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veröffentlicht am 26. Juli 2023
Die Europäische Kommission hat am 23. Juni 2023 unter Federführung der Generaldirektion Mobilität und Verkehr (GD MOVE) neue Leitlinien zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (VO 1370) über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Straße und Schiene erlassen. Die Überarbeitung der ursprünglichen Leitlinien von 2014 erfolgte insbesondere anlässlich der Umsetzung des vierten Eisenbahnpakets.
Die Leitlinien stellen keine neue rechtsverbindliche Vorschrift dar. Sie sind rechtlich „nur” als Erläuterungen und Orientierungshilfen für die Mitgliedstaaten zur Auslegung der VO 1370 zu verstehen. Den Leitlinien kommt jedoch eine hohe faktische Bedeutung zu. Sie erzeugen eine Selbstbindung der EU-Kommission. Entspricht der zu prüfende Sachverhalt nicht den Inhalten der Leitlinien „muss” die EU-Kommission zukünftig ein förmliches Beihilfeprüfverfahren starten. Um dies zu vermeiden, werden die zuständigen Behörden (= Aufgabenträger in Deutschland) die Leitlinien beachten müssen.
Die endgültige Auslegung und Entscheidung über die Zulässigkeit eines Beihilfebeschlusses ist dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorbehalten. Rechtsschutz gegen eine Entscheidung der Kommission auf Grundlage dieser Leitlinien kann damit ausschließlich gerichtlich im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 f. AEUV geltend gemacht werden. Dieses Verfahren beinhaltet für den EuGH die Möglichkeit einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Sekundärrechts der EU-Kommission, insbesondere am Maßstab des primären Vertragsrechts.
Was hat sich durch die Überarbeitung der Auslegungsleitlinien geändert und wie ist die praktische Umsetzbarkeit zu bewerten?
Aufgrund der Vielzahl der Regelungen werden wir die neuen Leitlinien in mehreren Beiträgen kommentieren. Unserer Beitragsreihe stellen wir eine Kurzübersicht zu den wichtigsten Änderungen voraus.
Die Leitlinien kommt für die Praxis eine sehr hohe Bedeutung zu. Auch wenn es sich „nur” um Auslegungshilfen handelt, werden die Aufgabenträger als zuständige Behörde die Leitlinien beachten müssen. Die Leitlinien benennen konkrete Vorgaben, welche Dokumentations- und Abwägungsbelange zukünftig zu beachten sind.
Von zentraler Bedeutung ist die sog. Bedarfsprüfung für die Festlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen. Danach obliegt es nicht mehr dem „freien Ermessen” der zuständigen Behörde, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu definieren. Zukünftig muss der tatsächliche Bedarf festgestellt und ein Marktversagen dokumentiert sein.
Eine offizielle Fassung der Auslegungsleitlinien ist auf der Internetseite der Europäischen Union zu finden unter: EUR-Lex - 52023XC0626(01) - EN - EUR-Lex (europa.eu)
Jörg Niemann
Diplom-Jurist
Partner
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