Neuerungen bei der Bilanzierung von Leasing-verhältnissen durch IFRS 16

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veröffentlicht am 20. September 2017

 

Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen wird seit über 30 Jahren in IAS 17 geregelt. Der Standard klassifiziert jeden Vertrag in eine von 2 Kategorien: Operating Lease oder Finance Lease. Nur Leasinggegenstände, die der letztgenannten Kategorie zuzuordnen sind, werden in der Bilanz des Leasingnehmers ausgewiesen. Die Regelung führt in Kombination mit dem faktischen Klassifi­zierungswahlrecht aufgrund der ermessensspielraumbehafteten Abgrenzung der beiden Kategorien dazu, dass die deutliche Mehrzahl an Leasinggegenständen sowie die korrespondierenden Leasing­verbindlichkeiten nicht in der Bilanz des Leasingnehmers ausgewiesen werden. An der Bilan­zierungs­praxis des sog. Off-Balance-Sheet-Accounting wurde schon seit den 1990er Jahren immer wieder heftige Kritik geäußert. Das IASB begann daher im Jahr 2006 mit der Überarbeitung der Regelungen zur Leasingbilanzierung und veröffentlichte am 13. Januar 2016 die finale Version des neuen IFRS 16. Er löst IAS 17 ab und ist für Geschäftsjahre, die ab dem 1. Januar 2019 beginnen, verpflichtend anzuwenden. Eine vorzeitige Anwendung ist optional. Die Übernahme in europäisches Recht (Endorsement) wird für Ende 2017 erwartet und scheint lediglich einen formalen Akt darzustellen.
 

 

 

Anwendungsbereich

Der neue IFRS 16 ist auf alle Verträge anzuwenden, die ein Leasingverhältnis begründen. Der Standard definiert Leasing als einen Vertrag, durch den das Recht zur Beherrschung eines identifizierten Vermögens­werts für einen festgelegten Zeitraum im Austausch gegen eine Vergütung übertragen wird. Zu beachten ist, dass das Kriterium der Beherrschung nicht nur die Nutzung des Vermögenswerts umfasst, sondern auch die Kontrolle über die Art der Nutzung. Die Definition umfasst alle klassischen Leasingverhältnisse (z.B. Leasing von Fahrzeugen oder technischen Anlagen) sowie Miet- und Pachtverträge für Immobilien. Vom Anwendungsbereich explizit ausgeschlossen werden hingegen:
  • Die Erkundung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen (IFRS 6);
  • Biologische Vermögenswerte (IAS 41);
  • Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen (IFRIC 12);
  • Die Überlassung von geistigem Eigentum (IFRS 15) sowie
  • Lizenzvereinbarungen für Patente, Manuskripte, Filme und ähnliche immaterielle Vermögenswerte (IAS 38).

 

Für Leasingverträge, die sich auf sonstige immaterielle Vermögenswerte beziehen, besteht ein Wahlrecht zur Anwendung von IFRS 16. Gleiches gilt für kurzfristige Leasingverträge sowie solche mit einem geringen Wert, die direkt als Aufwand erfasst werden können. Zu beachten ist, dass bei Verträgen mit mehreren Leasingkomponenten die einzelnen Leasing- und Nicht-Leasingkomponenten zu separieren sind. Der Stan­dard bietet diesbezüglich allerdings einige Erleichterungen für den praktischen Umgang mit IFRS 16 an, deren Anwendbarkeit jeweils im Einzelfall zu prüfen ist.

 

Bilanzierung beim Leasingnehmer

Wie bereits dargelegt, entfällt beim Leasingnehmer nach IFRS 16 die Klassifizierung in Operating Lease und Finance Lease. Er muss vielmehr für jeden Leasinggegenstand sowohl ein Nutzungsrecht auf der Aktivseite als auch eine korrespondierende Leasingverbindlichkeit auf der Passivseite ansetzen. Das Nutzungsrecht für den Vermögenswert wird gemäß den entstandenen Kosten bewertet, wobei neben dem Barwert der Leasingzahlungen auch direkte im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag stehende Kosten, inklusive Rückbau-/Rekultivierungsverpflichtungen, zu berücksichtigen sind. Für die Folgebewertung ist im Regelfall das Kostenmodell anzuwenden, wobei das Nutzungsrecht über den geringeren Wert aus Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes und Leasinglaufzeit planmäßig abzuschreiben ist. Ist mit einer hinreichenden Sicherheit davon auszugehen, dass am Ende der Leasingdauer das Eigentum am Vermögenswert auf den Leasingnehmer übergeht (z.B. günstige Kaufoption), so ist zwingend auf die Nutzungsdauer des Vermögens­werts abzustellen. Zudem sind für das Nutzungsrecht Wertminderungstests gemäß IAS 36 durchzuführen.

 

Von der Anwendung des Kostenmodells bei der Folgebewertung wird in Sonderfällen abgewichen. So ist eine Fair Value-Bilanzierung geboten, wenn es sich beim Leasinggegenstand um einen Vermögenswert handelt, der in den Anwendungsbereich des IAS 40 fällt (als Finanzinvestition gehalten), und das bilanzierende Unternehmen für solche Vermögenswerte das Wahlrecht zur Fair Value-Bewertung ausübt. Auch für Sachanlagen (IAS 16) besteht ein Wahlrecht zur freiwilligen Bilanzierung zum Fair Value. Wird das ausgeübt, so können auch Nutzungsrechte für Leasinggegenstände, die die Definition von Sachanlagen erfüllen, neu bewertet werden.

 
Die Leasingverbindlichkeit wird mit dem Barwert der erwarteten Leasingzahlungen angesetzt. Hierbei werden berücksichtigt:
  • Fixe Zahlungen;
  • Variable Zahlungen, sofern sie an einen Index oder einen Zinssatz gebunden sind;
  • Restwertgarantien;
  • Ausübungspreis einer Kaufoption, sofern mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen wird, dass sie ausgeübt wird;
  • Vorfälligkeitsentschädigung, sofern eine vorzeitige Beendigung erwartet wird.

 

Die Leasingverbindlichkeit wird in den Folgeperioden gemäß der Effektivzinsmethode bewertet. Hierbei werden Zins- und Tilgungszahlungen voneinander abgegrenzt. Die Zinserfassung erfolgt unabhängig vom tatsächlichen Anfall der Zahlungen periodisch über die Laufzeit, wobei i.d.R. ein degressiver Verlauf auftritt. Es sind zudem Anpassungen aufgrund von Neueinschätzungen bzgl. des Barwerts der Leasingzahlungen (z.B. Änderung der Wahrscheinlichkeit zur Ausübung einer etwaigen Kaufoption) oder Vertragsmodifikationen vorzunehmen, außer die Modifikation muss als eigenständiges Leasingverhältnis behandelt werden. Solche Veränderungen der Leasingverbindlichkeit führen auch zu einer Anpassung des Buchwerts des korrespondierenden Nutzungsrechts.

 

Bilanzierung beim Leasinggeber

Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen beim Leasinggeber bleibt hingegen weitestgehend unverändert. Hier ist nach wie vor eine Unterteilung in Operating Lease und Finance Lease vorgesehen. Die Einteilung richtet sich danach, ob der Leasinggeber die wesentlichen mit dem Vermögenswert verbundenen Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer überträgt. Ist das zu bejahen, handelt es sich um ein Finance Lease, anderenfalls um ein Operating Lease. Im erstgenannten Fall ist der Vermögenswert auszubuchen und eine Leasingforderung in Höhe des Barwerts der erwarteten Leasingzahlungen zu erfassen. Anders verhält es sich beim Operating Lease. Hier verbleibt der Vermögenswert auf der Aktivseite der Bilanz. Die Leasing­zahlungen werden periodisch als Ertrag erfasst. An der Stelle ist zu erkennen, dass sich der Standardsetzer nicht auf eine einheitliche Konzeption festlegen wollte. Der bisherige risk-and-reward-Ansatz scheint für die Bilanzierung beim Leasinggeber durchaus angemessen zu sein, während er sich beim Leasingnehmer fortwährender Kritik ausgesetzt sah und dort folglich durch den right-of-use-Ansatz ersetzt wurde.

 

Sale-and-Lease-Back

Zudem wurde die Bilanzierung von Sale-and-Lease-Back-Transaktionen reformiert. War es bislang noch möglich, sich durch solche Geschäfte außerbilanziell zu finanzieren, so dürfen nach IFRS 16 Gewinne nur dann realisiert werden, wenn durch die Transaktion ein Umsatz gemäß IFRS 15 entstanden ist. Das ist erst der Fall, wenn der Käufer die Kontrolle über den Vermögenswert erlangt. Allerdings ist selbst dann ein Gewinn nur in der Höhe des Anteils des Gesamtnutzungspotenzials zu erfassen, der das Nutzungsrecht übersteigt. Sofern die Transaktion nicht unter den Anwendungsbereich von IFRS 15 fällt, erfolgt keine Ausbuchung des Vermögenswerts. Die getätigten Zahlungen sind als Forderungen bzw. Verbindlichkeiten zu verbuchen.

 

Übergangsvorschriften

Beim Übergang auf IFRS 16 können Unternehmen zwischen 2 Verfahren wählen. Zum einen kann eine vollständige retrospektive Anwendung von IFRS 16 auf alle bestehenden Leasingverhältnisse unter Anpassung der Vergleichsperioden erfolgen, zum anderen ist auch eine begrenzt retrospektive Anwendung ohne Anpassung der Vergleichsperioden möglich. In jedem Fall ist jedoch eine Analyse aller Leasingverträge erforderlich.

 

Herausforderungen für die Praxis

Die vollständige Erfassung aller Leasingverträge dürfte bei den meisten Unternehmen zu einer Bilanz­verlängerung führen. Während dieser Effekt vom Standardsetzer auf der einen Seite durchaus gewünscht ist – schließlich soll dadurch ein realistischerer Ausweis der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und damit eine höhere Entscheidungsnützlichkeit für Abschlussadressaten sichergestellt werden – ergeben sich auf der anderen Seite (ungewollte) Nebeneffekte. Durch die Erhöhung des Bestands an Verbindlichkeiten auf der Passivseite steigt bspw. der Verschuldungsgrad der meisten Unternehmen. Daneben ergeben sich selbstverständlich auch Auswirkungen auf die meisten anderen Kennzahlen. Daher sollten Unternehmen dringend die Auswirkungen des IFRS 16 auf für sie relevante Kennzahlen, z.B. für die Erfüllung von Kredit­klauseln oder die Festlegung der Vergütung von Mitarbeitern, hin untersuchen.    
  

Zudem sind die hohen Umsetzungskosten als negative Folgen zu nennen. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig darum bemühen, die notwendigen Systeme und Prozesse sicherzustellen, um alle vorhandenen Leasingverträge zu überprüfen und in das Rahmengerüst des IFRS 16 einzugliedern. V.a. für bislang als Operating Lease eingestufte Verträge sind die bilanziellen Auswirkungen bedeutsam. Für diese Verein­barungen könnte das Fehlen relevanter Daten zudem ein Problemfeld darstellen. Hinzu kommt die deutliche Erhöhung der erforderlichen Anhangangaben, die sich ebenfalls in (direkten und indirekten) Kosten nieder­schlagen können. Je nach Größe und Komplexität des vorhandenen Leasingportfolios kann der Prozess der Umstellung auf IFRS 16 einen langwierigen und kostenintensiven Vorgang darstellen. Um ihn effizient zu gestalten, ist es erforderlich, eine ausgefeilte IT-Infrastruktur sicherzustellen.

 

Ausblick

Die eben dargestellten Problemfelder sind im Grunde auf jeden neuen Standard übertragbar, der wesen­tliche Änderungen an der bislang gewohnten Bilanzierungsmethode mit sich bringt. Demgegenüber stehen die positiven Aspekte, die für eine Einführung des neuen Standards sprachen. So werden durch IFRS 16 die bislang bestehenden enormen bilanzpolitischen Möglichkeiten im Zusammenhang mit Leasingverträgen eingedämmt. Durch die Vereinheitlichung der Behandlung von Leasingverträgen beim Leasingnehmer könnte die Entscheidungsnützlichkeit für Abschlussadressaten tatsächlich erhöht werden, was die primäre Zielsetzung eines IFRS-Abschlusses darstellt. Die verbesserte Informationslage durch die notwendige Vertragsinventur könnte entsprechend auch für interne Zwecke nützlich sein.

Aus dem Themenspecial

 

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