BGH: Inhouse-Vergaben im Wege eines einseitigen Rechtsaktes zulässig

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​​​veröffentlicht am 22. Januar 2020

 

BGH (Beschluss v. 12. November 2019, Az. XIII ZB 120/19)

 

Nach einer Divergenzvorlage des OLG Düsseldorf vom 03.07.2019 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) nun über die Interpretation der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Direktvergabe im Nahverkehr. Er bestätigte im Ergebnis das OLG Jena, welche auch Rats- und Gesellschafterbeschlüsse bei Direktvergaben für zulässig angesehen hatte, weicht in seiner Begründung von den OLG-Entscheidungen ab.

 

Nachdem der EuGH im vergangenen Jahr in seinen Entscheidungen (Urt. v. 21.03.2019 – Az. C-266/17 und 08.05.2019 – Az. C-253/18) deutlich machte, dass sich Direktvergaben im Nahverkehr entweder im Falle einer Dienstleistungskonzession nach den Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 (VO 1370) an den internen Betreiber oder nach den Inhouse-Regelungen des allgemeinen Vergaberechts (Richtlinien 2014/24 und 2014/2024/25) richten müssen, bestanden zwischen den Oberlandesgerichten Jena und Düsseldorf unterschiedliche Auffassungen über die Interpretation der EuGH-Urteile.

 

Das OLG Jena (Beschluss v. 12.06.2019, Az. 2 Verg 1/18) vertrat die Auffassung, der EuGH habe nur über die „Direktvergabe von Verträgen”, nicht aber über die Direktvergabe auf der Grundlage von Gesellschafterentscheidungen und Ratsbeschlüssen entschieden. Zudem fände für solche Direktvergaben der Vorrang des Vergaberechts vor den Vergabetatbeständen des Art. 5 Abs. 2 bis 6 VO 1370 keine Anwendung, so dass eine Direktvergabe an einen internen Betreiber nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 auf der Grundlage einer Gesellschafteranweisung zu bejahen wäre.

 

Das OLG Düsseldorf (Beschluss v. 03.07.2019, Az. VII Verg 51/16) folgte der Ansicht, dass eine Direktvergabe mittels eines Beschlusses und einer gesellschaftsrechtlichen Weisung als „Vertrag” zu werten sei, welcher nur im Wege einer Dienstleistungskonzession vergeben werden könne, deren Voraussetzungen im konkreten Fall nicht gegeben wären. Das OLG Düsseldorf legte daher im Rahmen einer Divergenzvorlage die Sache dem BGH zur Entscheidung vor.

 

In seinem Beschluss führte der BGH überraschend aus, dass der EuGH in seiner Entscheidung den Begriff der „Verträge” synonym für öffentliche Dienstleistungsaufträge verwendet habe. Nach der Definition des Art. 2 lit. i VO 1370 können öffentliche Dienstleistungsaufträge sowohl zweiseitige Verträge („rechtsverbindliche Übereinkunft zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber”) als auch einseitige rechtsverbindliche Rechtsakte („rechtsverbindliche Entscheidung der zuständigen Behörde”) sein. In diesem Sinne gelte der Vorrang des allgemeinen Vergaberechts nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO 1370 – abweichend zur Auffassung des OLG Jena – auch für Direktvergaben, die nicht durch den Abschluss eines Vertrags, sondern durch einen anderen rechtsverbindlichen Akt erfolgen würden. Dies stehe nach Auffassung des BGH im Einklang mit allgemeinen Vergaberecht, da nach der Richtlinie 2014/24/EU Inhouse-Vergaben öffentliche Aufträge seien, auf die die Vorschriften der Richtlinie gerade nicht anwendbar seien. Damit richtet sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der anstrebten Direktvergabe – abweichend zur Auffassung des OLG Düsseldorf – nach den Inhouse-Grundsätzen (wie sie in der Teckal-Entscheidung entwickelt wurden).

 

Diese Inhouse-Grundsätze sah der BGH im konkreten Fall als gewahrt an:

  • Das Kontrollkriterium wurde – trotz einer Kapitalbeteiligung – erfüllt, da die in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Leitungsbefugnisse ausreichten, um eine vergleichbare Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle zu begründen.
  • Zudem sei der Betreiber im Wesentlichen für den Auftraggeber tätig. Bezugsmaßstab sei der Umfang aller Tätigkeiten, die das Unternehmen aufgrund der Direktvergabe erbringe.

 

Für die Rechtmäßigkeit der Vergabe war es unerheblich, dass in der Vorabbekanntmachung nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370 (fälschlicherweise) von einer Direktvergabe an den internen Betreiber nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 ausgegangen worden sei. Wortlaut und Zweck der Norm erforderten lediglich Angaben, ob eine Direktvergabe oder wettbewerbliche Vergabe beabsichtigt sei, so dass eine fehlerhafte Bezeichnung für die Rechtmäßigkeit der Direktvergabe nicht schädlich wäre.

 

Nicht entscheidungserheblich war, ob es sich bei der Finanzierung (Gewinnabführungsvertrag, Einzahlung auf die Kapitalrücklage, Kontokorrentverrechnung) um nicht notifizierte Beihilfen handele, da die Bewertung keinen Einfluss auf die davon rechtlich unabhängige Direktvergabe habe.

 

Bewertung für die Praxis

Die Entscheidung des BGH ist überraschend, da Verwaltungsakte per Definition nicht unter das allgemeine Vergaberecht fallen, ebenso wenig wie eine gesellschaftsrechtliche Weisung. Hierüber setzt sich der 13. Senat hinweg und stellt – für Direktvergaben im Nahverkehr – nur auf den öDA-Begriff nach der VO 1370 ab.

 

Die Entscheidung hat Bedeutung für alle (kommunale) Direktvergaben, in denen eine Inhouse-Konstellation gegeben ist und deren Finanzierung unter Beteiligungen einer steuerlichen Querverbundfinanzierung erfolgt. Insbesondere das Risiko eines vorrangig vertraglichen Ausgleichsanspruchs vor der steuerlichen Verrechnungsoption kann durch die vergaberechtliche Gestaltung als Direktvergabe im Wege des einseitigen Rechtsaktes vermieden werden. Ansonsten betätigt BGH die Rechtsprechung zu den Anforderungen von Inhouse-Vergaben.

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