Pre-Employment-Screening oder eine Überprüfung von Stellenbewerbern im Kontext des tschechischen Rechts

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veröffentlicht am 26. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Der Schutz der Privatsphäre und persönlicher Daten ist heute ein besonders geschütz­tes Gut, sowohl auf nationaler als auch auf Ebene der EU. Gleiches gilt für Vor­stel­lungs­­­­gespräche und bei der Einstellung von Mitarbeitern. Arbeitgeber wollen oft fast alles über ihre Mitarbeiter wissen, auch Informationen, die für sie überhaupt nicht re­levant sind (z. B. die sexuelle Orientierung eines neuen Mitarbeiters). Andererseits ist zu bedenken, dass Arbeitgeber durchaus berechtigte Ansprüche auf die Offen­le­gung bestimmter Informationen haben, ohne die sie selbst geschädigt werden könn­ten. Und wie verhält es sich mit dem tschechischen Recht?



Es liegt auf der Hand, dass ein Arbeitgeber Interesse daran hat, die personenbezogenen Daten von Bewerbern zu prüfen, um eine fundierte Entscheidung über die Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers treffen zu können. Gleichzeitig wünscht der Arbeitgeber auch eine Garantie für den Fall, dass sich nach Abschluss des Arbeitsvertrags herausstellen sollte, dass die vor Beginn des Arbeitsverhältnisses über den Bewerber festge­stellten Informationen nicht der Wahrheit entsprechen, und der Arbeitgeber dann auf der Grundlage einer sol­chen Feststellung die Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer beenden möchte.


Überprüfungen aus Sicht des tschechischen Rechtes

Ein Pre-Employment-Screening (oder Pre-Screening) kann vereinfacht beschrieben werden als Überprüfung des Wahrheitsgehaltes und der Vollständigkeit der über einen Bewerber zur Verfügung stehenden Angaben. In der Tschechischen Republik ist ein Pre-Screening rechtlich nicht geregelt, so dass dessen Grenzen aus einzelnen Rechtsnormen abgeleitet werden müssen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen nicht nur vom Ar­beit­geber, sondern auch von jedem externen Anbieter von entsprechenden Dienstleistungen, den der Arbeit­geber gegebenenfalls beauftragt, eingehalten werden.


Das tschechische Arbeitsgesetzbuch

Das Arbeitsgesetzbuch der Tschechischen Republik erlaubt es dem Arbeitgeber, von einem Bewerber oder von Dritten nur solche Informationen über den Bewerber zu verlangen, die in direktem Zusammenhang mit dem Eingehen des Arbeitsverhältnisses stehen. Hier ist zu betonen, dass ein Arbeitgeber leicht das gesetzlich zu­lässige Maß überschreiten kann, wenn er beispielsweise selbst oder durch Dritte in sozialen Netzwerken oder Medien veröffentlichte Informationen heranzieht. Entscheidend ist dabei nicht, ob die Informationen „freiwillig“ veröffentlicht werden, z. B. über ein sichtbares Profil in sozialen Netzwerken, sondern vielmehr, ob das Profil mit der beruflichen Tätigkeit des Bewerbers in Zusammenhang steht oder nicht (z. B. würde die Verarbeitung von Daten aus dem Privatleben eines Bewerbers, wie sie auf Facebook veröffentlich werden, als sehr proble­matisch angesehen, während die Verarbeitung von Daten, die auf LinkedIn als beruflichem sozialem Netzwerk veröffentlicht werden und mit dem Beschäftigungsverhältnis in Zusammenhang stehen, potenziell möglich wäre). In diesem Fall bietet selbst die ausdrückliche Zustimmung des Bewerbers keine ausreichende Rechts­grundlage, um einen Arbeitgeber zu berechtigen, eine solche Art von Informationen zu verarbeiten.

Die vorgenannte Bestimmung gibt einen sehr allgemeinen Rahmen dafür vor, welche Informationen ein Arbeit­geber von einem Bewerber verlangen oder verarbeiten kann. Das Arbeitsgesetzbuch umfasst jedoch auch eine demonstrative Auflistung von Informationen, die von einem Arbeitnehmer nicht verlangt werden dürfen, auch nicht mittels Dritter. Die Einschränkungen können auch auf Pre-Screening-Fälle, d. h. auf Stellenbe­werber, angewandt werden. Dazu gehören insbesondere Informationen über eine etwaige Schwangerschaft, über fami­liäre und vermögensrechtliche Verhältnisse, Herkunft, sexuelle Orientierung, Gewerkschaftszuge­hörigkeit, eine Mitgliedschaft in politischen Parteien oder Bewegungen, eine Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Religions­ge­sell­schaft, sowie etwaige Vorstrafen. Solche Informationen können nur ausnahmsweise verlangt werden, wenn eine besondere gesetzliche Regelung es vorsieht oder die Art der Arbeit es erfordert (z. B. eine Arbeit, die für Schwangere verboten ist oder eine Arbeit, bei der dem Arbeitnehmer große Vermögenswerte anvertraut wer­den).

Das Arbeitsgesetzbuch schreibt jedoch vor, dass das Anfordern derartiger Informationen gegenüber dem Ar­beit­nehmer bzw. Bewerber angemessen sein muss.


Das tschechische Beschäftigungsgesetz

Zusätzlich zu der demonstrativen Auflistung verbotener Informationen im Arbeitsgesetzbuch findet sich eine Auflis­tung verbotener Informationen auch im Beschäftigungsgesetz der Tschechischen Republik. Dem Ver­zeich­­­nis nach ist es nicht zulässig, von Bewerbern Informationen zu verlangen, die z. B. die Nationalität, die rassische oder ethnische Herkunft, die politische Einstellung usw. betreffen. Gegen das Verbot kann nur ver­stoßen werden, wenn das Antidiskriminierungsgesetz der Tschechischen Republik es vorsieht.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Notwendigkeit der angeforderten Informationen nachzu­wei­sen, wenn der Stellenbewerber das fordert. Ein häufiges Versehen von Arbeitgebern bei einem Pre-Scree­ning ist das Anfordern eines Fotos des Bewerbers. In den meisten Fällen gibt es jedoch keinen legitimen Grund, der es dem Arbeitgeber erlauben würde, die persönliche Information an­zu­for­dern.


Die Datenschutz-Grundverordnung

Seit 2018 sind die Länder der Europäischen Union (sowie Island, Norwegen und Liechtenstein) verpflichtet, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die DSGVO einzuhalten. Da es sich um eine Rechtsvorschrift han­delt, die all jene Länder unmittelbar betrifft, ist die Verarbeitung personenbezogener Daten vollständig har­mo­ni­­siert, so dass es keine nennenswerten Unterschiede in den einzelnen Staaten gibt.


Einwilligung eines Bewerbers zur Verarbeitung personenbezogener Daten   

In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein Arbeitgeber die Einwilligung eines Bewerbers zur Verarbeitung sei­ner personenbezogenen Daten im Rahmen eines Auswahlverfahrens einholt. Das Vorgehen ist jedoch nicht ganz korrekt, denn der Arbeitgeber kann die Daten auf der Grundlage eines anderen Rechtsgrundes verar­bei­ten, nämlich der Durchführung von Maßnahmen, die vor Vertragsabschluss getroffen werden, oder gegeben­en­falls einer gesetzlichen Verpflichtung, d. h. ohne die Einwilligung des Bewerbers einholen zu müssen.

Wenn der Arbeitgeber sich dennoch entschließt, den Bewerber um seine Einwilligung zu ersuchen, sollte sie den Anforderungen der DSGVO entsprechen, damit der Arbeitgeber sie in vollem Umfang als Rechtstitel ver­wenden kann. Eine solche Einwilligung muss frei, konkret, in Kenntnis der Sachlage und eindeutig abgegeben werden und für einen bestimmten Zweck erteilt werden. Der Bewerber hat die Möglichkeit, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen und damit die weitere Verarbeitung personenbezogener Daten zu untersagen.

In der Praxis ist es allgemein üblich, dass Bewerber der Speicherung personenbezogener Daten im Zusammen­hang mit dem Auswahlverfahren (z. B. der Daten in ihrem Lebenslauf) nach Abschluss des Verfahrens zustim­men, damit sie gegebenenfalls bei künftigen Auswahlverfahren für ähnliche Stellen vom Arbeitgeber berück­sichtigt werden können. Die Einwilligung des Arbeitnehmers zur Erfassung der Daten und deren Überprüfung im Rahmen eines Pre-Screenings können jedoch als problematisch anzusehen sein, da die verarbeiteten perso­nenbezogenen Daten vom Arbeitgeber auf der Grundlage eines anderen Rechtsgrundes (siehe oben) und immer innerhalb der bereits am Anfang des Artikels beschriebenen rechtlichen Grenzen verarbeitet werden sollten.

Es stellt sich auch die Frage nach der Freiwilligkeit einer solchen Einwilligung, d. h. ob mit einem solchen Be­werber tatsächlich ein Auswahlverfahren durchgeführt und nachfolgend ein Arbeitsvertrag geschlossen würde, wenn er seine Einwilligung nicht gibt. Der Bewerber befindet sich immer in einer dem Arbeitgeber untergeord­neten Position und kann sich gezwungen sehen, die Einwilligung zu geben. Darüber hinaus darf auch die Ein­willi­gung eines Bewerbers nicht gegen den Grundsatz der Minimierung der Verarbeitung personenbezogener Daten (siehe unten) verstoßen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, jederzeit nachzuweisen, auf welcher Rechtsgrundlage er die Informationen ver­arbeitet. Es ist daher zu empfehlen, dass die Einwilligung schriftlich vorliegt.


Informationspflicht des Arbeitgebers  

Einer der wichtigsten Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung ist der Grundsatz der Transparenz. So muss der Arbeitgeber dem Bewerber schriftlich eine Reihe von Informationen über die Verarbeitung seiner per­sonenbezogenen Daten gewähren, z. B. wer die Daten verarbeitet, einschließlich der Kontaktdaten, den Zweck der Verarbeitung, die Absicht, die Daten an einen Dritten oder in einen Drittstaat zu übermitteln, das Recht des Bewerbers, seine Einwilligung zur Verarbeitung zurückzuziehen oder eine Beschwerde bei der tsche­chischen Datenschutzbehörde einzureichen, die Dauer der Verarbeitung der Daten usw.


Sonstige Grundsätze der DGSVO

Neben dem oben erwähnten Grundsatz der Transparenz ist der Arbeitgeber verpflichtet, weitere Anforderungen zu erfüllen, die aus anderen Grundsätzen der Verarbeitung personenbezogener Daten folgen.

Die Daten dürfen nicht länger gespeichert werden, als es für die betreffenden Zwecke erforderlich ist. Das be­deutet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die personenbezogenen Daten eines Bewerbers zu löschen, der nicht eingestellt werden soll oder der selbst ein Stellenangebot abgelehnt hat – und zwar sobald die Tatsache bekannt ist.

Die Daten müssen genau verarbeitet werden und verhältnismäßig, relevant und auf das im Hinblick auf den Zweck erforderliche Maß beschränkt sein (Grundsatz der Minimierung). Wie bereits erwähnt, folgt aus dem Grundsatz, dass selbst die ausdrückliche Einwilligung des Bewerbers zur Verarbeitung von Daten, die z. B. in einem nicht zu kommerziellen Zwecken genutzten Internetprofil veröffentlicht wurden oder von Daten über sei­ne finanzielle Situation oder seine strafrechtliche Unbescholtenheit (sofern diesbezüglich kein Grund gege­ben ist, der in der Art der Arbeit begründet liegt), kein gültiger Rechtsgrund für die Verarbeitung solcher perso­nen­be­zogener Daten durch den Arbeitgeber sein kann.


Auflösung eines Arbeitsverhältnisses

Nach Abschluss eines Arbeitsvertrags (oder einer Vereinbarung über eine geringfügige Beschäftigung, eines Managementvertrags usw.) kann sich herausstellen, dass die Informationen über den Bewerber, die dem Arbeit­geber vor Abschluss des Arbeitsvertrags vorlagen, nicht vollständig oder nicht korrekt waren. In einer solchen Situation ist es theoretisch möglich, sich auf einen wesentlichen Irrtum zu berufen. Damit ein Rechtsgeschäft (d. h. der Abschluss des Arbeitsvertrags) unwirksam ist, muss es sich jedoch um einen Irrtum bezüglich eines entscheidenden Umstandes handeln, der von der anderen Partei herbeigeführt wurde.

Ein maßgeblicher Umstand ist ein sehr abstrakter Begriff, und es wäre einem Arbeitgeber zu raten, in einer Be­stimmung des Arbeitsvertrags (oder in einer Erklärung, die Teil des Vertrags wird) zu definieren, was die Par­tei­en als maßgeblichen Umstand ansehen, da ein Umstand im Zweifelsfalle nicht als maßgeblich oder entschei­dend angesehen werden könnte.

Ein von der anderen Partei hervorgerufener Irrtum bedeutet dann, dass ein Bewerber, dem kraft des Gesetzes oder durch ein Handeln der Parteien eine Verpflichtung entstanden ist, durch sein Handeln oder sein unter­las­senes Handeln aufseiten des Arbeitgebers einen (wesentlichen) Irrtum hervorgerufen hat.

Der Arbeitgeber müsste sich dann vor Gericht auf einen wesentlichen Irrtum berufen, da es sich um eine rela­tive Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes handelt.

Es ist jedoch zu erwähnen, dass es bisher keine Rechtsprechung für einen solchen Fall gibt und daher nicht sicher ist, ob die Gerichte zu einer solchen Auslegung neigen würden.

Das tschechische Recht reglementiert somit ein Pre-Employment-Screening in erheblichem Maße, so dass aus Sicht des Arbeitgebers viele personenbezogene Informationen und Daten vom Arbeitnehmer nicht verlangt werden können, sofern sie nicht relevant sind (siehe z. B. ein Anfordern eines Fotos eines Bewerbers). Andererseits erlaubt die aktuelle Gesetzgebung dem Arbeitgeber, Informationen einzufordern, die relevant sind (z. B. aus Gründen, die in einer besonderen gesetzlichen Regelung verankert sind) – und das auch ohne die aus­­­drückliche Einwilligung des Arbeitnehmers (der Rechtsgrund ist eine besondere gesetzliche Regelung).

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