Lieferkettengesetz: Kontrolle der Arbeitsstandards und des Umweltschutzes in Malaysia

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zuletzt aktualisiert am 5. Mai 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten



Welche Lieferketten-Risiken gibt es in Malaysia?

Deutsche Unternehmen müssen bei ihren Geschäftsaktivitäten in Malaysia potenzielle Risiken auf Grundlage des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) im Blick behalten und ggf. Maßnahmen im Sinne des LkSG ergreifen. Die landesspezifischen Risken ergeben sich für Malaysia auf zwei verschiedenen Ebenen: der Beitrittsebene, also inwieweit das Land den relevanten internationalen Abkommen beigetreten ist, und der Umsetzungsebene.

Der Bezug zu bestimmten internationalen Abkommen wird durch Paragraph 2 Absatz 1 und 3 des LkSG in Verbindung mit der Anlage hergestellt. Staaten, die diesen Abkommen beigetreten sind und diese vollständig umgesetzt haben, dürften in der Risikobewertung nach dem LkSG besser dastehen als Staaten, die diesen Abkommen nicht beigetreten sind. Von den 13 internationalen Abkommen, die den Schutz von Menschen­rechten am Arbeitsplatz und verschiedene Umweltstandards festlegen, ist Malaysia lediglich sechs Abkommen beigetreten bzw. hat diese bereits umgesetzt. Der südostasiatische Staat hat etwa die Übereinkommen N 87, 105 und 111 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), welche die Vereinigungsfreiheit, Abschaffung von Zwangsarbeit und Diskriminierung in Beschäftigung regeln, nicht unterschrieben. Erfreulicherweise hat Malaysia am 21. März 2022 das ILO Protokoll vom 11. Juni 2014 zum Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1930 über Zwangs- und Pflichtarbeit ratifiziert und hat damit ein Zeichen im Hinblick auf gemeldete Missstände im Land (siehe unten) gesetzt. Malaysia zählt zudem zu den wenigen weltweiten Staaten, die nicht dem Vereinten Nationen (VN) Pakt über bürgerliche und politische Rechte und dem internationalen VN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte beigetreten sind. Die Gründe für die nicht erfolgten Beitritte sind sicherlich vielschichtig und wahrscheinlich in der Geschichte des Landes, seiner spezifischen wirtschaftlichen Entwicklung und in der ethnischen Zusammensetzung zu suchen. Auch die beiden nach dem LkSG relevanten Abkommen zum Umweltschutz, das Übereinkommen von Minamata über Quecksilber und das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe, wurden nicht umgesetzt. Laut einem Bericht des malaysischen Umweltministeriums aus dem Jahr 2021 ist das Land jedoch um die Umsetzung des Übereinkommens von Minamata, das das Land bereits unterschrieben hat, bemüht. Auch das genannte Stockholmer Übereinkommen wurde 2002 unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert. Die unvollständige Umsetzung der LkSG relevanten Abkommen verlangt von Unternehmen eine besondere Vorsicht im Hinblick auf die LkSG-Compliance, da bereits die theoretische Grundlage der LkSG-Compliance in Teilen nicht vorliegt.

Neben der Beitrittsebene muss auch die Umsetzungsebene berücksichtigt werden. Laut dem Rule of Law Index des World Justice Project kann Malaysia im Bereich der „Regulatory Enforcement“, also der effektiven Rechtsumsetzung im Land, mit 0,57 von 1 im globalen Durchschnitt von 0,54 vergleichsweise gut abschneiden. Im regionalen Vergleich, insbesondere mit den hochentwickelten Staaten der Asien-Pazifik Region hinkt das Land jedoch noch hinterher. Ein weiterer Aspekt, der bei der praktischen Umsetzung berücksichtigt werden muss, ist das potenzielle Korruptionsrisiko. Korruption kann eine effektive Verwaltung und die Umsetzung von Regeln maßgeblich beeinflussen und verhindern. Laut dem Transparency International Corruption Perception Index steht Malaysia auf Rang 57 von insgesamt 179 Staaten. Aus Sicht des LkSG müssen Unternehmen somit auch erhöhte Sorgfalt bei der praktischen Umsetzung der bestehenden Regeln in Malaysia walten lassen.


Welche Branchen scheinen in Malaysia besonders anfällig für negative Auswirkungen auf Menschen-/Arbeitsrechte oder Umweltfragen zu sein?

In lokalen und internationalen Medien tauchen regelmäßig Berichte von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und Verletzungen von internationalen Arbeitsstandards in bestimmten Sektoren in Malaysia auf. So wurde etwa von Zwangsarbeit von Wanderarbeitern, insbesondere aus südasiatischen und anderen südostasiatischen Ländern, bei Herstellern von Gummihandschuhen, auf Palmölplantagen und in der Elektronikindustrie berichtet. Derartige Fälle sollten nicht verallgemeinert werden. Jedoch scheint eine gewisse Vorsicht bei besonders arbeitsintensiven Produktionen, in denen ein hoher Anteil an Wanderarbeiter beschäftigt ist, geboten zu sein.


Gibt es in Malaysia Rechtsvorschriften, die sich mit diesen Risiken befassen? In welchem Umfang werden sie in der Praxis durchgesetzt?

Das malaysische Rechtssystem untersagt die von Medien berichtete Zwangsarbeit von Wanderarbeitern. Zum einen hat Malaysia das entsprechende Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert. Auch die malaysische Verfassung untersagt in Artikel 6 ausdrücklich Sklaverei und Zwangsarbeit. Der Employment Act 1955 und der Occupational Health and Safety Act 1994 bestimmen zudem arbeits­rechtliche Mindeststandards und regeln den Arbeitsschutz. Aktuell befasst sich das malaysische Parlament mit einer Änderung des Employment Acts 1955, die u.a. auch die Umsetzung von ILO Standards beinhalten. Die Auswirkungen dieser möglichen gesetzlichen Änderungen auf die LkSG-Compliance wird sich zeigen müssen. Die geschilderte Problematik scheint ohnehin weniger durch einen fehlenden gesetzlichen Rahmen verursacht worden zu sein, sondern ist ein Problem auf der Umsetzungsebene. Erschwerend kommt bei dieser Problematik noch hinzu, dass Wanderarbeiter über keine ausgeprägte Lobby im Land verfügen und aufgrund ihrer Visa­situation und den prekären Lebensbedingungen in den Herkunftsländern besonders anfällig für derartigen Missbrauch sind.


Können Sie ein Fallbeispiel (z.B. aus der lokalen Medienberichterstattung) nennen, in dem ein ausländisches oder einheimisches Unternehmen mit solchen negativen Auswirkungen konfrontiert war?

Im Jahr 2020 untersagte die amerikanische Zollbehörde (US Customs and Border Protection) im Zusammen­hang mit Vorwürfen von Zwangsarbeit von Wanderarbeitern bei zwei malaysischen Palmölproduzenten die Einfuhr deren Produkte und die Einfuhr von Produkten, die Palmöl der beiden Produzenten enthalten, in die USA. Internationale Medien wiesen in diesem Zusammenhang auch auf die betroffenen internationalen Unter­nehmen, insbesondere aus der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, hin. Der Fall zeigt, dass Missstände entlang der Lieferkette zu Reputationsschäden und zum Wegfall von Absatzmärkten führen kann.

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