teilweise Entlastung vor. Dadurch soll vermieden werden, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stromintensiver Branchen durch die Umlage gefährdet wird: Benötigt ein Unternehmen für die Produktion sehr große Energiemengen, könnten die Stromkosten durch die EEG-Umlage ein verhältnismäßig hohes Niveau erreichen. Damit würde das Unternehmen im internationalen Markt entweder verdrängt oder unter Umständen zur Verlagerung seiner Produktionsstätte ins Ausland gezwungen. Um derartige volkswirtschaftlich nachteilige Entwicklungen zu vermeiden, wird der stromkostenintensiven Industrie ein Teil der Belastung durch die EEG-Umlage erlassen.
Das Ziel der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit deutscher Unternehmen steht jedoch im Konflikt mit dem Ziel einer preisgünstigen Energieversorgung der Allgemeinheit und  einer möglichst geringen Belastung der privaten Stromverbraucher durch die EEG-Umlage. Denn gleichzeitig mit der Ausnahme einzelner Sektoren von der Umlage erhöht sich diese entsprechend für die verbleibenden Stromverbraucher, da sich die Kosten der EE-Förderung in der Folge auf eine kleinere Anzahl von Umlagepflichtigen verteilen. 2017 stellte die EEG-Umlage mit ca. 6,9 Cent pro kWh fast ein Viertel des Gesamtstrompreises für Haushaltskunden dar, was einer Steigerung um über 250 Prozent gegenüber 2010 mit lediglich 2,05 Cent/kWh entspricht. Bereits 2016 hat Deutschland im EU-weiten Vergleich den zweitteuersten Strompreis aufzuweisen, obwohl der Grundpreis ohne Steuern und Abgaben im Binnenmarktvergleich eine eher durchschnittliche Höhe aufweist. Insofern erhält die von der Grünen-Abgeordneten Verlinden in Bezug auf eine zu großzügige Ausnahmeregelungen geführte Debatte durch die den aktuellen Entlastungsantrags-Rekordmenge weiteren Rückenwind. Dabei könnten die betriebs- und volkswirtschaftlichen Aspekte jedoch zu einer Versachlichung der Debatte führen: Denn die Stromkosten des produzierenden Gewerbes werden auch über die Produktpreise an die Verbraucher weitergegeben. Umgekehrt zahlt sich der internationale Erfolg deutscher Unternehmen über stabile Arbeitsplätze und das relativ hohe Lohnniveau in Deutschland für die Verbraucher aus. Insofern bedürfte es genauerer Analysen, für welche Branchen und Produkte es hier tatsächlich zu den umstrittenen volkswirtschaftlichen Effekten kommt und in welchem Verhältnis diese zueinander stehen.
Angesichts der knappen Zeit bis zur Bescheidung der EEG-Entlastungsanträge, die in der Regel im Dezember zugestellt werden, erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber hier noch rechtzeitig tätig wird. Dabei ist es noch unwahrscheinlicher, dass hier eine ausgewogene energiepolitische Debatte auf einer wissenschaftlich fundierten Grundlage zu sachgerechten Ergebnissen führt. Umso mehr müssen betroffene Antragsteller erwägen, die Behörde durch das Instrument der Untätigkeitsklage zum Handeln zu zwingen, bevor eine EEG-Novelle die Erfolgsaussichten der Entlastungsanträge verschlechtert oder sogar aufhebt. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 4. September 2017 – 1 BvR 1807/15;) die Verfahrenskosten im Fall einer Erledigung der Verfassungsbeschwerde durch Gesetzesnovellen dem Staat zugewiesen, sodass auch in einem Verwaltungsverfahren gegen das BAFA der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutz durch die Übernahme des Kostenrisikos aus Gesetzesänderungen gewahrt werden muss.

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Joachim Held

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