Erste Landeskartellbehörde veröffentlicht Ergebnis der Sektoruntersuchung

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​veröffentlicht am 8. September 2014

 

Seit der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes im Jahr 2012 ist die Fernwärmebranche in Aufruhr. Rödl & Partner erläutert, wie das Bundeskartellamt oder die Landeskartellbehörden vorgehen und wie Versorger aus betriebswirtschaftlicher Sicht frühzeitig gegensteuern können.
 

Aktivitäten des Bundeskartellamtes und der Landeskartellbehörden

Seit die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes im Jahr 2012 veröffentlicht wurde, haben sich bisher sechs Landeskartellbehörden angeschlossen und eine lokale Prüfung der Fernwärmemärkte eingeleitet.
 
Das Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) regelt, dass das Bundeskartellamt und die Landeskartellbehörden sogenannte Sektoruntersuchungen durchführen können. Mit den Sektoruntersuchungen werden die Strukturen und Wettbewerbsbedingungen in bestimmten Wirtschaftszweigen untersucht und analysiert. Die Sektoruntersuchungen dienen dem Zweck umfassende Kenntnisse über die untersuchten Märkte zu gewinnen. Diese Kenntnisse sind wiederum eine wichtige Datengrundlage für weitere Verfahren des Bundeskartellamtes. Nach einer Sektoruntersuchung ist davon auszugehen, dass Kartellämter bei Auffälligkeiten aktiv werden.
 
In folgenden Bundesländern prüfen die Landeskartellbehörden die Fernwärmepreise:
  • Thüringen
  • Mecklenburg-Vorpommern
  • Sachsen
  • Brandenburg
  • Nordrhein-Westfalen
  • Niedersachsen

 

Obwohl in den letzten Monaten bereits sehr vielversprechende Gegenbewegungen der Branche, insbesondere auf juristischem Wege in Gang gekommen sind, kann nicht ausgeschlossen werden, Kartellbehörden anderer Bundesländer dem Vorbild folgen werden.

 

Ob Versorger im Rahmen der Untersuchung auffällig werden, wird in beiden Untersuchungen durch das Vergleichsmarktkonzept festgestellt. Maßstab sind dadurch grundsätzlich vergleichbare Unternehmen mit günstigeren Erlösen auf anderen räumlichen Fernwärmemärkten. Aufgrund besonderer Strukturen des jeweiligen Vertriebsgebietes müssen, sofern rechtliche Schritte erfolglos bleiben würden, Zuschläge oder Abschläge auf den Erlös des Vergleichsunternehmens vorgenommen werden.1

 
Erste Ergebnisse liegen aus der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes seit August 2012 und der aktuellen Sektoruntersuchung der Landeskartellbehörde Thüringen, die im September 2014 veröffentlicht wurde, vor. In den Ergebnissen beider Untersuchungen werden aufgrund des Vergleichsmarktkonzeptes jeweils Fernwärmepreise der untersuchten Versorger miteinander verglichen. Um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, werden in beiden Standardabnahmefälle herangezogen.  In den Untersuchungen des Bundeskartellamtes werden zudem Versorger in verschiedene Kategorien unterteilt, wie beispielsweise Netzlänge oder Brennstoff, um die Preise besser vergleichen zu können.
 
Aufgrund der Ergebnisse der beiden Untersuchungen kontaktierten das Bundeskartellamt und die Landeskartellbehörde Thüringen auffällige Versorger und forderten sie zu einer freiwilligen Senkung der Preise unter einen Richtwert, eine sogenannte Aufgreifschwelle, auf. In Thüringen beispielsweise senkten alle kontaktierten Versorger freiwillig noch vor der Eröffnung ordentlicher Kartellverfahren ihre Preise und mussten somit 1,45 Millionen Euro Mindereinnahmen hinnehmen.2
 
Unter Betracht der aktuell vorliegenden Untersuchungen empfiehlt Rödl & Partner allen Fernwärmeversorgern präventiv ihre Preise nochmals neu zu berechnen. Ein Vergleich der eigenen Preise mit unabhängigen Fernwärmepreisvergleichen von Verbänden wie beispielsweise dem Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V. oder der AGFW liefert keine alleinige Sicherheit, da die Kartellbehörden in der Regel andere Kalkulationsgrundlagen verwenden. Zentrale Frage ist danach, ob ein hoher Preis und eine Ausnutzung einer unzulässigen Wettbewerbssituation auch zu einer unangemessen hohen Rendite führt. Die entsprechenden Preise müssten dann gesenkt werden. Ist das jedoch nicht der Fall und kann dies nachvollziehbar und transparent dargelegt werden, liegt auch kein Verstoß gegen das Kartellrecht vor, da der Preis angemessen ist.
 

Prävention durch richtige Preiskalkulation

In der Wärmewirtschaft verändern sich die Rahmenbedingungen innerhalb weniger Jahre deutlich. Um die Sparte Fernwärme auf die neuen und zukünftigen Rahmenbedingungen anzupassen, sollten alle Kosten zur Bereitstellung der Wärme analysiert und die Preisgestaltung (Preissystem und Preisgleitformel) auf einer ausführlichen und nach dem Stand der Technik vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsanalyse der Sparte Fernwärme aufgebaut werden. Dabei gilt es auch, konzerninterne Verrechnungen wie beispielsweise Pachten oder Vertriebszuschläge genau zu prüfen, um versteckte zusätzliche Margen in der Betrachtung zu eliminieren. Im Ergebnis kann in besonderen Versorgungssituationen auch Spielraum für Preissenkungen aufgezeigt werden, dieser kann genutzt werden, um die Wettbewerbssituation der Fernwärme zu stärken.
 
Bei der Fernwärmepreisberechnung werden statische Betrachtungen heutzutage nicht mehr angewendet, sondern es sollten auch zukünftige Entwicklungen in der anstehenden Vertragslaufzeit in die Betrachtungen im Rahmen einer dynamischen Investitionsrechnung einbezogen werden. Somit kann man die tatsächliche Höhe des Gewinnes zum Beispiel auch bei schwankender Nachfrage, sich abzeichnender Reinvestitionen oder Erzeugungsumstellungen nachweisen.
 
In Abbildung 1 ist beispielhaft eine Gegenüberstellung von Wärmeerlösen und Kosten über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren grafisch dargestellt. Die Wärmeerlöse werden von Rödl & Partner in einer dynamischen Betrachtung anhand eines Cash-Flow-Modells so gewählt, dass die Kosten gedeckt und ein angemessener Gewinn erwirtschaftet werden kann. Eine konkrete Bestimmung der Einnahmen aus dem Wärmeverkauf kann durch strategische Kennzahlen wie beispielsweise die Rendite auf das Gesamt- oder Eigenkapital erfolgen. Daraus ergibt sich der rechnerisch korrekte Wärmepreis zum festgelegten Zeitpunkt. Dieser muss dann mit den Anforderungen aus dem Vertrieb und des Gesellschafters bzw. einem entsprechenden Benchmark abgeglichen werden, um den zukünftigen Preis festlegen zu können.
 

 Ermittlung Erlöse
Abbildung 1: Ermittlung der zu erzielenden Erlöse

 

In einem zweiten Schritt gilt es, die der Wärmepreiskalkulation zugrunde gelegten Selbstkosten ausführlicher auf ihre Verbrauchsabhängigkeit hin zu analysieren. Die Kosten werden dann entsprechend dem Grundpreis und dem Arbeitspreis zugeteilt, wie in Abbildung 2 zu erkennen. Über den Grundpreis gilt es, verbrauchsunabhängige Kosten und den Gewinn zu erwirtschaften und über den Arbeitspreis die verbrauchsabhängigen Kosten zu decken.
 
Im Umkehrschluss zeigt sich, dass in der Fernwärmeversorgung durch die rechnerischen Wärmepreise (Mischpreis, Arbeitspreis und Grundpreis) die Wirtschaftlichkeit der Sparte dargestellt werden kann und nach einer zeitgemäßen Neuberechnung ein direkter Vergleich mit den Preisen anderer Fernwärmeversorger oder alternativer Wärmeerzeugungsanlagen möglich ist.

 

Prävention verhindert Überraschung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine zeitgemäße Neuberechnung der Preise, gerade wenn schon lange keine oder nur pauschale Preisberechnungen für die Fernwärme durchgeführt wurden, eine gute Informationsbasis für die Geschäftsführung der Sparte Fernwärme in Hinblick auf eine Sektoruntersuchung der Landeskartellbehörden bildet und mögliche Konsequenzen verhindert oder genügend Zeit für Gegenmaßnahmen bietet.


 Kostenanalyse

 

Abbildung 2: Beispielhafte Kostenanalyse

 

 


1 Abschlussbericht Sektoruntersuchung Fernwärme, Bundeskartellamt, August 2012, S. 95                         

2 Sektoruntersuchung der Thüringer Fernwärmepreise, Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie, September 2014, S. 4  

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