Wie können Wasserstoffnetze reguliert werden?

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​veröffentlicht am 2. Dezember 2020

 

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Am 10.6.2020 hat die Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) beschlossen. Die Bundesregierung verfolgt mit der NWS das Ziel, Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende zu etablieren, deutsche Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die zukünftige nationale Versorgung mit CO2-freiem Wasserstoff und dessen Folgeprodukten zu sichern und zu gestalten sowie die regulatorischen Voraussetzungen für den Markthochlauf der Wasserstofftechnologien zu schaffen. Mit dem letzten Ziel, der Schaffung eines regulatorischen Rahmens für die Ausweitung des Wasserstoffmarktes hat sich die Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihrem Papier „Regulierung von Wasserstoffnetzen – Bestandsaufnahme”1 beschäftigt. Die wesentlichen rechtlichen und regulatorischen Inhalte und Auswirkungen dieses Papiers auf die Energiewirtschaft sollen im Folgenden dargestellt werden.

 

Derzeit keine (öffentlichen) Wasserstoffnetze

Der weit überwiegende Teil des aktuell in Deutschland verbrauchten Wasserstoffs wird direkt am Verwendungsort erzeugt und verbraucht. Eine flächendeckende Infrastruktur für Wasserstoffnetze besteht nicht. Lediglich in den Regionen Unterelbe/Weser/Ems, Mitteldeutschland/Berlin/Brandenburg und Ruhrgebiet bestehen sogenannte Cluster wegen der dortigen chemischen Industrie. Etwaige bestehende Leitungen zwischen Produzent und Kunde oder zwischen Produktionsstandorten stehen regelmäßig im Eigentum der jeweiligen Unternehmen, Netze der öffentlichen Versorgung existieren nicht.2

 


Wasserstoff und Regulierung nach dem EnWG – Gas ist nicht gleich Gas

Wasserstoff kann rechtlich sowohl als Gas (§ 3 Nr. 19a EnWG) als auch als Biogas (§ 3 Nr. 10c EnWG) eingeordnet werden. Die rechtlichen Voraussetzungen sind jeweils unterschiedlich wie auch die regulatorische Behandlung.

 

Wasserstoff als Gas im Sinne des EnWG

Ausweislich § 1 Abs. 1 EnWG ist Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf den Erneuerbaren Energien beruht. Eine eigene Definition für den Begriff „Wasserstoff” enthält das EnWG nicht, verweist jedoch in mehreren Vorschriften auf diesen Begriff. So definiert das EnWG Gas als Erdgas, Biogas, Flüssiggas im Rahmen der §§ 4 und 49 sowie, wenn sie in ein Gasversorgungsnetz eingespeist werden, Wasserstoff, der durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist, und synthetisch erzeugtes Methan, das durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist.


Wasserstoff ist damit als „Gas” im Sinne des EnWG anzusehen, wenn es zum einen durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist und zum anderen in ein Gasversorgungsnetz eingespeist wird.

 

Fraglich ist nunmehr, was unter Einspeisung in ein Gasversorgungsnetz zu verstehen ist.  Gasversorgungsnetze sind insbesondere Fernleitungsnetze und Gasverteilernetze. Welche Art von Strom für die Wasserelektrolyse, mithin die Zerlegung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff mittels elektrischem Strom, Verwendung finden muss, lässt das Gesetz offen. Aus der Definition des EnWGs für Biogas lässt sich indes im Umkehrschluss schließen, dass jedenfalls nicht der weit überwiegende Teil und damit nicht mehr als 80 Prozent des verwendeten Stroms aus Erneuerbaren Energien stammen dürfen, da andernfalls Biogas im Sinne des EnWGs vorliegt, für das abweichende regulatorische Regelungen gelten.


Einspeisung in ein Gasversorgungsnetz

Fernleitungen dienen dem Transport von Erdgas durch ein Hochdruckfernleitungsnetz, mit Ausnahme von vorgelagerten Rohrleitungsnetzen, um die Versorgung von Kunden zu ermöglichen, jedoch nicht die Versorgung der Kunden selbst. Nachdem es sich bei Erdgas (im Gegensatz zu Gas) nicht um Wasserstoff handelt, unterfällt der Betrieb von (ausschließlichen) Wasserstofffernleitungen nach Auffassung der BNetzA damit nicht den Regulierungsvorgaben des EnWGs.3


Eine Definition des Gasverteilernetzes enthält das EnWG nicht. Verteilung wird allerdings in § 3 Nr. 37 EnWG definiert als der Transport von Gas über örtliche oder regionale Leitungsnetze, um die Versorgung von Kunden zu ermöglichen, jedoch nicht die Belieferung der Kunden selbst. Die Verteilung wird damit nicht – wie bei Fernleitungen – auf Erdgas beschränkt, sondern umfasst Gas des EnWGs.


Was ist nun unter Einspeisung zu verstehen? Die BNetzA geht von einer engen Auslegung des Begriffs der Einspeisung aus. Danach soll eine Einspeisung nur dann vorliegen, wenn Wasserstoff dem in der Leitung bereits vorhandenen Erdgas beigemischt wird.4 Begründet wird dies insbesondere mit der Begründung des Gesetzgebers zur Änderung des § 3 Nr. 19a EnWG im Jahr 2011, die inhaltlich eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie 2009/73/EG (Erdgasbinnenmarktrichtlinie) in deutsches Recht sein sollte. Nach Auffassung der BNetzA ging auch die Erdgasbinnenmarktrichtlinie davon aus, dass „andere Gasarten” dem im Erdgasnetz befindlichen Erdgas beigemischt werden.


Keine Regulierung nach EnWG bei ausschliesslichen Wasserstoffnetzen

Im Ergebnis unterfällt Wasserstoff, der zu weniger als 80 Prozent mittels Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wurde, nur dann der Regulierung des EnWGs, wenn er in ein Gasversorgungsnetz eingespeist wird und damit dem in einem Gasversorgungsnetz bereits vorhandenen Erdgas beigemischt wird. Im Umkehrschluss finden damit bei ausschließlichen Wasserstoffnetzen die Regulierungsvorgaben des EnWGs keine Anwendung.5


Wasserstoff als Biogas im Sinne des EnWG

Im Gegensatz zum Begriff „Gas”, sieht § 3 Nr. 10c EnWG vor, dass Wasserstoff, der durch Wasserelektrolyse mittels Strom, der weit überwiegend6 aus Erneuerbaren Energien stammt, als „Biogas” anzusehen ist, auch wenn dieser Wasserstoff nicht in ein Gasversorgungsnetz eingespeist wird. Damit unterfallen auch Gasversorgungsnetze, die ausschließlich Wasserstoff als Biogas transportieren/verteilen, dem nicht Erdgas beigemischt wurde, unter die Regulierungsvorgaben des EnWGs.


Entflechtung von Wasserstoffnetzbetreibern

Neben der Anwendbarkeit der Vorgaben des EnWGs zur Regulierung von Energieversorgungsnetzen spielen bei der regulatorischen Bewertung von Wasserstoffnetzen auch die Entflechtungsvorgaben eine gewichtige Rolle.

 

So sind vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen und rechtlich selbstständige Betreiber von Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen, die mit einem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen verbunden sind, zur Gewährleistung von Transparenz sowie diskriminierungsfreier Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebs verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen diese Unternehmen die Unabhängigkeit der Netzbetreiber von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sicherstellen.


Eine Vielzahl von Fragen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Entflechtung stellen sich insbesondere beim Betrieb von Power-to-Gas-Anlagen (Wasserstoff als Energiespeicher mit dem Ziel der Rückverstromung) und beim Betrieb von Wasserstoffbrennzellen (Wasserstoff als Energieträger zur Erzeugung von Strom).

 

Beim Betrieb eines ausschließlichen Wasserstoffnetzes (neben dem Betrieb eines Gasversorgungsnetzes) dürften sich Fragen der Entflechtung indes nicht stellen. Wird hingegen Wasserstoff im Sinne des EnWGs mittels Wasserelektrolyse erzeugt und in ein Gasversorgungsnetz eingespeist, stellt sich durchaus die Frage der Notwendigkeit einer Entflechtung, da in diesem Fall sowohl die Funktion Verteilung als auch Gewinnung vorliegen dürfte. Für die meisten Energieversorgungsunternehmen (mit weniger als 100.000 angeschlossenen Kunden) dürften sich die Verpflichtungen indes auf die buchhalterische und informatorische Entflechtung beschränken.


Zugangs- und Entgeltregulierung

Die BNetzA beleuchtet in Kapitel VI ihres Papiers die Kriterien für eine mögliche Regulierung von Wasserstoffnetzen. Diese wird erforderlich, sofern ein natürliches Monopol gegeben ist, wodurch ein Marktmissbrauch zulasten von Verbraucherinteressen möglich wäre.

 

Die Prüfung, ob ein natürliches Monopol vorliegt, ist aktuell lediglich „qualitativ” darstellbar, da eine Erhebung „der Zahlen zur Kosten- und Erlösstruktur… nicht möglich (ist).” Insofern sind die „resultierend(n) Schlussfolgerungen mit Vorbehalt zu sehen.”7 Ob nun ein natürliches Monopol gegeben ist, wird durch die Kriterien sachliche und räumliche Marktabgrenzung bestimmt. Hier zeigt sich, dass neben bestehenden industriellen Nachfrage-Clustern aktuell nahezu keine weiteren Daten über Nachfrage- und Bezugsstrukturen auswertbar sind.


Da die Entwicklung am Wasserstoffmarkt erst am Anfang steht, werden für die weitere Untersuchung verschiedene Szenarien unterstellt. Die BNetzA nimmt an, dass in einem Umstellungszeitraum von 10 bis 20 Jahren „parallele Infrastrukturen” zum Transport von Gas und Wasserstoff bestehen.8 Das jeweilige Szenario wird dahingehend beleuchtet, ob eine Zugangsregulierung- bzw. Entgeltregulierung notwendig erscheint, um etwaige Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Die Abbildung führt die Szenarien auf und stellt die Vorgehensweise dar:

 Tabelle Vorgehensweise

Abbildung 1: Vorgehensweise der Untersuchung / Szenariobeschreibung

 

 

Um einen Marktmissbrauch bzw. eine Diskriminierung zu vermeiden, verfolgt die Zugangs- bzw. die  Entgeltregulierung folgende Zielsetzungen:

  • „Eine Zugangsregulierung wäre notwendig, wenn die Gefahr, dass es z. B. zur Verweigerung von Durchleitungen oder zur Verweigerung der Abnahme von Wasserstoff Dritter kommt, wahrscheinlich oder zumindest nicht zu vernachlässigen ist.
  • Eine Entgeltregulierung wäre notwendig, wenn z.B. eine ineffiziente Freisetzung für den Wasserstofftransport zu befürchten ist und die Netzbetreiber Monopolrenditen abschöpfen können.”10
  • Die Ergebnisse der Untersuchung sind in Abbildung 2
    zusammengefasst.11

 

Tabelle Szenariobetrachtung Abbildung 2: Szenariobetrachtung - Darstellung der Regulierungsnotwendigkeit

 

Die beschriebenen Szenarien zeigen vor allem dann (was sicherlich nicht überraschend ist) eine Regulierungsnotwendigkeit, sobald ein Vergleich mit der bestehenden Gas- und Stromverteilernetzstruktur hergestellt werden kann. Der Vergleich mit anderen unregulierten Infrastrukturen (Fernwärmenetze und Mineralölleitungen), die ebenfalls einen Monopolcharakter aufweisen, ist nur eingeschränkt möglich. Bei Fernwärmenetzen zeigen sich erhebliche technische Unterschiede; Mineralölleitungen haben eine andere Nachfrager- und Erzeugerstruktur.12


Zugangsregulierung

Mit Blick auf das Zugangsregime im Bereich Biogas zeigt sich, dass der in der GasNZV verankerte privilegierte Einspeisevorrang seinen „Zweck erfüllt” hat. Die Zugangsregulierung bei Fernwärmenetzen regelt § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWG. Danach haben Fernwärmenetzbetreiber anderen grundsätzlich einen Netzzugang zu gewähren, sofern dies betriebsbedingt möglich und zumutbar ist. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale Hamburg scheitert die Umsetzung in der Praxis häufig an den technischen Vorgaben der Netzbetreiber. Daher wird festgestellt, dass für Fernwärmenetze „keine wettbewerbsfördernde Wirkung erzielt” wurde.13


Somit stellt sich die Frage, ob eine Orientierung am Zugangsregime Biogas zielführend erscheint. Da durch die Beimischung von Wasserstoff im Rahmen einer Biogaseinspeisung wohl sehr häufig keine Trennschärfe möglich ist, sollte jedoch eine eigenständige Zugangsregulierung für Wasserstoff gefunden werden, die die Vorgaben für Gasverteilernetz zugrunde legt.14


Entgeltregulierung

Im Anschluss an die Frage des Netzzugangs ist zu klären, wie hoch das Entgelt für die Nutzung des Wasserstoffnetzes sein darf bzw. sein soll. Für die nachfolgende Betrachtung wird daher unterstellt, dass die Wasserstoffnetze für den Zugang geöffnet sind; weiter wird von einem spürbaren Marktgeschehen (Verbreitung) des Wasserstofftransports ausgegangen.


Zur Refinanzierung der Kosten für Wasserstoffinfrastruktur werden 3 Modelle genannt:15

 

Tabelle Regulierungsmodelle

Abbildung 3: Regulierungsmodelle 

 

Es wird festgehalten, dass eine Übertragung des derzeitigen Regulierungsregimes für Wasserstoffnetze „geeignet” erscheint. Bei einer Abbildung von gemeinsamen bzw. getrennten Erlösobergrenzen ist zu klären, ob für den Fall einer gemeinsamen Erlösobergrenze eine Quersubventionierung zwischen den Tätigkeiten erfolgen soll.16 Unabhängig vom gewählten Modell (A-C) ist für die Preisbildung, also die Verteilung der Kosten (bzw. Erlöse) auf einen Kostenträger, eine detaillierte Untersuchung notwendig. Zur Diskussion stehen das Briefmarkenmodell (unabhängig von der Transportdistanz; analoge Anwendung Stromverteilernetz) bzw. das Netzpartizipationsmodell (analoge Anwendung Gasverteilernetz).17


Fazit

An vielen Stellen wird deutlich, dass die Zukunft der Wasserstoffversorgung lediglich skizziert werden kann. Daher gilt es, die mit regulatorischen Fragestellungen verbundene Zielsetzung – ein Marktversagen zu verhindern – soweit möglich zu antizipieren. So können Investitionshemmnisse beim „Markthochlauf” vermieden werden, da im Vorfeld Rechtssicherheit geschaffen werden kann. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit möglichen Markt- und Regulierungsszenarien ist daher zu begrüßen.

 

Energieversorger sollten das Thema aber auch auf der Agenda haben. Wir beraten Sie hierzu gerne.



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1 Bundesnetzagentur, Regulierung von Wasserstoffnetzen – Bestandsaufnahme, Stand Juli 2020.
2 Siehe zu alldem, Bundesnetzagentur aaO., S. 15f.

3 Bundesnetzagentur aaO., S. 25.
4 Bundesnetzagentur aaO., S. 25.
5 Bundesnetzagentur aaO., S. 26.
6 Mindestens 80 Prozent.

7 Bundesnetzagentur aaO., S. 62.
8 Bundesnetzagentur aaO., S. 59.
9 Bundesnetzagentur aaO., S. 59 ff.
10 Bundesnetzagentur aaO., S. 62.
11 Bundesnetzagentur aaO., S. 65-67.

12 Bundesnetzagentur aaO., S. 67 ff.
13 Bundesnetzagentur aaO., S. 70 ff.
14 Bundesnetzagentur aaO., S. 72.
15 Bundesnetzagentur aaO., S. 76 ff.
16 Bundesnetzagentur aaO., S. 79 ff.
17 Bundesnetzagentur aaO., S. 78.



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