Rezeptabrechner AvP hat Insolvenzantrag gestellt – Apotheken sollten schnellstens ihre Rechte prüfen und wahren!

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​veröffentlicht am 17. September 2020

 

Das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rezeptabrechners AvP ist angeordnet. Der vorläufige Insolvenzverwalter und ein Sonderbeauftragter der Bundesfinanzaufsicht haben ihre Arbeit aufgenommen. Apotheken könnten in Liquiditätsschwierigkeiten kommen. 
 

Insolvenzantrag wegen Unregelmäßigkeiten

Der Rezeptabrechner AvP hat Insolvenzantrag gestellt. Was in den letzten Wochen genau bei dem Rezeptabrechner schiefgegangen ist, ist derzeit unklar. Die Bankenaufsicht (BaFin) ermittelt derzeit, um Hintergründe aufzuklären. Fest steht: Die BaFin hat offenbar Unregelmäßigkeiten festgestellt. In der Folge ist von ihr ein Sonderbeauftragter eingesetzt worden, der am 15.09.2020 einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht gestellt hat. Nach Informationen des Insolvenzportals hat das Amtsgericht Düsseldorf zum Aktenzeichen 502 IN 96/20 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und einen renommierten vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt.


Das Spannende in dem Verfahren: Unterliegt ein Unternehmen der Bankenaufsicht, kann ein Insolvenzantrag nach § 46b des Kreditwesensgesetz (KWG) auch nur und ausschließlich durch die Bankenaufsicht gestellt werden. Die Verantwortlichen trifft insoweit jedoch eine Anzeigepflicht soweit diese Personen nach anderen Rechtsvorschriften verpflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (so § 15a InsO). Wird ein Institut, das eine BaFin-Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland besitzt, zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Geschäftsleiter, bei einem in der Rechtsform des Einzelkaufmanns betriebenen Institut der Inhaber und die Personen, die die Geschäfte tatsächlich führen, dies der BaFin unter Beifügung aussagefähiger Unterlagen unverzüglich anzuzeigen. Die gleiche Anzeigepflicht besteht – anders als bei der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO - auch dann, wenn das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (sog. drohende Zahlungsunfähigkeit). Die entsprechende Verletzung einer Anzeigepflicht ist nach § 55 KWG strafbewehrt.  Welche Möglichkeiten stehen den betroffenen Apotheken nun zu?

 

Handlungsmöglichkeiten

1. Vertragliche Grundlagen und Aussonderungsrechte zwingend klären (§ 47 InsO)

Derzeit „geistert” die Meinung durch die Presse, die zur Auszahlung gedachten Gelder an die Apotheken lägen auf sogenannten „Treuhandkonten”, sodass diese nicht in die Insolvenzmasse fallen.


Dies ist nur eingeschränkt richtig, denn das setzt voraus, dass

  • Treuhandkonten eingerichtet sind,
  • keine Vermischung von Geldern stattgefunden hat und
  • das Geld überhaupt noch vorhanden ist
     

Grundsatz

Hintergrund ist § 47 InsO, wonach ein Gläubiger, der aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, gerade kein Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO sondern eben privilegiert ist. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. Denn wird über das Vermögen eines fremdnützigen Treuhänders (hier AvP) das Insolvenzverfahren eröffnet, ist dem Gläubiger, wenn alles ordnungsgemäß umgesetzt wurde, das sog. Treugut weiterhin haftungsrechtlich zugeordnet.

 

ABER: Achtung bei Verstoß gegen das Vermögenstrennungsprinzip!


Regelmäßiger Streitpunkt ist aber das sogenannte Bestimmtheitsprinzip. Hierbei geht es darum, dass jederzeit konkret bestimmt sein muss, ob ein Gegenstand einer treuhänderischen Bindung unterliegt oder nicht. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die Vermögensmassen separiert gehalten werden (Vermögenstrennungsprinzip). Das Treugut ist daher grundsätzlich vom Eigenvermögen des Treuhänders zu trennen.


Bei Vermischungen des Treuguts mit dem sonstigen Vermögen des Treugebers scheitert eine Aussonderung regelmäßig. Dies gilt etwa, wenn treuhänderisch abgetretene Forderungen vom Treuhänder eingezogen werden und der Erlös auf einem Konto eingeht, das auch als Eigenkonto des Treuhänders genutzt wird. Eine zur Aussonderung berechtigende Treuhandvereinbarung liegt auch dann nicht vor, wenn die konkrete Verwendung der zur Verfügung gestellten Gelder dem Schuldner, also dem Treuhänder, überlassen worden ist.


Insoweit empfiehlt es sich, zunächst die vertraglichen Grundlagen zu prüfen, ob und inwieweit im Falle einer Verfahrenseröffnung Aussonderungsrechte bestehen. So findet sich in einigen der uns vorliegenden AGBs der AvP u.a. der Hinweis (Auszug):

§6

Die AvP unterhält zum Ausgleich der Apotheken-Forderungen bei einem Geldinstitut ein für alle Kunden einheitliches Fremdgeldkonto. Die AvP verfügt über dieses Konto nur zu Gunsten ihrer Apotheken, zu Gunsten der Bank, nach Maßgabe der den Abrechnungskunden bereits gezahlten Abschlagszahlungen, zu Gunsten der Kostenträger und zu eigenen Gunsten in Höhe der ihr für ihre Tätigkeit zustehenden Vergütung.


Hier stellt sich bereits die Frage, ob und inwieweit dem Vermögenstrennungsprinzip Genüge getan ist, weil zum einen nicht pro Kunde ein Konto zugewiesen ist und zum anderen das Konto auch – jedenfalls zum Teil – eigengenutzt ist, jedenfalls hinsichtlich der Vergütung.


Ob es auch tatsächlich zu einer Verfahrenseröffnung kommt, muss jetzt der vorläufige Insolvenzverwalter prüfen. Er klärt, ob

  • Masse (also Vermögenswerte) vorhanden ist, die zumindest die Verfahrenskosten deckt und
  • ein Insolvenzgrund tatsächlich vorliegt. 


Sollten die Voraussetzungen vorliegen, wird der vorläufige Insolvenzverwalter die Empfehlung aussprechen, dass Insolvenzverfahren zu eröffnen. Entsprechende Forderungen und Rechte wären dann bei der Insolvenzverwaltung anzumelden.

 
2. Persönliche Haftungsansprüche gegen die Verantwortlichen prüfen 

Sollte sich herausstellen, dass eine Treuhandvereinbarung vorliegt, gegen diese jedoch verstoßen wurde, ist in Erwägung zu ziehen, gegen die Verantwortlichen Strafanzeige zu erstatten und persönliche Haftungsansprüche durchzusetzen. Dass etwaige Ansprüche hier nicht völlig abwegig sind, ist der aktuellen Presse zu entnehmen.


Nach Angabe von APOTHEKE ADHOC prüfe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) die Vorgänge offenbar bereits seit längerem. Dies hängt damit zusammen, dass die Art des Factorings der BaFin-Aufsicht unterliegt. Aus Finanzmarktkreisen heißt es, die BaFin habe einen Sonderbeauftragten eingesetzt. Der Sonderbeauftragte habe gegenüber APOTHEKE ADHOC „Aufräumarbeiten bei der Bilanz” bereits eingeräumt. Von daher habe die BaFin nun bei AvP die Geschäfte übernommen und kontrolliere alle Zahlungsvorgänge. Durch die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind zudem alle Verfügungen über das Vermögen von AvP nur noch mit dessen Zustimmung wirksam. Das bedeutet, auch Apotheken und allen anderen Marktteilnehmern, insbesondere die Kostenträger, können nur noch mit schuldbefreiender Wirkung an den vorläufigen Insolvenzverwalter zahlen.


3. Prüfung der eigenen Liquidität und Maßnahmenplanung 

Durch die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums warten seit letzter Woche die meisten der mehr als 3000 Apotheken auf ihr Geld. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die eine oder andere Apotheke auch mit existenzgefährdenden Liquiditätsengpässen zu tun bekommt.


Trotz des aktuellen bestehenden Insolvenzaussetzungsgesetzes ist es ratsam, hier Vorsorge zu treffen und sich schnellstmöglich einen Überblick über die eigene aktuelle Lage zu verschaffen.


Sollte sich eine Liquiditätslücke herausstellen, gibt es verschiedene Möglichkeiten zu reagieren. Insbesondere bieten verschiedene Kreditinstitute entsprechende Überbrückungskredite an.

Kontakt

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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