Unternehmerische Tätigkeit von Vereinen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts trotz Subventionszahlungen

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​​​​​​​​​veröffentlicht am 28. Oktober 2024

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Mit aktuellem Urteil vom 04. Juli 2024 (Rechtssache C-87/23) hatte der EuGH nun erneut Gelegenheit, seine bisherige Rechtsprechung zu wirtschaftlichen Tätigkeiten von ​juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Vereinen bei Subventionszahlungen bzw. fehlender Gewinnerzielungsabsicht zu schärfen. Um Ihnen einen Überblick zu verschaffen, möchten wir Ihnen die Hintergründe und die wichtigsten Aussagen des Urteils in unserem Artikel zusammenfassen.


Hintergrund

Bereits in der Vergangenheit hat sich der EuGH mehrfach zu dem Vorliegen von wirtschaftlichen Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) im Kontext von Subventionen geäußert, die mangels weiterer Klarstellung in der Praxis aber zu Verunsicherungen führten.


So entschied er in der Rechtssache „Lajvér“ (C-263/15) im Jahr 2016, dass eine Handelsgesellschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht, deren Tätigkeit in erheblichem Maße mit staatlichen Beihilfen finanziert wurde, dennoch eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.


In der Rechtssache „Gmina O“ (C-612/21) kam der EuGH im Jahr 2023 zu dem Schluss, dass eine Gemeinde, die für ihre Einwohner Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien lieferte und installierte, keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Tätigkeit nicht auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen gerichtet ist und die Einwohner höchstens ein Viertel der entstandenen Kosten zu bezahlen hatten und der Restbetrag aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde. Der EuGH ging vielmehr von einer Gebühr als von einem Entgelt aus.


Auch in der Rechtssache „Gmina L“ (C-616/21) entschied der EuGH, dass eine Gemeinde, die für ihre Einwohner eine kostenlose Asbestbeseitigung organisiert und zur Finanzierung teilweise auf öffentliche Mittel zurückgreift, keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und somit nicht als Steuerpflichtiger gilt, denn die Empfänger dieser Leistung hätten kein Entgelt zu entrichten. 


Gleiche Grundsätze wandte der EuGH auch in der Rechtssache „Gemeente Borsele“ (C-520/14) an. Hier sah der EuGH keine wirtschaftliche Tätigkeit bei einem Schülertransport durch die Gemeinde, der teilweise durch Zahlungen der Eltern und teilweise durch öffentliche Mittel finanziert wurde. Der EuGH ging vielmehr von einer Gebühr als von einem Entgelt aus. Außerdem unterscheiden sich nach Auffassung des EuGH die Bedingungen, unter denen die Dienstleistung seitens der Gemeinde erbracht wurde, von denen, unter denen die Tätigkeit der Personalbeförderung üblicherweise vorgenommen wird, so dass keine wirtschaftliche Tätigkeit im umsatzsteuerlichen Sinne zu unterstellen ist.


Entscheidung des EuGH vom 04. Juli 2024

Im aktuellen Streitfall schloss ein lettischer Verein Verträge mit der zentralen Finanzierungs- & Vergabeagentur Lettlands (CFLA). Die Verträge hatten die Durchführung von Aus- und Fortbildungsprogrammen zum Gegenstand, die aus dem europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert wurden.


Für die Durchführung der Aus- & Fortbildungsprogramme beauftragte der Verein auf eigene Rechnung einen Dienstleister und macht aus der Rechnung den Vorsteuerabzug geltend. Die Empfänger der Schulungsmaßnahmen, mit denen der Verein Verträge über die Schulungsmaßnahmen geschlossen hatte, zahlten an den Verein die Kosten für die Schulungen zzgl. einer Verwaltungsgebühr. Darüber hinaus erhielt der Verein von der CFLA Beihilfen, welche nach Ende des Projekts an die Schulungsteilnehmer weitergeleitet wurden.


In einem zweiten Projekt wurden auf der Grundlage eines zwischen dem Verein, den Teilnehmenden und einem Dritten (als Erbringer von Aus- & Fortbildungsleistung) geschlossenen Vertrages Schulungsleistungen erbracht. Der Verein erhielt das von den Schulungsteilnehmern bezahlte Entgelt von 30% der Gesamtkosten; die restlichen 70% wurden ihm von der CFLA erstattet. Die vom Schulungsdienstleister in Rechnung gestellte Leistung bezahlte der Verein mit Umsatzsteuer in vollem Umfang selbst.


Die Finanzverwaltung versagte dem Verein den Vorsteuerabzug mit der Begründung, es läge auf Grund der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht des Vereins keine wirtschaftliche Tätigkeit vor.


Für den EuGH war zu entscheiden, ob ein gemeinnütziger Verein, dessen Tätigkeiten im Wesentlichen in der Durchführung staatlich finanzierter Beihilfeprogramme besteht, einer wirtschaftlichen Tätigkeit im umsatzsteuerlichen Sinne nachgehen kann. Zum anderen wollte das vorlegende Gericht vom EuGH geklärt haben, ob ein Verein überhaupt als Dienstleistungserbringer anzusehen ist, wenn er die Dienstleistungen von Dritten einkauft und weitergibt. Als letztes war fraglich, ob das Entgelt bei Annahme einer steuerpflichtigen Leistung auch die Beihilfen umfasst.


Der EuGH entschied zunächst, dass der Verein, auch wenn er die Schulungsmaßnahmen im Wesentlichen durch Dritte durchführen lässt und diese zum größten Teil subventioniert werden, entgeltliche Dienstleistungen ausführt. Eine Dienstleistung ist entgeltlich und steuerbar, wenn zwischen ihr und einer Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dabei muss die Gegenleistung nicht unmittelbar vom Empfänger der Leistung erbracht werden, so dass auch die Einschaltung von Subunternehmern möglich ist. Ebenfalls nicht entscheidend ist für das Vorliegen einer steuerbaren Dienstleistung die Höhe des Entgelts. Zum Entgelt dieser Dienstleistung gehören nach Auffassung des EuGH auch die gewährten Subventionen als sog. Entgelte von Dritter Seite und damit auch zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage für diese Leistung.


Gemäß EuGH ist Zweck und Ergebnis einer Tätigkeit unabhängig von der Frage nach ihrer Wirtschaftlichkeit zu beurteilen. So steht dem Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen nicht entgegen, dass eine juristische Person wegen ihrer Rechtsform, z.B. Vereine, solche nur eingeschränkt ausüben dürfen (Einschränkung der Handlungsmöglichkeit durch Satzung und Gesetz).


Im vorliegenden Fall entsprachen die Tätigkeiten des Vereins zwar nicht denen eines auf Rentabilität ausgerichteten Unternehmers, da der Verein ohne Gewinnerzielungsabsicht arbeitet. Entscheidend ist für den EuGH aber vielmehr der Umstand, dass die Tätigkeit mit der typischen Tätigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers desselben Wirtschaftszweiges vergleichbar ist. Eine Unterbeauftragung zur Durchführung durch Dritte ist dabei unschädlich, ebenso die Tatsache, dass die Finanzierung durch Beihilfen erfolgt.


Fazit für die Praxis

Die jüngsten EuGH-Urteile in den Fällen „Gmina O“, „Gmina L“ und „Gemeente Borsele“ haben in der Vergangenheit zu erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Tätigkeit und Unternehmereigenschaft bei nicht kostendeckenden Entgelten geführt.


Die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 04. Juli ​2024 stellt nun noch einmal klar, dass Subventionszahlungen nicht zwingend zum Ausschluss einer wirtschaftlichen Tätigkeiten einer jPdöR führen. Laut EuGH schließt weder das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht noch die Finanzierung durch Fördermittel eine wirtschaftliche Tätigkeit im umsatzsteuerlichen Sinne aus, sofern diese Tätigkeit mit der typischen Tätigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers desselben Wirtschaftszweigs vergleichbar ist. Dies gilt auch, wenn die Leistung nicht direkt, sondern durch Dritte erbracht wird, solange die Organisation, Vorbereitung und Kontrolle der Leistungserbringung weiterhin in eigener Verantwortung liegen. Indirekt hebt der EuGH damit aber auch noch einmal hervor, dass die Tätigkeit nachhaltig sein muss, woran es bei bislang vom EuGH entschiedenen Fällen gefehlt hatte.


Alle Urteile des EuGH machen aber deutlich, dass es für die umsatzsteuerliche Beurteilung entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Vor allem bei Zuschüssen und Subventionszahlungen ist die umsatzsteuerliche Betrachtung des Einzelfalls unerlässlich.


Gerne stehen wir Ihnen mit unseren Erfahrungen in diesem Bereich unterstützend zur Seite!


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Marina Bobikov

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