Das Netzentgeltmodernisierungsgesetz – ein Überblick

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veröffentlicht am 8. September 2017

 

Am 22. Juli 2017 ist das Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz) in Kraft getreten. Wesentliche Bestandteile dieses Gesetzes sind zum einen die Einführung einer Verordnungsermächtigung zur schrittweisen bundesweit einheitlichen Festlegung der Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber und zum anderen die schrittweise Abschmelzung und Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte. Beide Änderungen betreffen alle Netzbetreiber unmittelbar und sollen daher im Folgenden näher betrachtet werden.

 

​Das Gesetzgebungsverfahren

Die Frage der Einführung einheitlicher Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber wurde in den vergangenen Monaten sehr kontrovers insbesondere zwischen den Bundesländern in den Übertragungsnetzgebieten 50 Hertz/TenneT und den Bundesländern in den Übertragungsnetzgebieten Amprion/TransnetBW geführt. Was ist der Hintergrund? Die Netzentgelte von 50 Hertz und TenneT sind beinahe doppelt so hoch wie die Netzentgelte von Amprion und TransnetBW und führen damit zu einer erheblichen Mehrbelastung der Letztverbraucher. Nachdem die Bundesregierung  im Zuge des EEG 2016 noch die Vereinheitlichung der Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber angekündigt hatte, da – so das Bundeswirtschaftsministerium – die Kosten des Netzbetriebs in immer geringerem Maße einem bestimmten Übertragungsnetzbetreiber zugeordnet werden können, so waren entsprechende Regelungen im Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur vom 27. Januar 2017 – anders als noch im Referentenentwurf vom 4. November 2016 – nicht enthalten.


Der Bundesrat hat sich dagegen in seiner Sitzung am 10. März 2017 deutlich für die Einführung einheitlicher Netzentgelte  ausgesprochen. In seiner Stellungnahme forderte der Bundesrat daher, dass eine Rechtsverordnung zur Umsetzung einheitlicher Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber bis zum 31. August 2017 zu erlassen ist. Mit dem Ziel der Geltung bundesweit einheitlicher Netzentgelte bereits zum 1. Januar 2018. Dem ist der Gesetzgeber nicht nachgekommen.  

 

Inhalt der Regelungen zum bundesweit einheitlichen Netzentgelt

Was hat der Gesetzgeber nun geregelt? In § 24 S. 2 EnWG wird Nr. 4 dahingehend ergänzt, dass durch eine Rechtsverordnung Regelungen zur Ermittlung der Entgelte für den Netzzugang getroffen werden können, wobei „vorzusehen ist, dass die Grundlage für die Ermittlung der Entgelte für den Zugang zu den Übertragungsnetzen zwar getrennt für jeden Übertragungsnetzbetreiber kostenorientiert nach § 21a ermittelt wird, aber die Höhe der Entgelte für den Zugang zu den Übertragungsnetzen ab dem 1. Januar 2019 teilweise und ab dem 1. Januar 2023 vollständig bundesweit einheitlich festgelegt wird und Mehr- oder Mindererlöse, die den Übertragungsnetzbetreibern dadurch entstehen, durch eine finanzielle Verrechnung zwischen ihnen ausgeglichen oder bundesweit umgelegt werden sowie der bundeseinheitliche Mechanismus hierfür näher ausgestaltet wird.”


Was bedeutet diese Verordnungsermächtigung für die Praxis? Die Erlösobergrenzen der Übertragungsnetzbetreiber sollen auch nach Erlass einer entsprechenden Verordnung unternehmensindividuell und kostenorientiert im Wege der Anreizregulierung bestimmt werden; damit wird jeder Übertragungsnetzbetreiber auch nach einer möglichen Vereinheitlichung der drei Netzentgelte wie bisher gesondert reguliert und eine eigene Erlösobergrenze nach den Vorgaben der Anreizregulierung ermittelt. Die sich durch die geplante Vereinheitlichung der Netzentgelte ergebenden Mehr- oder Mindererlöse der einzelnen Übertragungsnetzbetreiber (auch die Netzentgelte sollen weiterhin individuell ermittelt werden) sollen anschließend untereinander ausgeglichen werden. Der hierfür erforderliche Mechanismus soll in der Stromnetzentgeltverordnung näher ausgestaltet werden.

 

Schrittweiser Abbau der vermiedenen Netzentgelte

Für die Bestimmung der vermiedenen Netzentgelte ist § 18 StromNEV maßgeblich. Danach erhalten „Betreiber von dezentralen Erzeugungsanlagen […] vom Betreiber des Elektrizitätsverteilernetzes, in dessen Netz sie einspeisen, ein Entgelt.” In der Regulierungspraxis ist zudem der Kalkulationsleitfaden des Verbandes der Netzbetreiber (VDN; nunmehr aufgegangen im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, BDEW) für die Berechnung relevant. Dieser unterstellt für das Prinzip der Netzentgelte, „dass durch die dezentrale Einspeisung Netznutzung gegenüber der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene vermieden wird und somit Kosten bei der Nutzung der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene erspart werden. Diese Ersparnis der Netznutzung soll den Betreibern dezentraler Einspeiser als Entgelt gutgeschrieben werden. Dies bedeutet im Endeffekt, dass der eigentliche Vorteil, nämlich die eventuelle Ersparnis von fälligen Netzentgelten gegenüber der vorgelagerten Netzoder Umspannebene, substituiert wird durch die Zahlung von vermiedenen Netzentgelten an die Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen.”


Das beschriebene „Prinzip der vermiedenen Netzentgelte” hat sich jedoch durch Anforderungen, die sich im Rahmen der Energiewende
ergeben, „schrittweise” überholt. Neben dem kostenintensiven Aus- und Umbau der Stromnetze führt der Anstieg von dezentralen Einspeisemengen in „lastschwächeren Gebieten” zunehmend zu einer Erhöhung der Netzkosten. Dadurch wird die bereits vorhandene Infrastruktur der vorgelagerten Netzebenen entsprechend geringer genutzt. Bei gleichbleibenden bzw. sogar gestiegenen Netzkosten werden diese nunmehr auf eine geringere Absatzmenge verteilt, was wiederum einen Anstieg der Netzentgelte zur Folge hat. Da diese maßgeblich für die Berechnung der vermiedenen Netzentgelte sind, bildet sich ein „sich selbst befeuerndes System”. Weiter ist davon auszugehen, dass die erforderlichen Investitionen in den Leitungsbau, die zum Gelingen der Energiewende beitragen sollen, zu einer Erhöhung der vorgelagerten Netzentgelte führen.

 

Regelungsinhalt

Nachfolgend werden die Regelungen beschrieben, die einen schrittweisen Abbau der vermiedenen Netzentgelte vorsehen. § 120 EnWG (neu) umfasst demnach die Übergangsphase; in Verbindung mit § 24 Satz 5 (neu) EnWG ist eine entsprechende Verordnungsermächtigung vorgesehen, die die Umsetzung weiter konkretisieren soll. Der schrittweise Abbau der vermiedenen Netzentgelte soll unter Zugrundelegung folgender Komponenten erreicht werden:

 

  • Zeitliche Komponente: Datum der Inbetriebnahme der Anlage
  • Erzeugungs-Komponente: volatile Erzeugung bzw. steuerbare Erzeugung
  • Entgelt-Komponente: Einfrieren und Abschmelzen der anzusetzenden


Entgelte für die dezentrale Einspeisung Was hat der Gesetzgeber nun geregelt? So wird in § 120 Abs. 1 EnWG (neu) vorgesehen, dass „bei Einspeisungen von Elektrizität aus dezentralen Erzeugungsanlagen […] in einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 5 keine Erstattung eingesparter Entgelte für den Netzzugang vorgesehen werden [darf] 1. für Erzeugungsanlagen, die ab dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen worden sind, 2. für Anlagen mit volatiler Erzeugung, die ab dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen worden sind.”

Um das sogenannte „Umhängen” von Anlagen, aus einer hohen in eine niedrigere und damit höher vergütete Spannungsebene zu vermeiden, werden Anlagen die nach dem 1. Januar 2021 in Betrieb genommen werden bzw. Anlagen mit volatiler Erzeugung, die nach dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen werden, nach erfolgtem Wechsel in eine niedrigere Spannungsebene nicht mehr vergütet. Weiter gilt, dass nach Inkrafttreten des Artikels 4 des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes Anlagen, die zum 31. Dezember 2016 bisher alleinig an das Höchstspannungsnetz angeschlossen waren, keine Zahlungen von vermiedenen Netzentgelten mehr erhalten, wenn diese nach dem 31. Dezember 2016 an nachgelagerte Netz- oder Umspannebenen angeschlossen wurden.


War im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch vorgesehen, dass sowohl Anlagen mit volatiler Erzeugung (ab dem 1. Januar 2027) wie auch alle übrigen Anlagen ab dem 1. Januar 2030 keine Entgelte für dezentrale Einspeisung mehr erhalten, wurde nunmehr abschließend geregelt, dass „für Anlagen mit volatiler Erzeugung […] ab dem 1. Januar 2020 keine Entgelte für dezentrale Erzeugung mehr gezahlt werden [dürfen]. Die Rechtsverordnung nach § 24 kann vorsehen, dass die Höhe der Entgelte für dezentrale Einspeisungen aus solchen Anlagen bis dahin stufenweise abgesenkt wird und dies näher ausgestalten. Die Absenkung kann, ausgehend von dem sich unter Beachtung der Absätze 4 und 5 ergebenden Wert, in prozentualen Schritten oder anteilig erfolgen.”


Somit sind die übrigen „Bestandsanlagen” (ohne volatile Erzeugung) nicht mehr von einer etwaigen stufenweisen Absenkung betroffen. Der stufenweise Abbau gilt nunmehr lediglich für Anlagen mit volatiler Erzeugung. Insoweit wird für diese Anlagen (Inbetriebnahme nach dem 1. Januar 2018) der ursprüngliche Ausgangswert um ein Drittel reduziert.

 

Zusammenfassung

Sind die Änderungen „der große Wurf”? Im Vergleich zum Entwurf der Bundesregierung wurde doch ein gutes Stück von den ambitionierten Zielen abgerückt. So werden bei steuerbaren Anlagen die vermiedenen Netzentgelte erst für Inbetriebnahmen ab dem 1. Januar 2023 abgeschafft; die Bundesregierung hatte noch den 1. Januar 2021 bestimmt. Weiter war auch für Bestandsanlagen ein Abschmelzen der Netzentgelte für die Bestimmung der Vergütungszahlungen vorgesehen; nunmehr greift die sukzessive Reduzierung lediglich bei volatilen Einspeisungen. Im Rahmen der Gesetzgebung wurde somit (zwar mit
Abstrichen) eine zentrale Forderung des BDEW aufgenommen. Dieser hatte sich deutlich gegen ein Abschmelzen der Netzentgelte aus steuerbarer Erzeugung positioniert. Zudem gilt es zu beachten, dass zwar eine Entlastung auf Ebene der Verteilernetze stattfindet, jedoch für EEG-vergütungsfähige Anlagen entsprechend höhere Wälzungskosten entstehen. So kann zwar eine Kostendämpfung erreicht werden, ein durchaus wünschenswertes „Preissignal im Standortwettbewerb” von dezentraler Erzeugung wird so allerdings nicht gesetzt.

 

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